Vorschau: Hertha BSC – FC Bayern München: Mach‘s noch einmal, Pál

Vorschau: Hertha BSC – FC Bayern München: Mach‘s noch einmal, Pál

Trotz im Ergebnis verdienter Niederlage hat Pál Dárdai schon im Spiel gegen Eintracht Frankfurt gezeigt, dass die von Nostalgie angefeuerte Euphorie der Hertha-Fans nicht ganz unberechtigt war. Das Auftreten der Mannschaft gegen formstarke Frankfurter machte durchaus Hoffnung für die Zukunft. Aber Herthas größter Feind scheint jetzt der Spielplan. Denn in den nächsten Spielen trifft man auf die großen Namen des deutschen Fußballs und RaBa Leipzig. Am Freitagabend wartet zu ungewöhnlicher Anstoßzeit schon um 20 Uhr der FC Bayern München.

Wir haben Bayern-Experte Justin Kraft von FC-Bayern-Blog Miasanrot.de gefragt, wie es um den FC Bayern steht und wo sich Hertha Chancen bieten könnten.

„Formschwach“ zur Meisterschaft

30-maliger Deutscher Meister, mittlerweile 20-facher Pokalsieger, amtierender Champions League-Sieger. Viel mehr braucht es nicht, um den FC Bayern München zu beschreiben. Auch in dieser eng getakteten Corona-Saison stehen die Bayern schon wieder mit sieben Punkten Vorsprung uneinholbar an der Spitze, es winkt die neunte Meisterschaft in Folge.

Dabei war in den letzten Wochen und Monaten doch immer wieder von einer Formschwäche die Rede? Davon weiß die Tabelle nichts. Neben zugegeben glanzloseren, aber eben doch siegreichen Partien, wurden zuletzt die Gegner aus Herthas Tabellenregion auch wieder etwas deutlicher in die Schranken gewiesen.

(Photo by Adam Pretty/Getty Images)

Bayern-Experte Justin Kraft sagt dazu: „Es stimmt, dass die letzten Gegner nicht zu den Top-Teams der Liga gehören. Hertha gehört im Moment aber auch nicht dazu. Demnach erwarte ich schon, dass die Bayern dieses Spiel mit viel Raumkontrolle und einem klaren Chancenplus abschließen werden. […] Gegen Hoffenheim gab es einige Momente, in denen das Spiel hätte anders laufen können.”

“Und warum sollte Hertha das nicht auch gelingen? Bayern ist zwar auf gutem Wege, sich in eine Art Flow zu spielen und Stück für Stück das nötige Selbstverständnis zurückzuerlangen, um Spiele (auch deutlich) zu gewinnen, aber sie sind noch ein Stück entfernt von der Souveränität des vergangenen Sommers, wo sie in nahezu keinem Bundesliga-Spiel Momente aufkamen ließen, in denen der Gegner sich ernsthafte Hoffnungen machen konnte.“

Unruhen? Ärger?! Spannungen?!? Eher nicht

Im neuen Jahr begleiten den Verein dazu (vermeintliche) Unruhen. So tauchte Corentin Tolisso mitten im Lockdown plötzlich mit einem neuem Tattoo auf – das kommt Hertha-Fans doch bekannt vor. „Selbstverständlich ist die Aktion von Tolisso […] mehr als ärgerlich. Ein Klub wie der FC Bayern wird damit aber umgehen können und das auch verkraften“, sieht Justin keine atmosphärischen Probleme.

Zu guter Letzt kamen Gerüchte zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Sportdirektor Hasan Salihamidzic und Trainer Hansi Flick[1]  auf. Hasan vs. Hansi – hapert‘s heftig? Eher nicht, verrät uns Justin: „Wie so oft wird die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegen. Ich bin ganz sicher, dass Salihamidzic und Flick unterschiedliche Ansichten haben, was den Kader angeht. Das liegt größtenteils auch an der Perspektive. Natürlich schaut der eine eher auf die wirtschaftlichen Aspekte, während der andere vor allem auf das sportliche Geschehen schaut. Dafür ist man schließlich auch ein Team: […] Wichtig ist, dass beide trotzdem in eine Richtung arbeiten und ich habe nicht das Gefühl, dass das beim FC Bayern aktuell nicht der Fall ist. […] Den Umständen entsprechend macht der FC Bayern aber einen richtig guten Job. Ich rechne deshalb nicht damit, dass die kleinen Reibereien zu größeren Konsequenzen führen.“

Foto: Maik Hölter/TEAM2sportphoto/IMAGO

Also doch keine störenden Unruhen beim FC Hollywood. Dafür schürten die Münchner bei den Hertha-Fans kurzzeitig Panik, als bekannt wurde, dass die Bayern auf die Idee gekommen seien, dass mit dem Herthaner Eigengewächs Luca Netz ein guter Fang für die Zukunft gelingen könne.

