Herthaner im Fokus: Eine Leistungssteigerung führt zum ersten Punkt

Herthaner im Fokus: Eine Leistungssteigerung führt zum ersten Punkt

Es geht doch. Hertha BSC schafft es endlich, einem denkwürdigen Tag einen Stempel aufzudrücken und zu punkten – und das verdient. Gegen die Eintracht aus Frankfurt boten nämlich nicht nur die Berliner Fans mit einer wundervollen und sehenswerten Choreographie anlässlich des 130. Geburtstags von Hertha BSC ein Spektakel, sondern auch die Mannschaft konnte mit einer deutlichen Leistungssteigerung phasenweise aufblühen. Die Spieler zeigten eine Reaktion auf den schwachen Auftritt in Köpenick, das Aus im Pokal gegen Braunschweig und in einigen Mannschaftsteilen Fortschritte. Insbesondere in der Offensive. Doch während es vorne mittlerweile besser läuft, zeigen sich in der Defensive weiterhin altbekannte Schwächen. Dennoch ein Spiel, das vorsichtig Mut für die nächsten Wochen macht.

Hertha mit vier Neuen: Sandro Schwarz rotiert auf einigen Positionen

Doch um all das zu ermöglich, rotierte Sandro Schwarz auf einigen Positionen, zum Teil auch gezwungener maßen. Dabei blieb er seinem 4-3-3-System aber treu. Im Tor stand wieder einmal Oliver Christensen, die Verteidigung bestand aus Jonjoe Kenny, der die rechte Seite bespielen sollte und den beiden Innenverteidigern Filip Uremovic und Marc Oliver Kempf. Bis hierhin sollte sich also in der Verteidigung nicht viel ändern im Vergleich zum Derby. Doch auf der Position des Linksverteidigers ersetzte Maximilian Mittelstädt den kurzfristig ausgefallenen Kapitän Marvin Plattenhardt.

(Photo by Cameron Smith/Getty Images)

Als Abräumer auf der Sechs durfte wieder Ivan Sunjic ran, vor ihm Suat Serdar und Lucas Tousart, der den bisher schwach und langsam spielenden Kevin-Prince Boateng ersetzte und nach seiner gelb-roten Karte im Relegationsspiel gegen Hamburg erstmals in der Bundesliga wieder spielberechtigt war. Zusätzlich lief der Franzose als Kapitän der Mannschaft auf. Offensiv vertraute Schwarz wieder auf die Dienste Dodi Lukebakios auf der rechten Seite und vor allem den beiden Neuzugängen Chidera Ejuke auf der linken Seite und Wilfried Kanga im Mittelsturm, die Myziane Maolida und Davie Selke ersetzten.

In unserer heutigen Analyse schauen wir auf unseren vielseitigen Sturm, die noch immer Sorgen bereitende Verteidigung und die Führungsspieler im Team.

Dodi Lukebakio: Wenn er will einer der Besten bei Hertha

Der Belgier macht es vor jedem Spieltag spannend. Wie ist seine Form? Wie viel Lust hat er auf das Spiel? Wie viel ist er bereit zu investiere? Auch nach drei Minuten wusste man das nicht so richtig einzuordnen. Eben gelang ihm eine punktgenaue Flanke in den Strafraum auf Suat Serdar, der damit die Hertha früh in Führung köpfen konnte, doch die Art und Weise wie Lukebakio zum Ball eher joggte als rannte, machte zunächst stutzig. Allerdings konnte man es ihm auch nicht verübeln, die Frankfurter Verteidiger machten es ihm zugegebener Maßen auch nicht schwer.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images)

Doch Dodi Lukebakio lieferte Antworten. Er war einer der besten Herthaner auf dem Platz, wusste sich und seine Mitspieler häufig in Szene zu setzen und machte der Abwehr das Leben schwer. Sein Zusammenspiel mit Jonjoe Kenny ist weiterhin alles andere als ausgereift, doch es wird zunehmend besser. In der Offensive hatte er mit Wilfried Kanga und Chidera Ejuke zwei Mitspieler, die wesentlich vielseitiger und schwerer zu verteidigen sind, als zuletzt Myziane Maolida und Davie Selke. 44 Mal war Lukebakio am Ball, drei Torschüsse gab er ab, drei Schlüsselpässe fügte er hinzu. Sechs Dribblings beendete er erfolgreich.

Seine Vorlage auf Stevan Jovetic per Heber über die gesamte Verteidigung in der 72. Minute hätte einen Treffer verdient gehabt. Zusätzlich gewann er 69 Prozent seiner Zweikämpfe. Keine schlechte Quote für einen Offensivspieler. Zusätzlich brachte er 16 seiner 23 Pässe an den Mann. Auch hierbei sind 70 Prozent für einen Offensivspieler eine vernünftige Quote. Gelingt es ihm noch mehr am eigenen Abschluss zu arbeiten und seine Effizienz auszubauen, kann Dodi Lukebakio für zahlreiche Tore sorgen. Die Hoffnung, den besten Lukebakio bei Hertha noch zu bekommen, könnte höher kaum sein. Es liegt an ihm, diese zu erfüllen.

Suat Serdar: Der Antreiber hat endlich bessere Mitspieler

Dem zentralen Mittelfeldspieler konnte gegen Frankfurt das gegeben werden, was ihn in seinem ersten Jahr bei Hertha meistens fehlte. Starke und mitspielende Kollegen. Zu oft versuchte er es in der Vergangenheit allein mit dem Kopf durch die Wand. Gegen die Hessen spielte sein Kopf wieder einmal eine Rolle. Dieses Mal aber eine sehenswerte. Nach Lukebakios feiner Flanke von der rechten Seite lief er perfekt in den Strafraum und wusste sich gegen Ansgar Knauff durchzusetzen. Das frühe 1:0 sorgte für eine Art Rückkehr der Sicherheit und des Selbstverständnisses im Spiel der Berliner. Serdar war im Laufe des Spiels einer der aktivsten. 56 Mal war er am Ball, vier seiner fünf Dribblings wusste er erfolgreich zu beenden.

(Photo by Gerald Matzka/Getty Images)

Er konnte 20 seiner 27 Pässe bei den Mitspielern unterbringen, nur seine Zweikampfquote von 43 Prozent ließ etwas zu wünschen übrig, doch seine Kollegen Ivan Sunjic und Lucas Tousart konnten ihn meist den Rücken freihalten oder zur Hilfe kommen. Suat Serdar sprüht aktuell vor Einsatzfreude und hatte es zumindest in jenem Spiel nicht nötig, auf Einzelaktionen zurückzugreifen. Zusammen mit den Offensivspielern konnte er das Angriffsspiel ordentlich ankurbeln, er kam insgesamt zu drei Abschlüssen. Neben seinem Tor war Serdar insbesondere in der 83. Minute im Mittelpunkt, als er in aussichtsreicher Position von Jonjoe Kenny in Szene gesetzt wurde. Doch sein Schuss, der aller Wahrscheinlichkeit nach im Tor gelandet wäre, wurde ausgerechnet vom eigenen Mann, nämlich Stevan Jovetic geblockt. Das Glück ist bekanntlich mit den Tüchtigen. Suat Serdar ist tüchtig und sollte er bei seinem Engagement bleiben, stehen die Chancen gut, dass er den Siegtreffer vielleicht auch mal erzwingen kann.

Lucas Tousart: Der wahre Hertha-Kapitän

Lucas Tousart entwickelt sich immer mehr zu dem Spieler, der einen bei Hertha BSC versprochen wurde. Gegen Eintracht Frankfurt führte er das Team das erste Mal in einem Pflichtspiel als Kapitän auf. Und er verhielt sich auch wie einer. Er kämpfte im Mittelfeld wo es ging, hielt insbesondere Suat Serdar den Rücken frei, bemühte sich der wackligen Innenverteidigung Unterstützung zu bieten und kommunizierte so oft es ging und nötig es war mit seinen Mitspielern und suchte wann immer es nötig oder praktisch war das Gespräch mit dem Schiedsrichter. 11,76 km lief er, Höchstwert auf dem Platz. Allgemein spulte die Mannschaft fünf Kilometer mehr ab, als gegen Union und zeigte auch daran gemessen einen höheren Einsatz.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

38 Mal war der Franzose am Spielgerät, gewann sieben seiner zwölf Zweikämpfe und brachte 18 seiner 26 Pässe beim Mitspieler unter. Wichtig war zudem, wie ballsicher er agierte, er verlor im Zentrum – anders als seine Mitspieler in Halbzeit zwei – kaum Bälle. Zusätzlich brachte er sich defensiv mit zwei erfolgreichen Tacklings ein. Sein großes Manko ist zweifelsohne sein Tempodefizit, was er mit robusten Zweikämpfen ausgleichen muss. Doch mit seiner starken und kämpferischen Haltung ist er des Kapitänsamts absolut würdig. Zumindest vertrat er Marvin Plattenhardt hervorragend und stand ihm in nichts nach. Ein wahrer Kapitän, der auch via Social Media sich sehr glücklich mit seiner Rolle zeigte und auch dahingehend für einen möglichen Konkurrenzkampf sorgen könnte.

Maximilian Mittelstädt: Seine Vielseitigkeit wird fast belohnt

Ohne Marvin Plattenhardt hier schlecht schreiben zu wollen, aber gegen Eintracht Frankfurt konnten gleich zwei Spieler Argumente liefern, weshalb Plattenhardt nicht unumstritten ist. Während Lucas Tousart als durchaus geeigneter Kapitän gelten könnte, schaffte es Maximilian Mittelstädt mit seinem ersten Saisoneinsatz Punkte zu sammeln. Der Wurf ins kalte Wasser aufgrund des kurzfristigen Ausfalls des normalerweise gesetzten Linksverteidigers Plattenhardt, tat dem Hertha-Eigengewächs zumindest nicht schlecht. Mit 10,2 gelaufenen Kilometern war er viel unterwegs. 77 Mal war er am Ball und damit einer der aktivsten der Hertha. Er zeigte sich als vielseitiger Linksverteidiger, wirkte wach, engagiert und mutig und vor allem motiviert. Auch er scheint körperlich und spielerisch im Vergleich zur letzten Saison zugelegt zu haben.

Zusätzlich war er kommunikativ, suchte seine Mitspieler, 22 seiner 31 Pässe kamen an. Mit sechs erfolgreichen Tacklings, zwei Klärungen und vier Aktionen, in denen er dem Gegenspieler den Ball ablaufen konnte, lieferte er einen sehenswerten Beitrag in der Verteidigung. Doch auch bei ihm ist das Tempo ein Manko. Ansgar Knauff und er lieferten sich zwar lange einen sehenswerten Zweikampf, doch zweimal musste er den Tempodribbler per Foul stoppen. Beim zweiten Foul in der 34. Minute sah er von Schiri Willenborg zurecht die gelbe Karte. Auch weitere Faride Alidou und Rendal Kolo Muani machten ihm das Leben schwer. Offensiv hatte Mittelstädt die Möglichkeit dem Spiel seinen Stempel aufzudrücken. In der 23. Minute setzte er Wilfried Kanga im Sturm sehenswert in Szene. Hätte der Angreifer seine Torchance vergolden können, hätte also auch Mittelstädt seine erste Torbeteiligung in dieser Saison verzeichnet.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Insgesamt konnte Mittelstädt deutlich machen, dass er Ambitionen hat, auf mehr Einsätze zu bekommen. Durch seine Vielseitigkeit als Schienenspieler gelingt es ihm mehr als Plattenhardt, Offensive und Defensive im Blick zu halten. Gibt Sandro Schwarz ihm eine ehrliche Chance, ist ein offener Konkurrenzkampf um den Posten des Linksverteidigers möglich.

Wilfried Kanga und Stevan Jovetic: Potential zu gefährlichen Waffen

Wilfried Kanga und Stevan Jovetic sind Spieler, die einer Offensive extrem viel geben können. Beide kurbeln das Offensivspiel an und sind taktisch, spielerisch und technisch in der Lage, für viel Wirbel und Gefahr zu sorgen. Neuzugang Kanga durfte über 70 Minuten agieren und wusste vor allem in der ersten Halbzeit für Gefahr zu sorgen und auch phasenweise zu überzeugen. Allgemein zeigte sich der Franzose ballsicherer und vielseitiger als Konkurrent Davie Selke. Sein Engagement hätte er in der 23. Minute krönen können, als er Mittelstädts gefährlichen Pass im Strafraum empfing. Doch sein Schussversuch misslang – vermutlich wegen einer mangelhaften Rasenstelle – vollkommen. Aus nächster Nähe schoss der Stürmer deutlich über das Tor.

Es hätte das 2:0 sein können, ja vielleicht sogar müssen, womit das Spiel einen spannenden Verlauf hätte annehmen können. Im Zusammenspiel mit dem Rest des Teams gibt es sicherlich noch Luft nach oben, doch der erste Startelf-Einsatz ließ für die Zukunft gutes vermuten. Er gewann die Hälfte seiner Zweikämpfe, außerdem brachte er acht seiner sechzehn Pässe bei den Mitspielern unter. Kanga scheint gute Chancen zu haben, auch beim nächsten Spiel in der Startformation zu stehen. Vielleicht gelingt dann auch noch mehr Zählbares.

hertha

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Stevan Jovetic löste Kanga nach 70 Minuten ab und auch er hatte die Möglichkeit die Hertha auf die Siegesstraße zu bringen. Doch nur zwei Minuten nach seiner Einwechslung scheiterte er, nach sehenswerter Lukebakio-Vorlage, an seiner eigenen Hast und verzog freistehend vor Kevin Trapp. Seine Passqualitäten stellte er in der 83. Minute unter Beweis, als er Jonjoe Kenny auf der rechten Seite mitnahm. Die Hereingabe des Briten und der Abschluss Suat Serdars hätten für den goldenen Moment des Nachmittags sorgen können, doch ausgerechnet Jovetic selbst, der die Aktion kurz zuvor noch einleitete stand im Weg. Der Montenegriner zeigte in den wenigen Minuten wieder viel Qualität, sollte er körperlich in der Lage sein mehr Spielminuten zu absolvieren, wäre er für den Sturm eine enorme Waffe. 

Filip Uremovic und Marc-Oliver Kempf: Solide, aber wenn es schnell wird, brennt es

Das Innenverteidiger-Duo scheint erst einmal zu stehen. Wie schon in Köpenick sollten Filip Uremovic und Marc Oliver Kempf die defensive Zentrale dicht machen. Beide konnten mit soliden Leistungen auf sich aufmerksam machen, hatten aber auch große Schwierigkeiten.

Filip Uremovic war direkt früh gefordert. Bereits in der ersten Minute versuchten die Frankfurter in Person von Mario Götze Gefahr über Standards zu sorgen. Den Freistoß des WM-Helden von 2014 konnte Uremovic vor der Frankfurter Offensive klären. Der Kroate wusste eine solide Partie zu spielen, 16 seiner 18 Pässe kamen beim Mitspieler an, vier von fünf Zweikämpfen entschied er für sich. Sieben Mal klärte der Innenverteidiger zum Teil in höchster Not, drei Bälle schafft er den Gegenspielern abzulaufen. Doch den größten und entscheidenden Fehler beging er kurz nach der Pause. Die Frankfurter setzten ihn in der 48. Minute zu sehr unter Druck. Keine Chance dem Pressing zu entkommen, verlor er den Ball, der schnelle Angriff der Gäste führte zum Ausgleich durch Kamada. Sein Verhalten in dem Moment war alles andere als sehenswert und hilfreich, doch genauso wenig konnten seine Mitspieler ihn in der Situation unterstützen. Ihm also allein den Fehler zuzuschreiben, wäre zu einfach. Allgemein gelang es ihm aber auch nicht den schnellen Sturm der Frankfurter zu stoppen. Insbesondere Randal Kolo Muani, Lucas Alario und Rafael Borré wirbelten die Verteidigung der Hertha extrem durch. Das ein oder andere Tor mehr für die Eintracht wäre in manchen Phasen möglich gewesen. In der 83. Minute machte er nach Wadenkrämpfen Platz für Marton Dardai.

hertha

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Marc Oliver Kempf spielte unauffälliger als in Köpenick. Eine Tatsache, die bei dem meist aufopferungsspielenden Innenverteidiger besonders, aber keinesfalls schlecht ist. Wie Uremovic spielte er recht solide, gewann vier von sieben Zweikämpfen, lief zwei Bälle ab, klärte zwei weitere Aktionen und brachte 26 seiner 35 Pässe beim Mitspieler unter. Insbesondere mit langen Bällen gelang es ihm ein ums andere Mal das Offensivspiel anzukurbeln. Drei seiner fünf Versuche kamen an. Doch ein allseits bekanntes Problem konnte er nicht abstellen. Durch sein schwaches Stellungsspiel, das dringend von Nöten ist bei seinem Tempodefizit, konnte er der Verteidigung nur selten die notwendige Stabilität geben. Gegen die schnellen Offensivspieler des amtierenden Europa-League-Siegers sah er ein ums andere Mal sehr alt aus. Sowohl im Zusammenspiel mit Uremovic, als auch in den letzten Minuten mit Marton Dardai kamen die selben Fehler zustande.

hertha

(Photo by Gerald Matzka/Getty Images)

Bereits in der ersten Hälfte hätte Alario ins leere Tor einschieben können, in der zweiten Halbzeit konnten Kempf und die gesamte Hintermannschaft von Glück sprechen, dass Kamada, Kolo Muani und Co zu wenig Zielwasser getrunken zu haben schienen. Auch in der für den Schiedsrichter kniffligsten Situation in der 90. Minute, konnten er und Dardai Rafael Borré weder ins Abseits stellen, noch ihn anderweitig verteidigen. Er und Uremovic sind zwei grundsolide Verteidiger, ein spielerisch aktiverer Marton Dardai würde dem Spiel aber wahrscheinlich noch mehr Flexibilität verleihen. Die gute Nachricht für die Verteidiger ist, dass solch ein schneller Angriff nicht jedes Spiel gegen sie aufgestellt sein wird. Nicht jeder Angriff besteht aus Sheraldo Becker, Kolo Muani oder im schlimmsten Fall Sadio Mané. Aber auch für einen Spieler wie Marcus Thuram, der am kommenden Freitag das schwere Brett sein wird, müssen sich Sandro Schwarz und die Verteidigung Gedanken machen.

Eine Leistungssteigerung sorgt für Zuversicht

Nach dem wilden Kick in Braunschweig und der enttäuschenden Derby-Niederlage folgte nun die erste sehenswerte Vorstellung der Hertha in dieser Saison. Die Mannschaft hat bewiesen, wettbewerbsfähig zu sein, auch wenn man in der Defensive mit viel Glück gesegnet war. Andererseits muss man aber auch von Pech in der Offensive sprechen. Der Aufreger des Spiels ist bis heute natürlich Streitthema in den sozialen Medien. War die Berührung von Christensen an Borré ein straffälliger Elfmeter? War die Entscheidung Willenborgs korrekt? War der Eingriff des VAR korrekt? Es sind Fragen, die überemotionale Fans nicht beantworten können. Selbst geschultes Personal tut sich dabei schwer. Im Sinne des fairen Fußballs scheint es die richtige Entscheidung gewesen zu sein, den Elfmeter zurückzunehmen.

hertha

(Photo by Gerald Matzka/Getty Images)

Auf einigen Szenen des Spiels lässt sich aufbauen. Die Offensive wirkt sehr viel eingespielter und lebhafter als zuletzt, genauso die Verbindung zum Mittelfeld. Die Rollen scheinen klarer verteilt zu werden und für einige Positionen entwickelt sich ein echter Konkurrenzkampf, der dem Team nur guttun kann. Dass hartnäckige Probleme, wie individuelle Aussetzer oder dass man vom Gegner nur so überrannt wird, noch vorhanden sind und nicht innerhalb weniger Tage abzustellen sind, sollte jedem klar sein. Das im Endeffekt leistungsgerechte Unentschieden, die traumhafte Choreographie der Hertha-Fans und eine deutliche Leistungssteigerung hätten für einen zufriedenstellenden Sonntag und eine angenehme folgende Woche sorgen können. Doch Hertha wäre nicht Hertha, wenn es nicht irgendwelche Probleme gäbe. Die Suspendierung Rune Jarsteins, egal weshalb und warum und wem dabei die Schuld zuzuweisen ist, kommt zu Unzeiten.

hertha

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Eine Hertha-Legende droht aus dem Verein geworfen zu werden, der Torwarttrainer ist mehr als angezählt und die Torhüter-Position stellt nun wieder eine Baustelle dar. Oliver Christensen benötigt einen Herausforderer, im Optimalfall einen gestandenen Bundesliga-Torhüter. Dieses Problem zu lösen wird nicht einfach werden, aber was ist dieser Tage schon einfach bei Hertha BSC? Bei Hertha sind bis zum Ende der Transferperiode noch viele Personalfragen zu klären, nun wohl oder übel eine weitere.

(Photo by Gerald Matzka/Getty Images)

Herthaner im Fokus: Der Derby-Fluch hält an

Herthaner im Fokus: Der Derby-Fluch hält an

Liebe Leserinnen und liebe Leser, lasst uns kurz einmal in die Vergangenheit schauen. Erinnert ihr euch an den 9. April dieses Jahres? Damals fand der 29. Spieltag der letzten Bundesliga-Saison statt und Hertha BSC wurde im eigenen Stadion sang– und klanglos von enorm starken Unionern überrannt. Am Ende stand eine auch in der Höhe vollkommen gerechtfertigte 1:4-Niederlage und man hing im tiefen Abstiegsschlamassel fest. Beim Blick auf die Startelf des damaligen Spiels fällt auf, dass die einzigen Akteure, die auch beim Derby am 1. Spieltag der neuen Saison in der Startelf standen, Myziane Maolida und Marc-Oliver Kempf waren. Mit Sandro Schwarz steht ein neuer Trainer mit neuer Philosophie, neuem Auftreten und neuer Spielidee an der Seitenlinie und generell hat sich seitdem vieles getan. Doch etwas ist geblieben. Eine spielerische und taktische Überforderung, eine unerklärliche Gelähmtheit einzelner Akteure und die spürbare Angst vor dem Versagen. Es ist mittlerweile ein Mysterium, dass es kaum einer Hertha-Mannschaft gelingt, diese Dinge abzulegen. Sehr wahrscheinlich stecken die Probleme also in noch unergründeten Ecken. Aber nun erst einmal zum Spiel.

Selbes System, selbe Mannschaft, aber einer fehlt

Sandro Schwarz stellte wie schon in Braunschweig die Mannschaft in einem 4-3-3-System auf. Die personelle Aufstellung war fast gänzlich dieselbe. Im Tor stand die dänische Nummer 1 Oliver Christensen. Kapitän Marvin Plattenhardt als Linksverteidiger und Jonjoe Kenny als Rechtsverteidiger auf den Außen. Vor der Verteidigung agierten Ivan Sunjic, Kevin-Prince Boateng und Suat Serdar. In der Offensive sollten Myziane Maolida über links, Dodi Lukebakio über rechts und Davie Selke als üblicher Neuner für die Tore sorgen. Eine Änderung nahm Schwarz allerdings vor und die sorgte für Aufsehen und scheint kein Thema für nur ein Spiel zu sein.

(Photo by Mark Thompson/Getty Images)

Der in Braunschweig unglücklich agierende Marc-Oliver Kempf durfte gegen Union Berlin als Abwehrchef fungieren. Ihn an die Seite gestellt wurde Filip Uremovic. Der kroatische Neuzugang kam also zu seinem Bundesliga-Debüt. Dedryck Boyata, der über Jahre die Rolle des Abwehrchefs einnahm, bekam also die Quittung für seine schlechte Leistung in Braunschweig und wohl auch im Training und wurde nicht einmal mehr für den Spieltags-Kader berücksichtigt.

In unserer Analyse schauen wir heute auf unseren Torhüter, die unsichere Verteidigung, das Führungsspieler-Vakuum und wer sich Hoffnungen auf die Startelf machen kann.

Oliver Christensen: Dankbare Bälle, aber auch viel Pech

Der neue Stammtorhüter der Hertha leistete gegen Union Berlin eine viel bessere Arbeit als zuletzt in Braunschweig. Er zeigte mehr Ruhe und mehr Sicherheit. Gute Paraden gegen die Unioner Offensive belegen das. Insbesondere gegen Ryerson, der einen starken Tag erwischte und die Verteidigung vor viele Probleme stellte. Von eben jenem Ryerson wurde Christensen in der 27. Minuten zu einer Glanzparade gezwungen. Sieht man die Situation sehr kritisch, muss man vielleicht sogar sagen, dass Christensen diesen Ball auch haben muss. Zumindest war es ein dankbarer Ball um sich als Torhüter sehenswert auszeichnen zu können. In der Vergangenheit konnte sich nicht jeder Herthaner zwischen den Torpfosten so auszeichnen. Insgesamt wurde er zu fünf Paraden gezwungen, zweimal konnte er den Ball in brenzliger Situation klären. Eine weitere Unioner Großchance vereitelte er direkt nach Beginn der zweiten Halbzeit, als er einen Kopfball von Becker zur Ecke lenken konnte.

Christensen war wach und bei Standards präsent, wie bei Trimmels Freistoß in der 80. Minute. Immer wieder versuchte er das Spiel der Hertha einzuleiten, 18 seiner 23 Pässe fanden den Mitspieler, acht seiner 13 Versuche lange Bälle bei seinen Kollegen unterzubringen, waren erfolgreich. Bei den Gegentoren trifft Christensen keinesfalls eine Hauptschuld, allerhöchstens zum Teil. Beim 0:1 durch Siebatcheu könnte man ihm ein schlechtes Stellungsspiel unterstellen, als er zu sehr auf die kurze Ecke spekulierte. Beim 0:2 wirkte er zu zögernd. Ein entschiedenes Rauskommen hätte womöglich einen Sieg im Zweikampf mit Becker bedeutet. Beim 0:3 sah er auf der Linie unglücklich aus. Doch eins vereint diese drei Gegentore. Bei allen schlief die komplette Verteidigung. Die schlief allerdings häufiger als nur die drei Mal. Und wenn am Ende der Kette Christensen nicht gewesen wäre, hätte das Spiel schon viel früher entschieden sein können.

(Photo by ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images)

Die Absprache mit seinen Kollegen funktioniert noch nicht reibungslos, was angesichts der noch jungen Saison aber verständlich ist. Es wäre schön und vor allem sehr wichtig, sehr bald eine Stamm-Innenverteidigung zu haben. Bekanntlich war das letzte Saison die größte Baustelle der Hertha. Es ist oft gemein, Vergleiche zu ziehen, doch sieht man sich die Unterschiede zwischen Oliver Christensen und Marcel Lotka an, fällt auf, dass der Däne aktuell eher den ruhigen Akteur gibt und weniger den des Wachrüttlers. Dabei wird letzterer gerade dringend gebraucht.