Doch das scheint vorerst vom Tisch, weiß auch Justin: „Netz ist ein toller Spieler und hat das Talent, es weit zu bringen. Dass der FC Bayern da interessiert ist, wundert mich nicht. Mit Torben Rhein konnte man ja vor einigen Jahren schon einen talentierten Herthaner abwerben. […] Aus meinem Berliner Umfeld höre ich schon seit einigen Wochen, dass Netz‘ Vertrag kurz vor der Verlängerung stehe und meinen Informationen nach ist Bayern schon mal bei ihm abgeblitzt. Aber so ist das Geschäft. Bayern wird nicht jeden Spieler verpflichten können und das ist auch gut so. Ich denke, Netz wird bei Hertha gute nächste Schritte machen.“ Vielleicht auch schon wieder gegen den FC Bayern.

Bayern scheint sportlich also aus dem kleineren Tal gelangt zu sein und auch von Unruhe dürfte angesichts des kürzlich vollzogenen Komplettaustauschs der handelnden Personen eher bei Hertha etwas zu spüren sein. Darf man sich dennoch Hoffnung auf Zählbares gegen die Bayern machen?

Angstgegner Dárdai?

Rückkehrer Dárdai konnte der Alten Dame trotz Niederlage gegen Frankfurt durchaus schon wieder Leben einhauchen. Außerdem sieht seine Bilanz gegen den FC Bayern gar nicht mal so schlecht aus – in vier der letzten sechs Partien verließ Hertha dabei nicht als Verlierer den Platz. Bayern-Experte Justin: „Das ist eine interessante Statistik, die ich so zunächst gar nicht mehr auf dem Schirm hatte. Allerdings muss man einschränken, dass Dárdai aus seinen zehn Duellen mit Bayern nur eines gewinnen konnte und die letzten beiden verloren wurden. Der Angstgegner-Ruf muss also neu bewiesen werden. Grundsätzlich sind Spiele bei Hertha BSC aber fast immer kompliziert gewesen für die Bayern.“

Dardais Fußball stand in der Vergangenheit für Solidität statt Spektakel. Das sieht auch Justin so: „Aggressivität, defensive Stabilität, schnörkelloses Umschaltspiel und mitunter eine absurde Effizienz vor dem Tor. Teilweise hat Hertha aus 0 Abschlüssen ein Tor gemacht – Hoffenheim lässt grüßen. […]

Foto: IMAGO

Bayern darf die Qualität Herthas keinesfalls unterschätzen. Es wird darum gehen, den kompakten Block des Gegners ständig in Bewegung zu halten. Ein Schlüsselspieler dafür ist Thomas Müller, der mit seinen Läufen und Pässen aktuell nahezu jede Defensive fast im Alleingang aushebeln kann. Er wird auch gegen Hertha viel unterwegs sein, immer wieder Räume für sich selbst oder seine Mitspieler öffnen und dann kommt es darauf an, mit welcher Schärfe und Präzision die Bayern diese bespielen.“ Für den Primus bahnt sich also ein Geduldspiel an. Für Hertha wird es auf der anderen Seite darum gehen, die Konzentration hochzuhalten und so möglichst keine Fehler zu machen.

Offensiv dürfte Hertha wie schon gegen Frankfurt größtenteils auf Konter über die schnellen Stürmer setzen. Damit hatte die Bayern-Abwehr in der Hinrunde ab und an Probleme und auch Dodi Lukébakio dürfte sich mit einem Lächeln an eine vogelwilde Münchener Hintermannschaft zu Düsseldorfer Zeiten erinnern.

Bayerns Abwehrprobleme – Ein Prozess

Justin fasst mögliche Schwächen der bajuwarischen Defensive zusammen: „Es gab eine Phase in der Hinrunde, da war die ganze Mannschaft nicht gut aufeinander abgestimmt und dementsprechend kam es auch zu Missverständnissen in der Innenverteidigung. Das lag aber auch an der ständigen Rotation. Seit Flick wieder auf das Duo Alaba/Boateng setzt, hat sich das reduziert. Beide werden meinem Eindruck nach von Spiel zu Spiel stabiler und sind für sich genommen in guter Verfassung.