Dedryck Boyata: Dramatischer Abstieg eines Führungsspielers

In Köpenick war er nicht nur nicht in der Startelf. Nein, der Belgier war nicht einmal im Kader. Laut Sandro Schwarz eine Konsequenz aus den Eindrücken vom Spiel in Braunschweig und der Trainingswoche. Es könnte also durchaus sein, dass das Spiel gegen die Löwen Dedryck Boyatas letztes Spiel im Dress der Hertha gewesen ist. Der Absturz des Innenverteidigers konnte schneller kaum gehen. Nach zwei Jahren wurde ihm die Kapitänsbinde abgenommen und nun wurde ihm auch der Rang als Abwehrchef abgelaufen. Sportlich hat Schwarz genug Argumente auf seiner Seite. Zumindest dann, wenn Marc-Oliver Kempf tatsächlich eine Reaktion im Training zeigte.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

In den letzten Jahren war Boyata trotz gelegentlicher Aussetzer einer der besten Verteidiger von Hertha BSC. Sein Standing im Team war extrem hoch, die Mannschaft wählte ihn nicht grundlos zweimal zum Kapitän. Doch er hatte zunehmend mit sich selbst zu kämpfen, zuletzt kamen Wechselgerüchte auf. Nachdem Boyata also noch die gesamte Vorbereitung mitgemacht hatte, steht sein Verbleib in Berlin nun mehr denn je auf der Kippe. Es droht der nächste Führungsspieler zu gehen. Es stellt sich die Frage, wie Sandro Schwarz und Fredi Bobic dieses Führungsvakuum angehen möchten. Insbesondere, wenn auch noch Maximilian Mittelstädt verkauft werden sollte. In der Innenverteidigung gibt es aktuell keinen, der auf diesem Niveau Boyatas Führungsrolle ausfüllen könnte.

Marc-Oliver Kempf: Kein Abwehrchef

Auch nicht Marc-Oliver Kempf. Der war in Köpenick zwar bemüht und gab sich nicht auf. Doch die Rolle Boyatas wird er Stand jetzt nicht ausfüllen können. Dafür hat auch er zu viel mit sich selbst und seinem riskanten Spiel zu tun. Immerhin konnte er sechsmal in teilweise höchster Not klären. 68 Mal war er am Ball. Doch viel zum Aufbauspiel konnte er nicht beitragen. Ganze elf Fehlpässe stehen in seiner Statistik, alles andere als sicher. Nur 45 Prozent, als neun von 20 Zweikämpfen konnte er für sich entscheiden. Beim ersten Gegentreffer war Siebatcheu zu schnell für ihn. Er konnte den Stürmer nicht mehr am Kopfball hindern. Ebenso war er beim 0:2 gegen den schnellen Becker zu langsam. Sein Klärungsversuch sah einigermaßen spektakulär aus, retten konnte er allerdings nichts mehr.

(Photo by ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images)

Wir wissen nicht, wie die Spieler im Training drauf sind und was sie dort zu bieten haben. Doch auch wenn Kempf wohl eine gute Reaktion auf seine schwache Leistung in Braunschweig zeigte, konnte er diese leider nicht im Derby bestätigen. Und irgendwo sollte auch dieser Punkt in der Bewertung zählen. Es steht noch viel Arbeit für das Trainerteam an. Eine echte Hierarchie in der Verteidigung scheint es nicht mehr zu geben. Möglicherweise müssen die Karten gänzlich neu gemischt werden.
Doch immerhin …

Filip Uremovic: Kleiner Lichtblick, aber noch überfordert

… einer konnte die Situation zumindest etwas für sich nutzen. Neuzugang Filip Uremovic zeigte sich engagiert, konnte mehrmals klären. Allein schon nach wenigen Sekunden, als er Rani Khediras Torschuss blockte. Insgesamt blockte er drei Bälle und klärte drei weitere. Vier Tacklings gelangen ihm und zweimal konnte er einen Unioner durch einfaches Ablaufen vom Ball trennen. Insgesamt war er 61 Mal im Ballbesitz und konnte 90 Prozent, also 43 von 48 Pässen bei seinen Mitspielern unterbringen. Offensiv versuchte er es zum Beispiel in der Nachspielzeit. Sein Kopfball war allerdings letztendlich zu ungefährlich.

(Photo by ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images)

Doch auch er musste bei den ersten beiden Gegentoren feststellen, dass es ihm deutlich an Tempo fehlt, um gegen schnelle Gegenspieler bestehen zu können. Im Gesamtgefüge war Filip Uremovic ein kleiner Lichtblick, der in brenzligen Situation allerdings noch schnell überfordert war. Die Kommunikation mit seinen Mitspielern ist noch nicht ausgereift. Trotzdem scheint er jemand zu sein, der den Konkurrenzkampf in der Innenverteidigung oder auch auf der Position des Rechtsverteidigers ankurbeln könnte. Gerade auf der rechten Außenposition scheint es nötig zu sein, denn …

Jonjoe Kenny: Maximal Überfordert

… ein weiterer Neuzugang, nämlich Jonjoe Kenny, tat sich im Derby sehr schwer und war des Öfteren maximal überfordert. Zwar konnte auch er ein paar Punkte für sich sammeln, wie fünf Aktionen, die er klären konnte. Insgesamt war Kenny 80 Mal am Ball und damit einer der aktivsten Herthaner, allerdings fabrizierte er dramatische 26 Ballverluste. Von ihm ging keine Sicherheit aus. Dank einiger Tacklings konnte er immerhin acht von 13 Zweikämpfen gewinnen. 37 seiner 55 Pässe kamen beim Mitspieler an, zu wenig für einen Spieler auf seiner Position. Auch Versuche die Offensive in Szene zu setzen schlugen häufig fehl. Nur einer von acht langen Bällen kam beim Mitspieler an. Immerhin konnte er in der 60. Minuten mit einer Flanke für Wilfried Kanga für etwas Torgefahr sorgen. Doch defensiv machte ihm insbesondere Unions Ryerson das Leben enorm schwer. Mehrmals kam er gegen den Norweger zu spät oder setzte zu einer schlechten Grätsche ins Lehre an.

(Photo by ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images)

Aktuell ist Jonjoe Kenny einer der größten Verlierer der unsicheren Verteidigung. Möglicherweise kann er zu einer festen Größe wachsen, dazu ist aber allgemeine Abwehrsicherheit gefordert. Zudem ist er nicht darum zu beneiden, Boateng und Lukebakio, die beide defensiv kaum Unterstützung liefern, als Zuarbeiter auf seiner Spielseite zu haben. Urgestein Peter Pekarik oder Filip Uremovic sitzen ihm im Nacken und könnten nach zwei sehr schwachen Spielen den Briten auf seiner Position ablösen.

Das Mittelfeld: Einfallslos, langsam und kein Bindeglied

Das Dreiergespann, bestehend aus Abräumer Ivan Sunjic und Kevin-Prince Boateng und Suat Serdar blieb gegen Union extrem blass. Noch vor wenigen Tagen wurde insbesondere Ivan Sunjic für sein Spiel in Braunschweig gelobt. Doch kaum trifft man auf einen Gegner, dessen Qualitäten etwas höher anzusetzen sind, steht man vor Problemen. Zumindest scheint es so.

hertha

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Die drei wurden zunehmen kaltgestellt. Kevin-Prince Boateng ist aus körperlichen Gründen kaum in der Lage, Extrawege zu gehen und als wirkliches Bindeglied zwischen Sturm und Abwehr zu wirken. Suat Serdar versucht es zu häufig mit Solo-Aktionen. Seine Dribblings gehen meistens ins Leere oder in die Beine von Gegenspielern. Durch ihre Limitierungen waren sie auch nicht in der Lage die Offensive in Szene zu setzen. Davie Selke und Myziane Maolida hingen komplett in der Luft, Dodi Lukebakio konnte erst nach den verschiedenen Wechseln aufspielen. Das Spiel der Hertha wirkt momentan ideenlos und sehr statisch. Um sich ein endgültiges Urteil dazu bilden zu können, ist es allerdings noch zu früh. Das Dreiergespann jetzt schon wieder auseinanderzureißen würde die nächste große Baustelle im Team eröffnen. Womöglich kann hier der wohl festzustehende Neuzugang Jean-Paul Boetius Abhilfe schaffen.

Dodi Lukebakio: Mr. Derby arbeitet zu wenig

Ein kleiner, netter Fakt gefällig? Dodi Lukebakio ist Mr. Derby. Der Belgier hat mittlerweile drei Tore in Berliner Derbys erzielt und ist damit der torgefährlichste Spieler dieser Duelle, Sheraldo Becker ist ihm dicht auf den Fersen. Immerhin eine nette Statistik, die sich Herthaner schönreden können.

hertha

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Insgesamt war das Spiel von Dodi Lukebakio in der ersten  Halbzeit nicht vorhanden. Ähnlich wie bei der gesamten Offensive und dem Mittelfeld der Hertha. Er und Kenny konnten sich in keiner Weise ergänzen, das Spiel miteinander bestand praktisch nicht. Erst in der zweiten Halbzeit, beim Stand von 0:3, als Sandro Schwarz mehr dynamische Power einwechselte, konnte auch er sein Spiel entfalten. Nur eines von sechs seiner gefürchteten Tempodribblings konnte er in irgendeiner Form positiv gestalten. Insgesamt war er an 33 Aktionen beteiligt, der Großteil davon in der Schlussphase. Er brachte 71 Prozent, also zehn von 14 Pässen beim Adressaten unter. Sein Tor zum Ehrentreffer in der 85. Minute war sehenswert und zeigte, dass er das Spiel der Hertha durchaus beleben kann, allerdings nur im Zusammenspiel mit ähnlichen Spielertypen, die ihn ebenfalls in Szene setzen können. Ansonsten ist Dodi Lukebakio keine große Hilfe in einem Spiel, in dem vor allem verteidigt werden muss. Diese Form von Einsatz ließ er im Vergleich zum Pokal-Spiel leider vermissen. Das leidige Thema der Konstanz …

Wilfried Kanga und Chidera Ejuke: Hoffnungsvolle Power für die nächsten Wochen

Chidera Ejuke bekam bereits gegen Braunschweig seine ersten Minuten, Wilfried Kanga nun im Derby. Die beiden zeigten, dass sie in der Lage sind, das Angriffsspiel anzukurbeln und vor allem mit ihrem Tempo für Gefahr zu sorgen. Beide halfen ab der 56. Minute mit. Durch den unglücklichen 0:3-Treffer war da das Spiel allerdings schon vor ihrer Einwechslung entschieden. Ejuke setzte zu mehreren Dribblings an. Vier von fünf konnte er erfolgreich beenden. Alle seine Pässe – fünfzehn Stück – kamen an. Vier von fünf Zweikämpfen gewann er. Alles Statistiken, die belegen, dass er ein höheres Niveau als der Durchschnitt im Team hat. Er besitzt mehr Tempo, mehr Kraft und Durchsetzungsvermögen und zeigte viel mehr Engagement als Myziane Maolida, den er ersetzte.

hertha

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Wilfried Kanga war bei seinem Debüt wesentlich besser im Spiel als Davie Selke. Er zeigte sich ballsicher, passsicher – alle seine sechs Pässe kamen an – und nach 60 Minuten konnte er mit einem Schuss aus der Luft nach Flanke von Kenny auch für erste Gefahr sorgen. Zu diesem Zeitpunkt war es die erste Chance der Hertha aus dem Spiel heraus. Beide haben gezeigt, dass sie definitiv Anwärter auf einen Startelf-Platz sind und dem Offensivspiel der Hertha viel mehr Unberechenbarkeit ermöglichen können.

Vermasselter Saisonstart, aber es ist bei weitem nichts verloren

Von einem Zweitligisten aus dem Pokal geworfen, am ersten Spieltag das Derby verloren. Schlechter kann eine Saison eigentlich nicht starten und wir wollen das hier auch überhaupt nicht schönreden. Aber das Pokal-Aus muss man verkraften können, damit muss jede Mannschaft rechnen. Die Derbyniederlage ist gerade für den Kopf und für die Laune ein Problem. Doch wie man an der Reaktion der Hertha-Fans gesehen hat, weiß man diese einzuordnen. Die Anforderungen in Berlin sind mittlerweile andere, als in den letzten drei Jahren.

hertha

(Photo by ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images)

Ein Abwärtsstrudel zu Beginn der Saison muss dringend unterbunden werden, wenn man nicht schon in einem ist. Sieht man diese Niederlage sportlich und vergleicht man sie mit einem Spiel gegen einen Gegner, der Union ebenbürtig gewesen wäre, also SC Freiburg, Borussia Mönchengladbach oder Mainz 05, wären Spiel und Ergebnis möglicherweise ähnlich gewesen. So muss vor allem der Kopf freigemacht werden um sich schnell von der Derby-Klatsche erholen zu können. In der Mannschaft hapert es an einfachsten und grundsätzlichen Dingen. Gegen Union fehlte die Kompromisslosigkeit in den Zweikämpfen. Fredi Bobic sagte im „Doppelpass“ bei Sport1, dass es Zeit brauchen würde, bis gewisse Dinge funktionieren. Zusätzlich betonte auch er, dass Dedryck Boyata sportlich aktuell keine Hilfe ist. Es kommen schwere Gegner auf die Hertha zu. Spiele, in denen es nicht leicht wird, zu bestehen. Aber man hat nichts zu verlieren und kann theoretisch befreit aufspielen. Die Mannschaft hat sich noch nicht gefunden, das Selbstverständnis fehlt bisher.

Es bedarf klarer Ansagen und Taten des Trainerteams, damit sich ein schlagkräftiges Team bilden kann. In nahezu allen Mannschaftsteilen gibt es Probleme, aber auch großes Potential diese zu beseitigen. Die Zeiten sind nicht einfach, aber die Saison ist lang und noch ist rein gar nichts verloren. Allgemein tut es Hertha-Spielern, Fans und dem Verein wohl besser, wenn man den Derbys und der Berliner Rivalität nicht mehr Bedeutung schenkt, als sie verdienen. Und schon gar nicht braucht man über jedes Stöckchen aus Köpenick springen, was hingehalten wird. Man muss sich auf sich selbst konzentrieren. Ausschließlich auf sich selbst.

(Titelbild: Martin Rose/Getty Images)

Herthaner im Fokus: Eine Ohrfeige zum richtigen Zeitpunkt

Herthaner im Fokus: Eine Ohrfeige zum richtigen Zeitpunkt

Beim dramatischen Pokal-Aus in Braunschweig hat es aus Hertha-Sicht viel Licht und Schatten gegeben. Wir analysieren die Partie und einzelne Leistungen.

Ein besonderer Fußballabend

Gekämpft, gebissen, unfassbare Leidenschaft gezeigt, dem Heimteam über 120 Minuten Paroli geboten, am Ende unglücklich verloren und trotzdem die Herzen etlicher Fußballfans in ganz Deutschland gewonnen. Dem findigen Fußballfan ist wohl schnell aufgefallen, dass es bei dieser Beschreibung wohl eher um die Deutsche Fußballnationalmannschaft der Frauen geht, die am Sonntag zur selben Zeit wie Hertha BSC spielte. Und dass es für mich vor den beiden Spielen nicht einfach war, eine Entscheidung zu treffen, welches Spiel ich denn wohl eher verfolgen möchte, sagt viel über das Nationalteam aus, was in den letzten Wochen für eine Begeisterung sorgen konnte, die viele Fußballfans für eine Nationalmannschaft seit Jahren nicht mehr aufbringen konnten. Glückwunsch auch von uns zum hochverdienten zweiten Platz bei der Europameisterschaft!

Letztendlich hab ich mich für beide Spiele parallel entschieden, dank der heutigen technischen Möglichkeiten stellt das ja bekanntlich keine Probleme dar. Während auf meinem Second-Stream die Frauen um den Titel kämpften, zeigten Hertha BSC und Eintracht Braunschweig in der ersten Runde des DFB-Pokals einen offenen Schlagabtausch und rüttelten die Fans nach der für alle Seiten hochverdienten und auch bitter nötigen Sommerpause ordentlich wach. In einem furiosen und torreichen Spiel konnte die Hertha zunächst eine 2:0-Führung nach einer der besten Halbzeiten in den letzten Jahren nicht über die Zeit bringen und sich auch nach einem großen Kampf in der Verlängerung nicht mehr belohnen. Spät kassierte die Schwarz-Elf das 4:4. Das Elfmeterschießen entschied letztendlich den glücklicheren Sieger.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Die Startelf von Hertha: Viel Neues, aber auch Altbewährtes

In Braunschweig kam es für einige Herthaner zum ersten Pflichtspieleinsatz für den Verein. Mit Sandro Schwarz stand zum Saisonstart auch ein neuer Trainer an der Seitenlinie. In einem 4-3-3 stellte er das Team auf. Im Tor stand Oliver Christensen, der seinen Stammplatz in der Vorbereitung gegen Rune Jarstein verteidigen konnte. Als Linksverteidiger startete der neue Kapitän Marvin Plattenhardt, das Innenverteidiger-Duo der Schlussphase der letzten Saison, Marc-Oliver Kempf und Ex-Kapitän Dedryck Boyata, wurde auch im ersten Saisonspiel mit dieser Aufgabe betraut. Auf der rechten Seite sollte der britische Neuzugang Jonjoe Kenny agieren.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Einen weiteren Neuzugang bekamen die Fans von Hertha BSC im defensiven Mittelfeld zu sehen. Der Kroate Ivan Sunjic, vor einigen Wochen aus Birmingham gekommen, sollte als Abräumer fungieren und seinen zentralen Partnern Suat Serdar und Kevin-Prince Boateng den Rücken freihalten. Auf den Flügeln sollten der in der Vorbereitung überzeugende Myziane Maolida auf links und der aus Wolfsburg zurückgekehrte Dodi Lukebakio auf rechts wirbeln und für Tempo sorgen. Im Sturmzentrum setzte Schwarz auf Davie Selke.

Wir schauen in unserer Analyse heute auf destabilisierende Spieler, die das auf keinen Fall sein sollten und die Einseitigkeit unseres Kapitäns. Aber auch auf Spieler, die Lust auf mehr machen und die Lösung eines schier endlosen Problems.

Marc-Oliver Kempf und Dedryck Boyata: Fehlende Abstimmung und Überforderung

Marc-Oliver Kempf und Dedryck Boyata waren zum Ende der letzten Saison unter Felix Magath gesetzt und wichtige Garanten im Kampf um den Klassenerhalt. In der Vorbereitung konnten sie ihre Startelfambitionen unterstreichen und den Kampf gegen die Konkurrenz für sich entscheiden. Dedryck Boyata musste allerdings das Amt des Kapitäns einbüßen. Wie er damit zukünftig umgehen wird, soll die Zeit zeigen. Gegen Braunschweig zeigte er aber immerhin, dass er versucht, viel mit seinen Mannschaftskollegen zu kommunizieren. Doch bei vier Gegentreffern gegen einen Zweitligisten muss ein kritischer Blick auf das Innenverteidiger-Duo geworfen werden.

Beide agierten über die kompletten 120 Minuten (plus Nachspielzeiten) und konnten – und  damit beginnen wir mit den positiven Punkten – zumindest aktiv am Ball Präsenz zeigen und sich anbieten. Kempf hatte 102 Aktionen, Boyata gar 112. Doch der im letzten Winter aus Stuttgart nach Berlin gewechselte Kempf, der immerhin noch neun Bälle klären konnte, gewann nur sieben seiner 15 Zweikämpfe. Und dabei war vor allem interessant und bitter welche Zweikämpfe er eben nicht gewann. Beim zwischenzeitlichen 2:3 durch Braunschweigs Immanuel Pherai in der Verlängerung lässt er sich auf haarsträubende Art und Weise von Lion Lauberbach abkochen, der für seinen offensiven Kollegen nur noch vorlegen musste. Bereits beim 2:2 in der 66. Minute sah Kempfs Stellungsspiel alles andere als glücklich aus. Die Vorlage von Marx verpasste er, wirklich angreifen tat er den Vorlagengeber ebenso wenig. Den unrühmlichen Tiefpunkt beim Elfmeterschießen will man ihm zunächst gar nicht vorwerfen, denn mit einem Fehlschuss muss jederzeit gerechnet werden. Er passte lediglich zum extrem gebrauchten Tag von Marc-Oliver Kempf, der ursprünglich gar nicht zum Elfmeter antreten wollte. Ein Spieler seiner Klasse und seines Standings muss allerdings einem gewissen Druck standhalten. Bleibt zu hoffen, dass seine verschiedenen Aussetzer einer schlechten Tagesform verschuldet waren.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Dedryck Boyatas wohl größtes Manko ist sein Tempodefizit. Zwar zeigte er nach bereits fünf Minuten seine Klasse, als er den bereits geschlagenen Oliver Christensen unterstützte und nach Pherais Schuss zur Ecke klären konnte, doch wie sein Partner Kempf war seine Rolle beim 2:2 und 2:3 mehr als unglücklich. In beiden Fällen stand er zu offensiv – praktisch schon im Mittelfeld – wurde überlaufen und konnte nicht mehr rechtzeitig eingreifen. Doch Boyata musste schon zuvor feststellen, dass sein Tag nicht gut enden würde, als er nach 63 Minuten für einen Elfmeter der Braunschweiger sorgte. Immanuel Pherai machte der gesamten Hertha-Defensive das Leben schwer und nahm das ausgestreckte Bein des Belgiers dankend an. Es war unnötig und seiner gewünschten Qualität nicht würdig. Boyatas Ausfälle wirkten schwer auf das Ergebnis des Spiels, doch auch er hatte seine guten und zu beachtenden Szenen. Sechsmal klärte er die Bälle und verteilte 95 Pässe, von denen immerhin 83 den Adressaten fanden. In der 60. Minute scheiterte er denkbar knapp nach feiner Vorarbeit von Marvin Plattenhardt an Braunschweigs Torhüter Jasmin Fejzic. Es wäre das 3:0 gewesen und damit wahrscheinlich die Vorentscheidung.

Es war das erste Spiel von Boyata seit zwei Jahren, welches er für Hertha nicht als Kapitän bestritt. In der Saisonvorbereitung wurde er diesbezüglich von Marvin Plattenhardt abgelöst. Ihm selbst scheint es nicht geschadet zu haben. Auch wenn er sportlich nicht zu überzeugen wusste, bemühte er sich durchgehend mit seinen Mitspielern zu kommunizieren und taktische Anweisungen zu geben. Das Standing im Team scheint er weiterhin zu haben.

hertha

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Oliver Christensen: Noch kein sicherer Rückhalt

Der Däne, der seit den Sommerabgängen von Alexander Schwolow und Marcel Lotka die Nummer eins im Tor der Hertha ist, spielte ein Spiel, welches noch nicht so einfach einzuordnen ist. Zunächst einmal war Oliver Christensen machtlos bei den Gegentoren, in diesem Fall trifft dem blonden Rückhalt keine Schuld. Doch Christensen strahlte nicht wie zuletzt in der Relegation seine Sicherheit und Coolness aus. Er wirkte oft fahrig, unsicher und musste sich das ein oder andere Mal auf sein Glück verlassen. Bereits nach fünf Minuten musste er sich bei Boyata bedanken, der aufmerksam genug war um das leere Tor zu verteidigen. In der 54. Minute half ihn der Pfosten als er bei Pherais Schuss erschreckend passiv wirkte. Der 23-Jährige tat sich mit den regnerischen Bedingungen schwer und wirkte alles andere als souverän.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Immerhin konnte er im Elfmeterschießen einen Elfmeter parieren. Etwas, was ihm in der regulären Spielzeit nicht gelingen sollte. Auch bei Oliver Christensen muss man mit Formschwankungen rechnen. Es wäre auch zu viel verlangt, durchgehend den unbekümmerten und vor Motivation strotzenden Christensen aus der Relegation spielen zu sehen, zumal es ihm die wackelige Viererkette auch nicht leicht machte.

Marvin Plattenhardt: Zu einseitig, aber erstmal gesetzt

Es war die erste richtige Prüfung als Kapitän. Marvin Plattenhardt, der dieses Amt seit wenigen Wochen inne hat, wurde gegen die Braunschweiger auf neue Faktoren getestet und gefordert. Er gewann während des Spiels keinen Zweikampf und musste 14 Ballverluste einstecken. Defensiv konnte der WM-2018-Teilnehmer also nicht viel aushelfen. Die Qualitäten des Marvin Plattenhardts sind der Fußballwelt hinlänglich bekannt. Sein linker Fuß gilt als einer der besten Deutschlands, regelmäßig konnte er das schon unter Beweis stellen.

Und auch gegen Braunschweig sollte ihm das in der 10. Minute gelingen. Seine feine Flanke wusste Davie Selke mit dem Kopf zu verwerten. Früh im Spiel hatte Hertha die Möglichkeit, die Weichen auf Sieg zu stellen. Immer wieder versuchte er sich an Flanken und Pässen. Starke 95 Prozent seiner Pässe, also 58 von 61 Versuchen, kamen bei den Mitspielern an. Doch auch Plattenhardt hat noch viel mit seiner Fitness zu tun, was vor allem bei seinem allgemeinen Tempodefizit nicht förderlich war. Der Linksverteidiger hatte viel mit sich selbst zu tun. Ein echter Kapitän ist er noch nicht, in dieser Rolle muss er noch hineinwachsen. Als Linksverteidiger ist er in vielen Situationen überfordert.

hertha

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Im Elfmeterschießen konnte er dem Druck nicht standhalten und scheiterte relativ kläglich am Braunschweiger Schlussmann. Doch auf dieser Position ist er als Kapitän erst einmal gesetzt. Allgemein bietet der Kader nur wenig Alternativen. Fredrik André Björkan konnte noch nicht überzeugen und der jahrelange Konkurrent und Hertha-Eigengewächs, Maximilian Mittelstädt, steht vor einem Abgang. Eine gewisse Zeit muss man den Verantwortlichen wohl zugestehen.