Viel problematischer sehe ich die Außenverteidiger-Positionen. Hier sind Pavard und Davies nach wie vor in einer Formkrise. Gegen Hoffenheim schafften die Bayern es kaum, auch nur eine Flanke oder Kombination von außen im Ansatz zu verteidigen. Wenn dann in 90 Minuten der Ball zehn Mal gefährlich in deinen Strafraum fliegt, hast du als Innenverteidiger zwangsweise irgendwann einen schwachen Moment. Egal, ob du Alaba, van Dijk oder Beckenbauer bist.

Foto: Preiss/Witters/Pool/Witters/IMAGO

Es ging von Anfang an darum, die Mannschaft zu stabilisieren und dann sehen die Innenverteidiger automatisch wieder besser aus. Zu diesem Prozess zählt, dass einer der beiden Außenverteidiger (meistens der Rechtsverteidiger) nun konsequenter in einer Art Dreierkette absichert. Dadurch gab es weniger Momente, in denen ein langer Ball die ganze Abwehr ausgehebelt hat. Für Hertha wird es demnach vor allem darauf ankommen, die Außenverteidiger in Eins-gegen-eins-Duelle zu bringen und von den Flügeln nach innen durchzubrechen oder per Flanke erfolgreich zu sein. Drei-Tore-Lukébakio kann mit seinem Tempo, seiner Physis und seinem Gespür für Tore gegen die Bayern natürlich trotzdem eine große Gefahr darstellen.“

Aussichtslos ist die Lage für Hertha also auch nicht. Zugutekommen könnte dabei auch der Corona-bedingte Ausfall Leon Goretzkas.

Wie wird Goretzka ersetzt?

Wird Goretzka wie in der letzten Woche wieder von Sommer-Verpflichtung Marc Roca vertreten oder darf Tolisso nach seinem Tattoo-Fauxpas ran? Und wie schlagen sich die anderen Sommerneuzugänge?

Justin hat für uns eine ausführlichere Antwort auf diese Fragen gefunden: „Gegen Hoffenheim konnte Roca durchaus überzeugen – allerdings im Kontext seiner aktuellen Situation. […] Mit 24 Jahren ist er immer noch ein junger Spieler, von dem man nicht uneingeschränkt erwarten sollte, dass er sofort ankommt. […] Roca hat vor allem gegen den Ball Probleme, sich an Intensität und Laufwege anzupassen. Er rückt oft zu schnell oder zu langsam heraus, verpasst es, Druck auf den Ball auszuüben oder lässt sich einfach überrennen. Das liegt nicht daran, dass er es nicht besser kann, sondern schlicht daran, dass ihm und Flick die Zeit fehlen. […]

Tolisso konnte als Goretzka-Ersatz zwar auch nicht überzeugen, hat aber immerhin die wichtigsten taktischen Abläufe verinnerlicht und macht weniger Fehler, was die Orientierung gegen den Ball und in Umschaltmomenten angeht. Das wird den Unterschied gemacht haben. Gegen Hertha könnte Roca aber tatsächlich erneut eine Chance bekommen, wenn Tolisso nach seinem Tattoo-Gate zurückkehren sollte.

Bayerns Neuzugänge – Noch nicht angekommen

Was für Roca gilt, gilt natürlich für alle Neuen. Je mehr Zeit vergeht, umso besser funktionieren auch einzelne Abläufe. […] Nüchtern betrachtet hat keiner von den Last-Minute-Einkäufen bisher funktioniert. Das ist für den Status-quo ein großes Problem, weil Flick nur dann unbesorgt im größeren Stil wechseln kann, wenn seine Mannschaft hoch führt. Mittelfristig sollte man Spieler wie Roca oder Choupo-Moting aber nicht fallen lassen. Letzterer ist ohnehin nur für die wenigen Augenblicke gedacht, in denen Lewandowski mal pausiert, während ersterer sich noch weiterentwickeln wird.

Von Costa hat man sich eine Art Perišić-Effekt erhofft – also dass der Spieler ohne große Eingewöhnung sofort auf Bundesliga-Niveau funktioniert. Das trat nicht ein, aber die Leihe wird sowieso im Sommer beendet und dann redet kaum mehr jemand darüber. Vom vierten Flügelspieler ist der Erfolg des FCB nicht abhängig.

Sarr ist tatsächlich der einzige Transfer, der mich mit vielen Fragezeichen zurücklässt. Zwar bin ich nach wie vor der Meinung, dass auch er weiterhin eine faire Chance erhalten sollte, aber ich sehe noch nicht die nötige Qualität, die ein Rechtsverteidiger bei den Bayern braucht. Das ist deshalb so ärgerlich, weil Pavard schon länger in einem Formtief ist.

Sané ist der Neuzugang, den ich am unkritischsten sehe. […] Wenn das aktuell der Sané ist, der noch lange nicht bei 100 % ist, dann freue ich mich umso mehr auf den Top-Sané. […] Die meisten seiner Schwächen resultieren aus Momenten, in denen er eine falsche Entscheidung auf den Platz trifft. […] Bei den Bayern spielt er meist stark eingerückt im Halbraum, muss viele Bälle mit dem Rücken zum Tor kontrollieren und kann seltener sein Tempo von außen einbringen. Darüber hinaus fehlt ihm meist die Unterstützung eines hinter- oder vorderlaufenden Rechtsverteidigers. Ich denke, dass ihn die aktuelle Phase stärker und besser machen wird. […] Und wenn wir ganz ehrlich sind, ist das auch Kritik auf sehr hohem Niveau. Seine Torbeteiligungsquote ist jetzt schon sehr stark und spätestens wenn er eine ganze Vorbereitung mit dem Team hatte, wird er einen Sprung nach vorn machen. Da bin ich sicher.“

Photo by Lukas Barth-Tuttas – Pool/Getty Images

Die meisten Bayern-Neuzugänge haben also noch nicht wirklich überzeugt, kommen aber so langsam ins Rollen.

Kurzfristig ist der bisher mäßige Erfolg aber ohnehin noch nicht ins Kontor geschlagen. Denn die Bayern-Achse der letzten Jahre liefert noch immer Spiel für Spiel ab – trotz anstehender Klub-WM auch gegen Hertha, vermutet Justin: „Flick hat im neuen Jahr recht konsequent an der Achse seines Teams festgehalten. Wenn er rotiert hat, dann auf den Außenbahnen. Hier könnte ich mir vorstellen, dass Hernández für Davies beginnt. Vorne wird vermutlich der Würfel darüber entscheiden, welcher der drei Flügelspieler startet und hinten rechts rechne ich eher mit Pavard als mit Süle, wobei letzterer bewiesen hat, dass er eine Option ist. Insbesondere die so wichtige Achse aus Neuer, Innenverteidigern, Kimmich, Müller und Lewandowski wird Flick tendenziell aber nicht verändern.“

Und bei Hertha?

Und wie geht Hertha die Partie an? Am Deadline Day wurden mit Sami Khedira und Leihspieler Nemanja Radonjić noch zwei Last-Minute-Neuzugänge präsentiert, die offensichtliche Schwachstellen beheben sollen. Während Radonjić aufgrund des verletzungsbedingten Ausfalls Javairo Dilrosuns der einzige gelernte Linksaußen im Kader ist, tummeln sich auf Khediras Position im zentralen Mittelfeld einige Konkurrenten. Der deutsche, spanische, italienische und Weltmeister könnte deswegen vor allem als Leader und Mentalitätsspieler gefragt sein.

Foto: xMatthiasxKochx/IMAGO

Fraglich, ob die beiden Wintertransfers nach weniger als einer Trainingswoche schon gegen München beginnen dürfen. Abseits davon hat Dárdai eigentlich wenig Grund, System oder Personal zu wechseln. So fällt Jhon Córdoba weiterhin aus, weswegen Krzysztof Piątek seinen ordentlichen Auftritt gegen Frankfurt und die lobenden Worte Dárdais bestätigen darf. Auch Trainerliebling Marvin Plattenhardt fehlt weiter. Maxi Mittelstädt könnte diesmal gegenüber dem jungen und unerfahrenen Luca Netz den Vorzug und so die Möglichkeit bekommen, seine unglückliche Aktion in der Schlussminute des Hinspiels vergessen zu machen.