Myziane Maolida, Dodi Lukebakio, Chidera Ejuke: Hertha-Neuzugänge, die Spaß machen können

Die drei Flügelspieler sind für die Hertha alle auf ihre Art Neuzugänge. Chidera Ejuke, der erst vor kurzer Zeit aus Moskau nach Berlin gewechselt ist, konnte nach 72 Minuten Myziane Maolida ablösen und zunächst ansatzweise zeigen, warum Hertha BSC ihn für diese Saison verpflichtet hat. Er versuchte mit Tempo über die Außenpositionen für Torgefahr zu sorgen und bemühte sich, in der Offensive seinen Beitrag zu leisten. Dabei gelangen dem 24-Jährigen gleich mehrere gute Momente, die sein Talent allemal unterstreichen. Sein Auftritt machte Lust auf mehr.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Myziane Maolida durfte bis zur Einwechslung Ejukes wirbeln und für Torgefahr sorgen. Der Franzose, der bereits seit einem Jahr bei Hertha spielt und in seiner Debütsaison praktisch durchgehend enttäuschte, spielte gegen Braunschweig sein wohl bestes Spiel im Dress der Hertha. Und das lag nicht nur an seinem Tor, welches er in der 42. Minute nach Lukebakios Versuch per Abstauber erzielen konnte. Maolida wirkt seit Wochen wie ausgewechselt, zeigt ein größeres taktisches Verständnis und auch große Disziplin, diese umzusetzen. Insbesondere sein Zusammenspiel mit Dodi Lukebakio sorgte für große Gefahr in der Offensive. Neben seinem Tor konnte er sich Chancen erarbeiten, die durchaus das Potential hatten, ebenso für Tore zu sorgen. Die wohl größte in der 37. Minute, als er eine flache Hereingabe von Lukebakio wuchtig per Flachschuss aufs Tor beförderte. Braunschweigs Fejzic konnte die Situation aber vereiteln. Maolida setzte zu fünf Dribblings an, spielte 37 Pässe, von denen 31 ankamen. Der 23-Jährige hat die große Chance in dieser Saison sein schwaches erstes Jahr gutzumachen. Dazu braucht es große Disziplin und mentale Stärke. In einem System und Mitspielern, die ihm guttun, kann da einiges möglich sein und er wie ein Neuzugang wirken.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Dodi Lukebakio könnte einer dieser Mitspieler sein. Der Belgier, der nach einem enttäuschenden Jahr in Wolfsburg wieder zurück in Berlin ist, scheint vor Motivation zu strotzen. Gemeinsam mit Maolida konnte er eine Position bespielen, die bei der Hertha fast schon Jahre lang vakant war: die Flügelpositionen. Mit seiner Schnelligkeit stellte er die Gegner auf zahlreiche Proben. Selbst im Spiel ohne Ball zeigte sich Lukebakio verändert, ging in Zweikämpfe, half in der 52. Minute sogar beherzt in der Defensive aus. Insgesamt gewann der Stürmer elf seiner 16 Zweikämpfe. Für einen Offensivspieler eine beachtliche Statistik. 92 Prozent, also 32 von 36 Pässen kamen an. Auch eine Statistik, die für einen Offensivspieler eher selten ist. Immer wieder setzte Lukebakio zu Sprints und Dribblings an. Sechs seiner acht Dribblings gestaltete er dabei sogar erfolgreich. Seiner möglicherweise auch unfreiwilligen Vorlage auf Maolidas Tor, setzt er in der Verlängerung, in der 106. Minute, seinen Höhepunkt auf, als er sich auf der rechten Seite durchtankte und den Ball per sehenswerten Lupfer im Tor unterbrachte. Doch auch ihm gelang nicht alles. In der 91. Minute wäre es seine Aufgabe gewesen den späteren Torschützen Pherai vom Ball zu trennen. Auch per Foul wäre es in dem Moment okay gewesen, die gelb-rote Karte wäre angesichts der verbliebenden Spielzeit zu verkraften gewesen. Lukebakio zeigte sich hochmotiviert, spritzig und kraftvoll. Auch er könnte ein Gewinner des Systems von Schwarz werden. Doch es bleibt abzuwarten, wie gut er diese Form bestätigen kann.

hertha

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Was sonst noch war

Gegen Braunschweig gab es einen offenen Schlagabtausch, einige weitere Spieler wussten zu überzeugen, wieder andere hatten Schwierigkeiten. Herthas neuer Rechtsverteidiger Jonjoe Kenny reihte sich nahtlos in die überforderte Verteidigung ein, war insbesondere beim 2:2 viel zu passiv und verlor ganze 16 Mal den Ball. Defensiv war er keine große Hilfe. Er wird auf einen stabilen Abwehrverbund angewiesen sein.

Lucas Tousart erzielte eines der Tore, die wir verstärkt von der Mannschaft sehen wollen. Auch mal einen Schuss aus der zweiten Reihe wagen. Allgemein wirkt er weiterhin wie ein Antreiber, der ein Spiel an sich reißen möchte. Weniger mit Kreativität, vor allem mit Kampf und Leidenschaft. Er hat das Potential, Führungsspieler zu werden, Verantwortung im Elfmeterschießen anzunehmen, wäre der nächste große Schritt gewesen.

hertha

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Ivan Sunjic wirkte in seinem ersten Spiel wie ein echter Stabilisator, der nicht nur seinen Mitspielern den Rücken freihielt, sondern zusätzlich viele Bälle forderte, intelligente Spielzüge einleitete und allgemein recht gut im Team angekommen zu sein scheint. Wie gut er diese Leistung bei den kommenden und schwereren Gegnern bestätigen kann, wird sich zeigen.

Stevan Jovetic macht Spaß. Gegen Braunschweig zeigte er wieder einmal seine Klasse am Ball und seine Spielintelligenz. Wenn er fit ist kann er dem Spiel der Hertha extrem guttun. Schön anzusehen war dabei seine Vorlage zum 4:3 auf Dodi Lukebakio.

Trotz ähnlicher Vorzeichen: Das war nicht „Typisch Hertha“

Nach drei Jahren Achterbahnfahrt sind die Nerven der Fans vollkommen verständlich maximal strapaziert. Doch man muss dem Team Zeit geben, sich zu finden und die Automatismen einzustudieren. Diese Niederlage ist nicht „Typisch Hertha“. Das Spiel verlief unglücklich, offenbarte eiskalt die Schwächen, die diese unfertige Mannschaft noch hat, doch ließ insbesondere in der Offensive aufblitzen, was möglich sein könnte. Mit Wilfried Kanga kommt nun ein Neuzugang für den Sturm dazu. Möglicherweise ein weiteres Puzzleteil, welches für die nötige Stabilität sorgen kann. Die vielen Einzelteile müssen greifen, Marvin Plattenhardt in seine Rolle wachsen. Marco Richter wird bald zurück im Training sein und kann eine wichtige Option für die Offensive werden.

Eine Ausscheiden aus dem Pokal in der 1. Runde ist ärgerlich, schade und ein deutlicher Stimmungskiller, doch man sollte es abhaken, analysieren, draus lernen und sich nun mit voller Konzentration der Bundesliga widmen. Die spielen zu dürfen, sollte nach dem Relegationsdrama Motivation genug sein. Die Ohrfeige von Eintracht Braunschweig kommt wahrscheinlich zum besten Zeitpunkt. Die Sinne sind geschärft, die Karten neu gemischt und die Bundesliga beginnt mit dem Kracher in Köpenick. Lasst uns mit Freude und dem Glauben an einen Sieg in dieses Spiel gehen. Auch Union konnte sich beim Pokalspiel in Chemnitz nicht mit Ruhm bekleckern und scheint noch einige Baustellen zu haben. Freuen wir uns auf das erste der zwei wichtigsten Spiele der Saison.

(Titelbild: Martin Rose/Getty Images)

Herthaner im Fokus: Herthas Abstieg nimmt Formen an

Herthaner im Fokus: Herthas Abstieg nimmt Formen an

Nachdem Hertha BSC in den letzten Wochen drei Matchbälle im Kampf um den Klassenerhalt verspielt hatte, steht man nun genau da, wo man niemals hinwollte, am Abgrund. Es fehlt nicht mehr viel. Gegen den Hamburger SV zeigten 76.000 Fans im ausverkauften Olympiastadion, was ihnen der Fußball, die beiden Vereine und die Bundesligazugehörigkeit bedeuten. Doch lediglich die vielen Zuschauer*Innen zeigten sich an diesem Abend erstligatauglich. Auf dem Rasen präsentierten sich zwei klassische Zweitliga-Mannschaften.

hertha

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Magath experimentiert mit Personal und System

Dass mit Santiago Ascacibar ein wichtiger Baustein der Achse, die sich bei Hertha im Schlussspurt der Saison gebildet hatte, gelbgesperrt fehlen würde und ersetzt werden müsse, war im Vorfeld klar. Doch Anstatt ihn 1:1 zu ersetzen, was in Anbetracht des restlichen Kaders möglich gewesen wäre, baute Felix Magath auch das System um. In einem 4-2-2-2-System, also in der Tayfun-Korkut-Gedächtnis-Formation, stellte er die Mannschaft auf.

hertha

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Der mit einer Gehirnerschütterung und einem Nasenbeinbruch ausfallende Torhüter Marcel Lotka wurde durch Oliver Christensen ersetzt. Er war damit der dritte Torhüter, den die Berliner in dieser Saison aus Verletzungsgründen einsetzen mussten. Im Vergleich zum Spiel in Dortmund blieb gegen den HSV die verteidigende Viererkette unberührt. Marvin Plattenhardt, Marc Oliver Kempf. Dedryck Boyata und Peter Pekarik sollten wie üblich den Ball vom Tor fernhalten. Im zentralen Mittelfeld ersetzte Niklas Stark nach einigen Erkältungstagen den gesperrten Santi Ascacibar. Daneben Lucas Tousart, der im Vergleich der kreativere Spieler ist. Davor sollten auf den Außen Maximilian Mittelstädt und Suat Serdar agieren. Im Sturm setzte Magath auf eine Doppelspitze um Ishak Belfodil und Jungspund Luca Wollschläger. Davie Selke fiel weiterhin mit muskulären Problemen aus.

Wir schauen in unserer heutigen Analyse auf die schwache Innenverteidigung, den ebenso schwachen Sturm, den dritten Torhüter der Saison, die Kämpfer in dieser schweren Situation, einen Streit von Alphatieren, der letztendlich genickbrechend ist und was noch ein letzten Fünkchen Hoffnung bietet.

Marc Oliver Kempf und Dedryck Boyata: Die gute Form ist weg

Das Innenverteidiger-Duo zeigte gegen den Hamburger SV aus welchem Grund auch immer eine Leistung, die an alte Korkut-Zeiten erinnerte. Beide waren stark überfordert mit den eigentlich ebenso zahnlosen Angriffen der Hanseaten.

Marc Oliver Kempf rutschte häufig in seine gefährlichen Aktionen ab, die ihn in der Vergangenheit schon negativ ausgezeichnet haben. Er hatte die meiste Zeit über deutliche Schwierigkeiten bei seinen Aktionen. Auch wenn er zwei Bälle klären und zwei weitere abfangen konnte, lieferte er kaum entlastende Momente. Dass er 44 Mal am Ball war und 34 seiner 38 Pässe beim richtigen Mann unter kamen, hat leider nichts mit Aktionen zu tun, die ein sehenswertes Angriffsspiel einleiten würden. Vielmehr handelte es sich um ideenloses Hintenrumgespiele mit seinen verteidigenden Kollegen. Immerhin brachte er drei von fünf langen Bällen an den Mann. Nennenswert für Aufsehen konnte er aber auch damit nicht sorgen. Ein neuer Unsicherheitsfaktor, der sich zwischendurch stabilisiert hatte.

Auch der Hertha-Kapitän Dedryck Boyata zeigte wieder altbekannte Schwächen. Auch er ging oft ungestüm zu Werke, ließ Kommunikation vermissen, lief viel dem Gegner hinterher und hatte in der 49. Minute sogar noch Glück bei seinem unnötigen Foul gegen Miro Muheim. Wäre sein Fuß bei der Aktion ein wenig höher oder tiefer gewesen, hätte sogar ein Platzverweis gedroht. So war der Belgier mit der gelben Karte gut bedient. Im Angriffskuddelmuddel des HSV schaffte er es oft noch irgendwie seine Füße dazwischen zu kriegen und schlimmeres zu verhindern. Er klärte fünf Bälle, fing vier weitere ab. Allerdings gewann er lediglich einen von drei Zweikämpfen. Eine schwache Quote, die er aber auch nicht zu verbessern im Stande war, da er kein Interesse an diesen Aktionen hatte. Wie Kollege Kempf hatte er massig Ballaktionen. 50 waren es bei ihm, 36 Pässe spielte er. 28 fanden den Mitspieler, auch hier wieder eher die Nebenmänner in der Verteidigung. Es war eine schwache Leistung eines untergehenden Kapitäns.

hertha

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Ishak Belfodil: Allein auf weiter Flur

Bayerns Trainer Julian Nagelsmann sagte vor einigen Monaten, Ishak Belfodil sei einer der unterschätztesten Stürmer der Bundesliga. Unter ihm hatte der Algerier einst ein prächtiges Jahr in Hoffenheim gespielt. Und auch bei Hertha zeigte er in dieser Saison oft seine Klasse. Immerhin kam er auf fünf Bundesliga-Treffer. Bei Herthas spielerisch nicht vorhandener Offensive ist das tatsächlich eine beachtliche Ausbeute. Ihn zeichnen Technik und Wille aus und beides zeigte er auch in diesem Spiel. Technisch war er der beste Herthaner, kämpfte um die Bälle, wusste sie zu behandeln und zu verwerten. Doch er war dabei allein auf weiter Flur. Das übliche Problem, dass er sich die Bälle aus der Tiefe oder von den Außen holen musste, bestand weiterhin und konnte unter der gesamten Saison nur sehr selten abgestellt werden. Die 44. Minute hätte sein goldener Moment werden können, als er Plattenhardts Flanke mit einem feinen Kopfball ins rechte Eck verwandelte. Leider stand er hauchzart im Abseits. In seinen 80 Minuten war er engagiert und motiviert, letztendlich aber glücklos.

hertha

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Sehenswert war seine Aktion in der 61. Minute, als er sich ein Herz nahm und die Verteidiger Vuskovic und Schonlau auf der rechten Seite stehen ließ und mit Haken sich in den Strafraum dribbelte. Doch wie viele andere Spieler an dem Abend hatte auch er Probleme mit dem nassen Rasen und rutschte weg, was die Situation zusätzlich erschwerte. Trotzdem zwang er mit einem Schuss aufs rechte Eck Torhüter Heuer Fernandes zu einer Parade. Insgesamt gewann er allerdings auch nur zwei seiner sieben Dribblings. Doch die Mannschaft suchte ihn, 43 Aktionen hatte er. 16 Bälle verteilte er, zwölf kamen an. Seine 75 Prozent Passquote zeigen seine technischen Fähigkeiten und die hohe Konzentration, mit der er zu Werke ging. Doch auch er verlor 19 Mal den Ball und wurde mit zunehmender Spieldauer deutlich müder. Im Endeffekt sollten ihm und Stevan Jovetic im Rückspiel alle Freiheiten gelassen werden, um offensiv etwas zu Stande zu bringen.