Die dárdaische Euphorie ist noch nicht verflogen, die Bayern scheinen in dieser Saison schlagbar und Dárdai sah gegen Bayern sowieso immer wieder gut aus. Aber es bleibt der FC Bayern. Und so warnt uns Justin eindrücklich: „Prozente rausnehmen werden die Bayern […] keinesfalls.“

[Titelbild: Photo by Sebastian Widmann/Getty Images]

Vorschau: Eintracht Frankfurt – Hertha BSC: Comeback gegen einen ungemütlichen Gegner

Vorschau: Eintracht Frankfurt – Hertha BSC: Comeback gegen einen ungemütlichen Gegner

Es liegt eine turbulente Woche hinter Hertha BSC. Nun soll mit Pal Dardai die Trendwende gelingen: Weg von den Abstiegsplätzen und den Verein im Mittelfeld sicher stabilisieren. Doch die vermeintlich „leichteren“ Gegner aus der unteren Tabellenhälfte kamen schon. Gepunktet wurde dabei zu wenig. Nun folgen Teams, die allesamt Ambitionen haben und teilweise um das internationale Geschäft mitspielen. Etwa Eintracht Frankfurt, das ein ungemütlicher Gegner für Dardai sein wird. Das hat uns Sportjournalistin und Eintracht-Expertin Solveig Haas bestätigt.

Er würde nie eine Mannschaft inmitten einer laufenden Saison übernehmen. Pal Dardai habe sich das einmal geschworen, wie er bei seiner Vorstellung unter der Woche verriet. Doch für seine blau-weiße Liebe habe er eine Ausnahme machen müssen.

Foto: IMAGO

Die folglich Konsequenz daraus: Es fehlen Wochen der Vorbereitung, in denen Dardai vor Beginn einer Saison auf das Team einwirken könnte. Lediglich eine Woche hatte er nun Zeit, dass Team auf den kommenden Gegner Eintracht Frankfurt einzustellen.

Inwieweit Dardai personelle Änderung vollziehen wird, wird sich am Samstag zeigen. Medial wird gemunkelt, dass Jordan Torunarigha oder auch Marvin Plattenhardt womöglich wieder eine Chance erhalten. Auch wird über einen möglichen Einsatz von Santiago Ascacibar im Tausch gegen den bisher eher enttäuschenden Lucas Tousart spekuliert. Eines ist jetzt schon klar: Gegen die seit sieben Spielen ungeschlagene Eintracht wird es ein ungemütliches Spiel.

Offensiv kann die Eintracht alles, Defensiv ist Hertha anfällig

Die wohl wichtigste Frage wird sein, ob es Dardai gelingt eine funktionierende Achse zu finden. Aus welcher sich Spieler zeigen, die in etwaigen Spielsituationen das Kommando übernehmen können. Eine weitere Baustelle ist aber die Defensive. 32 Gegentore hat die Mannschaft bisher kassiert. Nur die beiden Schlusslichter Mainz und Bielefeld haben bisher mehr Gegentore gefangen. Gegen Frankfurt kann das 90 Minuten Dauergefahr bedeuten.

„Eigentlich ist fast jeder, der da auf dem Platz steht, potenziell torgefährlich“, sagt Frankfurt-Expertin Solveig Haas. Auch sonst gebe es kaum etwas, auf das die Frankfurter Offensive nicht reagieren könne. „Wir haben jemanden für die feine Klinge – und wenn das nicht klappt, dann geht es eben mit Kraft und Willen“, beschreibt sie den Offensivfußball ihrer Mannschaft.

Insbesondere Stürmer Andre Silva zeigte sich in den letzten Spielen besonders torhungrig. Blickt man aktuell auf die Liste der Torschützen, bildet er zusammen mit Erling Hallend den zweiten Platz hinter Robert Lewandowski. 14 mal hat Silva in dieser Saison bisher getroffen. Und auch Rückkehrer und bisheriger Edel-Joker Luka Jovic netzte in drei Spielen drei mal ein.

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Für Solveig Haas war die Rückkehr von Jovic aus Madrid „magisch“. Damit spricht sie vermutlich vielen Eintracht-Fans aus der Seele. Doch bekanntlich spielt Frankfurt nur mit einer Spitze vorne drin. Doch glaube sie nicht an Probleme zwischen den beiden Stürmern. „Ich habe sogar das Gefühl, dass er Andre Silva bisher eher entlastet als unter Druck setzt“, sagt sie.

Zudem scheint der Transfer das gesamte Team beflügelt zu haben. Als Beispiel nennt sie etwa Filip Kostic. „Wie er seitdem wieder aufdreht, ist auch ein Traum“, sagt sie. Vier Vorlagen und ein Tor in den letzten drei Spielen unterstreichen diese Wahrnehmung. Dennoch glaube sie nicht, dass Trainer Adi Hütter Jovic von Beginn an aufstellen wird. „Er sagt ja auch selbst, dass ihm dafür noch ein wenig die Fitness fehlt“, stellt Solveig Haas fest. Doch warnt sie auch – sie könne sich vorstellen, dass Jovic je nach Spielverlauf deutlich früher eingewechselt wird.