Oliver Christensen: Einer für die Hertha-Zukunft

Oliver Christensen hatte gegen den HSV seinen ersten Profi-Einsatz für Hertha BSC. Viele Verletzungen und ein sich festgespielter Marcel Lotka hatten diesen Einsatz bisher verhindert. Und dafür, dass sein erster Einsatz in so einer Drucksituation stattfand, machte er seine Sache gut. Die Hamburger zwangen ihn zwar auch nur selten zu Paraden, doch das, was er auf sein Tor bekam, wurde von ihm verwertet. Dass ein Spieler, der noch nie auf diesem Niveau gespielt hatte, weiche Knie oder Anlaufschwierigkeiten haben würde, war klar. Doch auch die wusste er zu unterbinden.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images)

Die Rot-Hosen liefen den Dänen immer wieder extrem an, er schaffte es die Situationen allesamt zu lösen. Er konnte 14 von 34 Pässen an den Mann bringen. 41 Prozent sind nicht viel, aber eine akzeptable Quote für einen Torhüter, der ständig unter Druck gesetzt wird. Zusätzlich wurde er zu zwei Paraden gezwungen, auch war sein Stellungsspiel einwandfrei. Bei weiteren Spielen bekommt auch Christensen die nötige Routine um dauerhaft auf einem Bundesliga- oder Zweitliganiveau mithalten zu können. Also egal in welche Richtung sich die Personalie Marcel Lotka entwickelt, auf der Torhüter-Position scheint die Hertha aktuell keine allzu großen Baustellen zu haben.

Lucas Tousart und Peter Pekarik: Immerhin mit Kampf und Leidenschaft

Sie sind sicherlich nicht die größten Zauberer am Ball, aber sie sind Kämpfer. Sie stellen sich gegen alles, was ihnen in den Weg kommt, ignorieren den entstehenden Schmerz und teilen auch selbst sehr gerne aus.

Lucas Tousart ackerte und mühte sich ab, ging in enorm viele Zweikämpfe. 13 seiner 20 Duelle gewann er. Er war praktisch überall zu sehen und wirkte, als würde er den Part seines sonstiges Partners Ascacibar einfach mitmachen. Am Ball war er über 50 Mal. 78 Prozent angekommener Pässe – 21 von 27 – sind ebenfalls eine sehenswerte Quote. Er ging zusätzlich in fünf Tacklings und lief über 11,7 km. Drei von drei Dribblings beendete er erfolgreich. Doch das sind zwar alles schöne Zahlen und die Leistung Tousarts darf man auch durchaus loben, doch was nützt es wenn auch er letztendlich keinen Funken Offensivpower ausstrahlt? Trotzdem einer der besten Herthaner auf dem Feld. Beim Treffer konnte er Ludovit Reis nicht mehr an der abrutschenden Flanke hindern. Ihm da aber eine wirkliche Mitschuld zu unterstellen, wäre hart.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images)

Dauerbrenner Peter Pekarik ackerte ebenfalls über die volle Distanz. Mit 65 Aktionen war er einer der aktivsten Herthaner, gewann fünf seiner sieben Zweikämpfe. Und spielte 23 von 31 erfolgreichen Pässe. Viermal versuchte er es mit langen Bällen. Zwei kamen immerhin an. Außerdem fing er vier Bälle ab, doch auch 13 Ballverluste musste der nimmermüde Pekarik hinnehmen. In der 57. Minute konnte er den Pass auf der Außenbahn von Vorlagengeber Mulheim auf den Torschützen Ludovit Reis nicht verhindern. Zusätzlich hatte er großes Glück, dass bereits vor seinem Handspiel in der 32. Minute, welches einen Elfmeter zu Folge gehabt hätte, bereits der Hamburger Maximilian Rohr mit der Hand am Ball war.

Kevin Prince Boateng und Felix Magath: Kriegt euch (für Hertha) ein!

Während die Mannschaft mit jedem Spiel dem Abstieg näher entgegentaumelt, scheint nun wieder einmal ein Nebenschauplatz im Verein eröffnet zu sein. Die Kabinenfehde zwischen Kevin Prince Boateng und Felix Magath könnte durchaus schlimmeres angerichtet haben, als zunächst angenommen.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Und sie passt ins Bild. Felix Magath ist kein wirklicher Teil dieses Hertha-Teams, er wirkt nahezu so, als wäre ihm das Ergebnis seiner Arbeit gar nicht mal so wichtig. Mittlerweile hält er sich an Minihoffnungen und einfachen Glücksmomenten fest. Ihm fehlen sämtliche Argumente, die er in fehlenden Spielern, wie Santiago Ascacibar sucht. Seine Experimente mit jungen Spielern mögen gut gemeint sein, helfen im Abstiegskampf allerdings nicht weiter. Luca Wollschlägers Einsatz war ähnlich fragwürdig wie Julian Eitschbergers im Derby gegen Union Berlin. Seine Wechsel gegen Hamburg verpufften entweder relativ wirkungslos (Stevan Jovetic, Marco Richter, Myziane Maolida) oder sorgten in Form von Linus Gechter zunächst für extreme Unsicherheit in der Defensive. Möglicherweise wäre Vladimir Darida die sichere Wahl gewesen.

Boateng dagegen, der zumindest in der ersten Halbzeit noch motivierte und gestikulierte, saß spätestens ab der zweiten Hälfte gefrustet auf der Bank ohne jene Coaching-Elemente zu verkörpern, die ihn in dieser Saison ausgezeichnet haben. Will man die Hypothek aus dem Hinspiel in Hamburg noch umbiegen, braucht man ein intaktes Team und keine Alphatierschlacht. Aktuell scheinen individuelle Interessen aber größer zu sein.

Santiago Ascacibar und Davie Selke: Das letzte Fünkchen Hoffnung

Wenn die Hoffnungen von Hertha wirklich auf Santiago Ascacibar und Davie Selke liegen, brennt es wirklich. Ascacibar wird im Rückspiel ziemlich sicher seine Position im defensiven Mittelfeld zurückbekommen. Davie Selke wird ebenfalls große Chancen auf ein paar Minuten haben, sofern er fit ist. Beide stehen für Kampf und Leidenschaft. Beide motivieren, betreiben Psychotricks ob mental oder körperlich und beide können genauso individuelle Momente kreieren.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Aber das alles ist ein viel zu großes Fragezeichen. Aktuell bietet wenig Hoffnung, wenn die beiden in der Lage sein sollten, das Spiel der Mannschaft an sich zu reißen oder mit ihren Stärken den HSV vor ernsthafte Probleme zu stellen, gleicht das möglicherweise einem Wunder. Die Hoffnung bleibt trotzdem.

Der Abstieg naht – doch die Hoffnung bleibt bis zur aller letzten Sekunde

Diese Mannschaft kann es nicht. Sie ist weder spielerisch, körperlich noch psychisch dazu in der Lage ein großes Spiel in ihre Richtung zu lenken. Das hat sie in dieser Saison in drei Derbys, in drei Matchball-Spielen und gegen den HSV eindrucksvoll bewiesen. Ein vollkommen schief zusammengestellter Kader konnte von keinem Trainer in dieser Saison so aufgestellt werden, dass er ernsthaft wettbewerbsfähig ist. Unter Pal Dardai noch am ehesten, doch der ist bekanntlich seit einigen Monaten raus. Der Abstieg in die Zweitklassigkeit steht bevor, da braucht man sich nichts vormachen.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images)

Doch am Montag sitzen wir wieder alle zusammen vor den TV-Geräten, lieben und hassen diesen Verein, verzweifeln oder jubeln oder stehen in Hamburg im Block und feuern die Mannschaft an. So lange auch nur der kleinste Funken Hoffnung besteht, müssen die Fans und die Mannschaft dran glauben und gemeinsam für den Klassenerhalt arbeiten.

[Titelbild: TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images]

Herthaner im Fokus: Hertha verspielt den dritten Matchball und muss in die Relegation

Herthaner im Fokus: Hertha verspielt den dritten Matchball und muss in die Relegation

Hertha BSC muss zehn Jahre nach dem legendären Abstiegsdrama in der Relegation gegen Fortuna Düsseldorf wieder nachsitzen. Und das gegen den Hamburger SV. Mehr Drama, mehr Spannung und mehr Traditionen gehen eigentlich kaum. Gegen Borussia Dortmund musste die Mannschaft von Felix Magath eine 1:2-Niederlage hinnehmen und vergab damit den dritten und letzten Matchball im Kampf um den direkten Klassenerhalt. Während die Stuttgarter im Fernduell gegen den 1. FC Köln wiederum mit 2:1 siegten, sich für eine starke Aufholjagd in den letzten Spielen belohnten und den Klassenerhalt perfekt machten, half eine einmal mehr engagierte, letztendlich aber einfach zu schwache Vorstellung im Signal-Iduna-Park nicht mehr, um die rettenden Punkte bzw. den einen einzigen Punkt zu sammeln.

Vier Änderungen in der Hertha-Startelf

In Dortmund stellte Felix Magath die Mannschaft im üblichen 4-2-3-1-System auf. Allerdings änderte er sein Team auf vier Positionen, möglicherweise allein wegen der Belastungssteuerung, warten doch nun noch zwei weitere Partien am Donnerstag und den folgenden Montag, die möglicherweise beispielsweise für Kevin-Prince Boateng noch einmal kräftezehrende Spiele werden könnten. Eben jener Boateng saß, nachdem er in den letzten Wochen stets in der Startelf zu finden war, lange Zeit in Dortmund nur auf der Bank. Er wurde von Jurgen Ekkelenkamp ersetzt, der zuletzt kaum zum Einsatz kam.

hertha
(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Außerdem kam es zu drei weiteren Änderungen in der Startelf. Auf der Linksverteidiger-Position kam der wiedergenesene Marvin Plattenhardt zum Einsatz. Der von der TSG Hoffenheim umworbene Marton Dardai, der ihn gegen Mainz noch positionsfremd vertreten hatte, war gegen den BVB auf Grund muskulärer Probleme nicht einmal im Kader. Der Rest der Verteidigung bestand aus der mittlerweile sich als Stammabwehr etablierten Truppe um Marcel Lotka im Tor, Kapitän Dedryck Boyata und Marc Oliver Kempf in der Innenverteidigung und Peter Pekarik als Rechtsverteidiger. Lucas Tousart und Santi Ascacibar wieder davor als Doppelsechs.

In der Offensive verzichtete Magath neben Boateng auch auf Vladimir Darida, der durch Maximilian Mittelstädt ersetzt wurde. Marco Richter saß nach seinem erkältungsbedingten Fehlen zunächst auf der Bank. Mittelstädt sollte sich um die linke Seite kümmern, während Suat Serdar wieder auf die rechte Seite ging. Für den Sturm wurde Davie Selke nicht mehr rechtzeitig fit. Ishak Belfodil vertrat ihn.

In unserer heutigen Analyse schauen wir auf Führungsfiguren, das Potential, welches auf der Bank schlummerte, eine unnötige gelbe Karte und was mit einer stabilen Abwehr in der Relegation möglich ist.

Ishak Belfodil: Er hätte mehr Vertrauen verdient gehabt

Dass gegen den BVB kein Offensivfeuer abgefackelt werden würde, war im Vorfeld natürlich jedem klar. Auch, dass es nicht zu dem atemberaubenden Schlagabtausch kommen würde, den die Mannschaften im Hinspiel geboten haben. Ishak Belfodil gelang es trotzdem eine gewisse Präsenz zu zeigen und stets Gefahr auszustrahlen. Dass er wie so oft in dieser Saison den Ball aber eher defensiv bekam oder zu weit auf den Außen, ist leider sein Schicksal, was der allgemeinen schwachen Offensive der Hertha geschuldet ist.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Gegen den BVB hatte der Algerier seinen goldenen Moment in der 18. Minute. Die Einladung des ausgestreckten Fußes von Dan-Axel Zagadou nahm er dankend an. Nach der Sichtung der Videobilder wurde zurecht auf Elfmeter entschieden. Ishak Belfodil verwandelte sicher per Flachschuss in die linke Ecke. Insgesamt hatte er wieder 33 Aktionen, verteilte viele Bälle. 18 seiner 24 Pässe kamen bei seinen Mitspielern unter. Für einen Offensivspieler sind 75 Prozent eine starke Quote. Sein Zweikampfverhalten ließ mit 25 Prozent siegreicher Aktionen allerdings stark zu wünschen übrig. Immerhin lief er über 10,21 km und war – gegenteilig dazu was man von ihm erwarten würde – extrem kommunikativ, motivierte seine Mitspieler, forderte Konzentration und wirkte zum Teil wie ein Spieler, der einen gewissen Stil eines Führungsspielers verkörperte.

Auch wenn ein fitter Davie Selke in den letzten Wochen für viel Gefahr sorgen konnte, hat Belfodil einmal mehr gezeigt, dass er ein Spieler ist, der in diesem Kader viel öfter einen Startelf-Einsatz verdient gehabt hätte. Am Ende hilft es nicht sich an vergebenen Chancen gegen Bielefeld und Mainz festzubeißen, aber wer weiß, was ein Ishak Belfodil, dem man mehr Vertrauen geschenkt hätte, hätte ausrichten können.

Maximilian Mittelstädt: Viel Einsatz, wenig Ertrag

Es tat gut, einen fitten und motivierten Maximilian Mittelstädt mal wieder von Anfang an spielen zu sehen. Er wurde zwar nach 65 Minuten für Fredrik-André Björkan ausgewechselt, doch er bemühte sich über die gesamte Zeit der Partie seinen Stempel aufzudrücken. Dortmunds Emre Can machte ihm als direkter Gegenspieler allerdings auch das Leben schwer. Immer wieder kam es zu Zweikämpfen, aber immerhin ging – Vorsicht Floskel – Mittelstädt immer dahin, wo es wehtut.

hertha
(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Insgesamt hatte der Ex-Juniorenspieler 35 Aktionen, konnte zwölf seiner 18 Pässe positiv gestalten und gewann zusätzlich 67 Prozent seiner Zweikämpfe. Maximilian Mittelstädt wurde in seiner Karriere meistens als Linksverteidiger eingesetzt, immer wieder waren die Kritikpunkte, dass er defensiv zu viele Defizite habe, die verhindern würden, ihn als einen guten Verteidiger zu bezeichnen. Als Schienenspieler war und ist Mittelstädt immer eine Alternative, doch an beiden Enden fehlt leider eine Menge. Denn auch offensiv hat er Defizite, beispielsweise eine zu geringe Durchsetzungskraft und zu wenig Torgefahr.

Doch im Zusammenspiel mit der restlichen Offensive kann er durchaus noch zu einer interessanten und wichtigen Konstante werden. Und sei es nur als Einwechselspieler, wie gegen Stuttgart, wenn er als einer der wenigen fitten Spieler auf dem Platz noch mit einer Torvorlage glänzen kann.

Santiago Ascacibar: Dämliche gelbe Karte

Santiago Ascacibar war in dieser Saison extrem wichtig für die Hertha, ein Lautsprecher auf dem Feld, immer mit großem Einsatz und jemand, der für Kampf und Leidenschaft stand. Dass er ein Hitzkopf ist und auch gerne mal etwas härter auspackt, weiß man. Oftmals spielt er an der Grenze der Legalität und doch war es auch sein Verdienst, dass Dortmund fast die gesamte erste Halbzeit keine Chancen kreieren konnte.

Auch als Ballverteiler schafft es der Argentinier sich in seinen 88 Minuten Spielzeit in Szene zu setzen. 65 Prozent seiner 18 Pässe fanden die Mitspieler, leider gewann er nur zwei seiner sieben Zweikämpfe, zog zwei Fouls und war unglücklicher Part des Handspiels von Marvin Plattenhardt, welches zum Elfmeter für Borussia Dortmund in der 68. Minute führte, als der Ball von seinem angelegten Arm an den ausgestreckten Arm seines Mitspielers prallte. Ansonsten zog Ascacibar zwei Fouls, grätschte, tackelte und klärte zweimal den Ball in der Defensive.

(Photo by UWE KRAFT/AFP via Getty Images)

Unrühmlicher Höhepunkt war seine unnötige gelbe Karte vor dem Elfmeter der Dortmunder, als er Schiedsrichter Tobias Stieler zum wiederholten Male zu sehr auf die Pelle rückte, um die VAR-Bilder sehen zu können. Eine dämliche Aktion, die der Schiedsrichter mit der gelben Karte bestrafte. Die fünfte gelbe Karte der Saison, weshalb Ascacibar äußerst unnötig im Hinspiel gegen den HSV fehlen wird.  

Kevin Prince Boateng und Stevan Jovetic: Die individuelle Klasse wird für Hertha wichtig sein

Kevin-Prince Boateng und Stevan Jovetic sind Spieler, die eine Mannschaft auf ein anderes Niveau heben können und dem Spiel eine gehörige Portion Struktur und Torgefahr einimpfen können. Doch dafür müssen sie auch fit sein und ihre Leistung länger als nur über ein paar Minuten abrufen können. Beide kamen erst nach 88 Minuten ins Spiel.

Boateng wurde, nachdem er in den letzten Wochen Lenker und Denker im Mittelfeld war, aber gegen Mainz auch leistungstechnisch abtauchte, mit der Bank bedacht. Einerseits wirkte er nach den vielen Einsätzen in letzter Zeit müde und überspielt, andererseits könnte Magath bereits die Relegation im Hinterkopf gehabt haben und wollte ihn dafür ein wenig schonen. Selbst wenn er nur clevere Fouls zieht, denn mehr konnte Boateng gegen Dortmund letztendlich auch nicht ausrichten, hat er einen gewissen Einfluss auf die Mannschaft. Die Hoffnung ist groß, dass er gegen den HSV, einen Gegner, der etwa auf Augenhöhe mit Hertha BSC ist, wieder die kreativen und denkenden Zügel in der Hand hat.

(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Im Gegensatz zu Boateng erspielte sich Stevan Jovetic sogar noch eine Torchance. Sein Torschuss aus halblinker Position ans Außennetz in der zweiten Minute der Nachspielzeit sorgte zwar für ein Aufhorchen, konnte im Endeffekt aber nichts mehr am Spielende ändern. Stevan Jovetic ist mit sechs Treffern Herthas bester Torschütze in dieser Bundesliga-Saison. Es wären mehr möglich gewesen, doch der Montenegriner hatte viel zu viel mit seinem Körper zu tun. Wenn er gegen den HSV fit sein sollte und mehr als eine halbe Stunde Spielzeit bekommen würde, kann er zu einer enormen Waffe werden. Doch auch die psychische Komponente könnte bei ihm spannend werden. Leider hat man im Laufe der Saison zu oft sehen müssen, wie schnell er in Frustration abrutscht, wenn seine Offensivaktionen nicht fruchten.

Dedryck Boyata und Marc Oliver Kempf: Kommunikativ und guter Abwehrverbund

Die Innenverteidigung hat sich mittlerweile gefunden. Die wohl allergrößte Baustelle unter vielen Baustellen dieser Saison konnte also spät zumindest provisorisch geschlossen werden. Beide agierten wieder über 90 Minuten in Dortmund und waren bei Leibe nicht für die Niederlage verantwortlich.

Dedryck Boyata klärte zehn Bälle aus dem Strafraum und machte es den Dortmundern wahnsinnig schwer Chancen zu kreieren. Es war spannend zu sehen, wie der BVB sich praktisch in Handball-Manier um den Strafraum herumspielen müsste, aber keine Lücke fand, weil die Abwehr um Boyata hervorragend im Verbund mauerte. Der Belgier spielte eines seiner besseren Spiele für die Hertha. Er gewann all seine Zweikämpfe, brachte 16 seiner 19 Bälle bei seinen Mitspielern unter, auch wenn das natürlich viele Sicherheitsbälle waren, da das Offensivspiel der Hertha zugegebenermaßen jetzt nicht gerade glühte.

Zwei Tacklings, einen weiteren Schuss geblockt und vor allem Erling Haaland das Leben in seinem letzten Spiel für Borussia Dortmund das Leben schwer gemacht. Kein schlechter Auftritt vom Kapitän, der auch kommunikativ dazugelernt zu haben scheint. Zumindest war er kommunikativer und motivierender als in den meisten seiner Spiele. Gut so, denn ein Kapitän, der dieses Amtes würdig ist, wird gegen den HSV in der Relegation dringend gebraucht.

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Marc Oliver Kempf war wie immer wach und agil, verzichtete aber – wie schon gegen Mainz – auf wilde Harakiri-Aktionen. Er spielte zwar gewohnt körperbetont, doch auch er wagte es nicht, dem disziplinierten Abwehrverbund mit einer unnötigen Aktion Schaden zuzufügen. Er spielte für seine Verhältnisse gar besonnen. In seinem Spiel kam er in acht Zweikämpfe. Immerhin gewann er fünf davon. Er konnte zusätzlich einen Schuss blocken und klärte drei Aktionen. Zusätzlich fing er zwei Bälle von den Dortmundern ab.

Auch im Aufbauspiel schaltete sicher der Innenverteidiger ein und brachte mit 75 Prozent gelungener Pässe eine gute Quote zustande. Insgesamt war er an 26 Aktionen beteiligt. Klarer Wehrmutstropfen war allerdings sein praktisch nicht vorhandenes Zweikampfverhalten in der 84. Minute, als er dem flinken und einschießenden Youssoufa Moukoko zu viel Platz ließ. Trotz allem ein sehr disziplinierter Auftritt von Kempf, an dem es gegen den HSV anzuknüpfen gilt.   

Marcel Lotka und Davie Selke: Verletzungen zur Unzeit

Davie Selke verletzte sich unter der Woche im Training. Zunächst hieß es, dass seine muskulären Probleme auskuriert seien und man mit ihm in Dortmund planen würde, kurz vor dem Spiel war allerdings klar, dass der Ex-Bremer nicht zur Verfügung stehen würde. Was das für die Relegation bedeutet, ist noch nicht klar. Möglicherweise wollte Magath auch hier auf Nummer sicher gehen und ihn für die wichtigen Spiele schonen. Ein fitter Davie Selke wäre in solchen emotionsgeladenen Spielen immens wichtig. Auch wenn Ishak Belfodil spielerisch der bessere Spieler ist, beweist Selke eine Arbeitsmoral, die ihres Gleichen sucht. Und bekanntlich besitzt auch er eine Gabe, nämlich das Spielen mit der Psyche der Gegner. Hoffen wir, dass er bis Donnerstag fit wird.

Marcel Lotka krachte in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit ziemlich fies im Flug mit dem Gesicht mit dem Pfosten zusammen. Nach einer Behandlungspause ging es weiter für den Torhüter. Nach dem Spiel wurde berichtet, dass sich der junge Keeper einen Nasenbeinbruch und eine Gehirnerschütterung zugezogen hatte. Eine Hiobsbotschaft zur Unzeit. Die erste Frage ist natürlich, warum er überhaupt weiterspielen durfte. Der Umgang mit Kopfverletzungen im Fußball ist bekanntlich extrem bedenklich, auch hier wäre Fingerspitzengefühl dringend notwendig gewesen. Auf der Bank machte sich bereits Ersatztorwart Oliver Christensen bereit.

(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

Nun stellt sich auch die Frage, ob Lotka am Donnerstag einsatzbereit ist. Wie schwer sind die Verletzungen, wie hoch ist das Risiko einen Torhüter mit gebrochener Nase und einer Maske im Gesicht spielen zu lassen? Er ist ein extrem wichtiger Mann für die Hertha. Motiviert, baut auf und kommandiert und hat eine Ausstrahlung, die man in der aktuellen Situation dringend benötigt. Es passt leider in das gesamte Bild der Hertha-Saison, dass solch eine Verletzung ausgerechnet jetzt die Pläne durchkreuzt.

Nachsitzen gegen den HSV – Noch hat Hertha es in der eigenen Hand

Nach 34 Spieltagen muss man klar konstatieren, dass die Hertha sich über das Jahr hinweg nicht als bundesligataugliche Mannschaft präsentiert hat. Nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz. Über die Gründe wird gesprochen und geschrieben werden. Auch wenn die Mannschaft mehrere Matchbälle hatte und extrem viele Momente durchlebt hatte, die für eine direkte Rettung gereicht hätten, steht die Mannschaft im Endeffekt verdient auf dem 16. Rang. Die zweitschlechteste Verteidigung, der drittschlechteste Sturm, ein Torverhältnis von 37:71, 19 Niederlagen und regelmäßige Offenbarungseide, sprechen eine deutliche Sprache und lassen keinen anderen Schluss zu.

Dass es am Ende noch zu so einem Abstiegsshowdown und Fernduell gegen den VfB Stuttgart – der wohlgemerkt ebenso wenig verdient die Klasse gehalten hat – kommen würde, ist einzig und allein der einzigen richtigen Entscheidung Fredi Bobics in dieser Saison zu verdanken. Die Einstellung von Felix Magath und Mark Fotheringham war der letzte Strohhalm und er hat einigermaßen gewirkt. Die Relegation gegen den Hamburger SV wird dramatisch werden, sie wird sich einbrennen in die Köpfe aller Beteiligten und aller Fans. Jeder hat noch die Bilder von 2012 vor Augen. Egal wie die Relegation ausgehen wird, es wird sich vieles verändern rund um Hertha BSC. Man hat es in der eigenen Hand den Mega-Crash zu verhindern. Der 1. FC Köln hat in dieser Saison gezeigt, wie man ein Relegationsdrama in positive Energie umwandeln kann und sich ein Jahr später für einen Europa-Cup qualifiziert.

hertha
(Photo credit should read PATRIK STOLLARZ/AFP/GettyImages)

Gegen den HSV könnte es in alle Richtungen gehen, da Felix Magath bereits seit Wochen über dieses Ereignis spricht, kann man immerhin davon ausgehen, dass die Mannschaft auf den Gegner vorbereitet sein wird. Zusätzlich schwört sich das Team im Trainingslager ein. Es ist angerichtet, etwas Wichtiges zu schaffen. Es sind die wohl wichtigsten Spiele der letzten zehn Jahre. Seit dem Aufstieg 2013 war die Hertha nicht mehr so einer großen Druck-Situation ausgesetzt. Es ist höchstens noch vergleichbar mit der Situation vor einem Jahr. Damals konnten Pal Dardai, Admir Hamzagic und Zecke die Mannschaft praktisch auf ein Turnier einstellen. Es ist ihnen gelungen. Hoffen wir nun, dass es das Team noch einmal annimmt. Doch egal was geschieht, nach drei Jahren freiem Fall darf es bei Hertha kein „Weiter so“ geben. Es muss schonungslos analysiert und gehandelt werden.

(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

Herthaner im Fokus: Hertha verspielt den zweiten Matchball

Herthaner im Fokus: Hertha verspielt den zweiten Matchball

Ein fast ausverkauftes Olympiastadion. Prächtige Sonnenuntergangsatmosphäre, ein Spiel und Ziel wie gemalt für einen großen Abend, der Fans, Spieler und Stadt miteinander hätte verschmelzen lassen können. Es sollte nicht dazu kommen. Gegen den 1. FSV Mainz 05 verliert Hertha BSC letztendlich verdient mit 1:2. Ein Spiel, welches fast schon wieder ein Spiegelbild der gesamten Saison war.

Hertha wieder im 4-2-3-1, aber ungewöhnlich besetzt

Im üblichen 4-2-3-1 stellte Felix Magath das Team zum wiederholten Male auf. Aufgrund des Ausfalls des nicht mehr für die Partie rechtzeitig fit gewordenen Marvin Plattenhardts, stellte Felix Magath Marton Dardai als Linksverteidiger auf. Ein zunächst undefinierbarer Faktor, schließlich hatte das Innenverteidigertalent bisher nicht auf dieser Position gespielt und war wie so viele im Hertha-Team positionsfremd. Weshalb Maximilian Mittelstädt zum wiederholten Male nicht starten durfte, muss hinterfragt werden.

Im Tor stand wieder einmal Marcel Lotka, ansonsten sollte auch der Rest der Verteidigung bestehen bleiben. Auf rechts Peter Pekarik, in der Innenverteidigung Kapitän Dedryck Boyata und Marc Oliver Kempf. Vor der Verteidigung agierten auf der Doppelsechs Santiago Ascacibar und Lucas Tousart. Kevin-Prince Boateng war wie in den letzten Partien im offensiven Mittelfeld zu finden, im Sturm Davie Selke. Auf der rechten Seite des Mittelfelds musste der erkältete Marco Richter ersetzt werden. Vladimir Darida sollte dies tun. Der Tscheche wurde also wie Suat Serdar wie so häufig positionsfremd eingesetzt.

In unserer heutigen Analyse schauen wie auf die verschiedenen positionsfremden Spieler, die hervorragend die katastrophale Kaderplanung dokumentieren. Auf einen kämpfenden Innenverteidiger, die Stürmer und eine schwer zu greifende Art von Hoffnung auf den Klassenerhalt.

Marton Dardai, Vladimir Darida, Suat Serdar: Verschenkt auf ihren Positionen

Alle drei Spieler sind auf ihren heimischen Positionen hervorragende Fußballer, die jedes Team bereichern können. Marton Dardai war als Linksverteidiger allerdings ein weiteres interessantes Positionsexperiment, welches sich ein Hertha-Trainer in dieser Saison wagte. Weil Marvin Plattenhardt aufgrund seiner muskulären Probleme nicht rechtzeitig fit wurde, sollte Dardai in die Bresche springen. Wieder einmal verzichtete Magath auf Mittelstädt als Linksverteidiger, den er erst nach über einer Stunde für Suat Serdar als linken Mittelfeldspieler einwechselte.

Bevor Marton Dardai angeschlagen ausgewechselt werden musste, spielte das Hertha-Talent immerhin 78 Minuten. Und er machte seine Arbeit in ungewohnter Rolle auch gar nicht schlecht. In der Defensive half er mit drei geklärten Aktionen, wagte vier Tacklings, fing zwei weitere Bälle gegen die Mainzer ab. Sechs seiner acht Zweikämpfe gewann er. 75 Prozent sind für einen Außenverteidiger eine sehr gute Quote. 64 Prozent, also 14 von 22 Pässen kamen beim Mitspieler an. Beim Gegentreffer zum 0:1 in der 25. Minute war er zu offensiv ausgerichtet, konnte keinen Druck mehr auf Silvan Widmer ausüben, dessen Hereingabe zum Schuss wurde und den schwer patzenden Marcel Lotka bezwang. Er zeigt sobald er spielt sein Talent, doch seine Qualität kann Dardai vor allem in der zentralen Defensive ausschöpfen. Aufgrund seiner Stärken am Ball wäre er sogar eine Option für das defensive Mittelfeld, aber auf den Außen ist der Mann einfach verschenkt.

hertha
(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Selbiges gilt für Vladimir Darida und Suat Serdar, die seit Beginn der Saison unter allen Trainern in vielen Spielen positionsfremd agieren mussten. Mit Peter Pekarik stand letztendlich ein einziger gelernter Flügelspieler auf dem Feld. Noch dazu ein alternder, der kaum Dynamik ins Spiel bringen kann. Ein kapitaler Fehler Fredi Bobics in der Kaderplanung.

Beide bemühten sich wie immer um gute Einflüsse ins Spiel der Hertha. Darida verteilte viele Bälle, immerhin kamen 27 seiner 35 Pässe an. Allerdings ist seine Zweikampfquote von 44 Prozent ausbaufähig. Offensivpower konnte er praktisch keine aufbauen. Er war an keiner Torchance beteiligt. Konter über ihn verpufften aufgrund seines geringen Tempos und fehlenden Technik.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Ähnliches muss man über Suat Serdar sagen, der ehe er in der 67. Minute Maximilian Mittelstädt weichen musste, ziemlich blass blieb. Auch er gewann nur 40 Prozent seiner Zweikämpfe. Immerhin kamen neun seiner zwölf Pässe an, doch auch ihm gelang es kaum Szenen in der Offensive zu kreieren, daran änderte auch sein Schlenzer in der 30. Minute nichts.

Marc Oliver Kempf: Der Kampf und die Leidenschaft sind da – aber reicht das?

Marc Oliver Kempf durfte wieder über die vollen 90 Minuten spielen, ehe er kaputt und leer auf dem Rasen des Berliner Olympiastadions zusammensackte. Es liegt natürlich vor allem an seinem körperbetonten und extrem risikoreichen Spiel, aber oftmals wirkt er wie der einzige Spieler auf dem Platz, der sich wirklich mit der kompletten Härte und Leidenschaft gegen eine Niederlage zu stemmen scheint.

hertha
(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Auch seine Zahlen sprechen zum Teil für ihn. Er konnte sechs Aktionen der Mainzer klären, fing weitere sechs Bälle ab. Achtmal ging er als Sieger aus Zweikämpfen. Damit gewann er 80 Prozent dieser, was für einen Innenverteidiger eine starke Quote ist. 22 seiner 31 Pässe fanden den Mitspieler. Doch trotz seiner 71 Prozent Passquote musste er auch zwölf Ballverluste hinnehmen, die sich gegen die Mainzer glücklicherweise nicht rächten.

Er scheint einer der wenigen zu sein, die mit freiem Kopf spielen. Die Frage ist, ob das im nächsten Spiel gegen eine wesentlich stärkere Dortmunder Offensive reicht?

Davie Selke, Ishak Belfodil, Luca Wollschläger: Zu viel Arbeit für das bisschen Ertrag

Herthas Offensivbemühungen gegen die 05er waren über Strecken sicherlich vorhanden, aber alles andere als wirklich torgefährlich. Wie schon über die gesamte Saison muss der Zufall beim Kreieren von Chancen ordentlich mithelfen. Und möglicherweise würden die Torchancen von eiskalten Stürmern auch ausgenutzt.

Doch die 5. Spielminute sprach Bände. Nachdem Davie Selke in aussichtsreicher Position vor dem Strafraum den Ball von Kevin-Prince Boateng bekam, hätte er sich durchaus noch ein paar Meter vorspielen können. Doch sein vollkommen überhasteter und letztendlich auch qualitativ schwach geschossener Ball rauschte deutlich am Tor vorbei. Es hätte die Eröffnung eines großartigen Fußballspiels werden können. Natürlich, das was Selke gut kann, kann man ihm nicht absprechen. Er reibt sich auf, ackert, nervt Gegenspieler und Schiedsrichter. Ihm gelang es zumindest Ansatzweise für Torgefahr zu sorgen, doch genau das ist die Aufgabe eines Stürmers und es sollte nicht zu Staunen führen. Doch leider tut es das in diesem Jahr bei Hertha BSC.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Er gewann 41 Prozent seiner Zweikämpfe, zog sechs Fouls, verlor zusätzlich elf Mal den Ball. Auch ein Davie Selke hatte schon für bessere Zahlen gesorgt. Immerhin konnte er sein Torekonto auf vier erhöhen. Den Elfmeter zum Ausgleich in der letzten Sekunde der ersten Halbzeit verwandelte er eiskalt. Doch auch dieses Tor konnten die Berliner nicht für eine Initialzündung oder einen Weckruf für die 2. Halbzeit nutzen. Selke ist sicherlich nicht schuld an dieser Saison, er hängt sich rein wo es nur geht, aber er ist eben auch ein Symptom dieser schwachen Mannschaft. Es ist im Endeffekt bezeichnend für Selke, dass sein Tor in der 89. Minute wegen eines unnötigen Stoßes gegen Aaron aberkannt wurde. Eine extrem harte, aber wahrscheinlich richtige Entscheidung.

Ishak Belfodil und Luca Wollschläger durften ab der 67. Minute bzw 88. Minute ebenfalls noch mitwirken. Während dem Algerier rein gar nichts Zählbares gelingen sollte, konnte der Jungspund in der 89. Minute mit einem Pfostenschuss aufhorchen lassen. Nachdem er sich in Bielefeld nicht traute zu schießen, tat er es gegen die Mainzer. Es war die richtige Entscheidung, Robin Zentner im Tor hätte keine Chance gehabt, doch bekanntlich ist das Glück des Tüchtigen. Vielleicht klappt es ja beim nächsten Versuch.

Die Hoffnung war wieder da und ist es immer noch – Zurecht?

Hertha BSC galt für viele Fans nach der Entlassung von Tayfun Korkut als sicherer Absteiger. Zu schwach, zu tief im Schlamassel, zu wenig Team. Die Hoffnung auf eine Rettung war sehr gering. Und spätestens nach dem schrecklichen Debakel im Derby wollte man sich von allen Hoffnungen auf den Klassenverbleib verabschieden. Doch Felix Magath und Mark Fotheringham haben dem Team Leben eingehaucht. Sie haben die Mannschaft auf ihre geringsten Stärken reduziert, die mit einfachem Fußball Punkt um Punkt sammeln sollte.

Seit dem Derby konnten sieben von neun möglichen Punkten gegen direkte Abstiegskonkurrenten gesammelt werden. Hertha gelang es die Schlüsselspiele fast einwandfrei zu bestreiten. Den Fans wurde lange nicht mehr so große Hoffnung gemacht. In Bielefeld wurde in den letzten Minuten der Sieg aus den Händen gegeben, gegen Mainz schaffte man über die volle Spielzeit nicht einmal in die Nähe des Siegtreffers zu kommen. Auch auf die Schützenhilfe des eigentlich übermächtigen FC Bayern Münchens kann man sich dieser Tage nicht mehr verlassen. Die starke Punkteausbeute aus den letzten Spielen täuscht im Endeffekt nur darüber hinweg, was für eine schwache Saison die Berliner spielen, was die Tabellensituation aber hervorragend zeigt.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Das Spiel gegen Mainz war eigentlich perfekt dafür angerichtet, mit einem einzigen Punkt die Klasse zu halten. Ein fast ausverkauftes Olympiastadion. Dass es auch durch Freikarten dazu kam, geschenkt. Es hätte ein großer Abend werden können, an dem auch Leute, die eben wegen Freikarten ins Stadion gekommen waren, zu echten Fans hätten werden und zukünftig regelmäßig die Mannschaft unterstützen können. So schaffte es die Hertha den Druck nicht stand zu halten und lag nach einer schwachen, nicht bundesligatauglichen Leistung auf dem Rasen.

Auch wenn nach der Niederlage gegen den 1. FSV Mainz 05 Ernüchterung herrscht, hat Hertha BSC alles in der eigenen Hand. Gegen Borussia Dortmund am letzten Spieltag würde ein Punkt für die definitive Rettung reichen. Der VfB Stuttgart muss gegen den 1. FC Köln gewinnen um noch die Chance zu wahren, vom Relegationsplatz zu springen. Felix Magath hatte unter der Woche und auch nach dem Spiel gegen Mainz gesagt, dass er seit Wochen mit einem Relegations-Duell gegen den HSV plane und sich diesbezüglich jetzt sogar darauf vorbereiten würde. Sollte es zu dieser Konstellation kommen, müsste man sich als Herthaner wohl dankbar zeigen, dass man die Chance hat, über zwei weitere Spiele den Abstieg zu verhindern.

[Titelbild: Maja Hitij/Getty Images]