Doch Dardai kann Defensiv – gibt es einen „Trainereffekt“?

In viereinhalb Jahren als Trainer von Hertha hat Dardai aber schon von 2015 bis 2019 bewiesen, dass er vor allem Defensive kann. Mitunter war das sogar einer der Gründe, warum ihn Michael Preetz damals entließ. Zu langweilig sei der Fußball, Hertha wolle attraktiven Offensivfußball spielen. Nicht wenige Hertha-Fans schlossen sich der Meinung damals an. Auch wenn nun die Mehrzahl der Anhänger glücklich darüber scheint, dass das blau-weiße Urgestein und der Sympathieträger wieder zurück ist.

Dardai selbst war ein Kämpfer auf dem Platz. Vor allem die taktische Disziplin sei ihm wichtig, wie er bei seiner Vorstellung betonte. Inwieweit das etwa ein Dodi Lukebakio oder ein temperamentvoller Matheus Cunha beherzigen können oder wollen, wird sich zeigen – wenn sie denn spielen.

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Und dann wäre da noch der Mythos „Trainereffekt“. Oft scheint es, als würden Teams vor allem das erste Spiel mit neuem Trainer gewinnen. Auch Solveig Haas glaubt an den Effekt. Doch finde sie, hänge er von den individuellen Problemen einer Mannschaft ab. „Ich glaube nicht, dass das Problem bei der Hertha auf der Trainerbank saß, deshalb wird auch ein neuer (alter) Trainer es nicht kurzfristig lösen können“, sagt sie.

So oder so habe sie Vertrauen in ihre Eintracht, die durchaus Selbstbewusst aufspielen dürfte. „Diese Eintracht kann auch gegen neu motivierte Berliner gewinnen“, sagt sie. Ihr Tipp: „Drei zu eins für die Eintracht.“

[Titelbild: IMAGO]

Vorschau: Hertha BSC – SV Werder Bremen: Topspiel am Abgrund

Vorschau: Hertha BSC – SV Werder Bremen: Topspiel am Abgrund

Am Samstag um 18.30 Uhr wird das Topspiel des Bundesligaspieltags angepfiffen. Dass es dann ausgerechnet ein Kellerduell zwischen zwei schwächelnden Mannschaften wird, wird die neutralen Zuschauer sicherlich nicht erfreuen. Noch weniger erfreut sind dafür Hertha-Fans nach den letzten Spielen ihrer Mannschaft. Sollte am Samstagabend die „alte Dame“ erneut verlieren, könnte es nun das Ende für Cheftrainer Bruno Labbadia und Manager Michael Preetz bedeuten. Es könnte also im Spiel Hertha BSC – Werder Bremen um einiges gehen. Umso besser vielleicht, dass dafür die große leere Bühne unter Flutlicht bereitsteht, und die ganze Bundesliga zuschauen darf. Immerhin wird Hertha mal im Mittelpunkt stehen.

SV Werder Bremen – stark gegen die Schwachen

Herthas Gegner am Ende einer erneut misslungenen „englischen Woche“ heißt SV Werder Bremen. Eigentlich ein Angstgegner für die Berliner: in der Bundesliga gab es für die Blau-Weißen in 75 Duellen nur 20 Siege, dafür 36 Niederlagen. Immerhin konnte man zuletzt die Bilanz etwas verbessern. Die letzte Niederlage in Berlin gegen Werder ist über vier Jahre her.

Auch für die Bremer gab es in der Saison 2020/21 bisher nicht allzu viel zu feiern. Im ersten Saisonspiel gegen Hertha gab es eine 1:4 Niederlage. Danach konnte die Mannschaft von Trainer Florian Kohfeldt allerdings eine Serie von sieben Spielen ohne Niederlage hinlegen. Davon gingen fünf Spiele mit 1:1 unentschieden aus. In der Hinrunde konnten die Bremer nur vier Siege holen, gleich viele wie die Elf von Bruno Labbadia. Nur ein Punkt trennt beide Mannschaften, die jeweils auf Tabellenplätze 13. (Bremen) und 14. (Hertha) hängen.

Die schlechte Nachricht für Hertha-Fans dürfte die Tatsache sein, dass Werder (bis auf das Auftaktspiel) kein einziges Duell gegen Konkurrenten im Abstiegskampf mehr verlor. Gegen Gelsenkirchen, Mainz, Bielefeld und Augsburg gab es Siege, gegen Köln und Hoffenheim ein Unentschieden. Gerade gegen „schwächere“ Gegner konnte Kohfeldts Elf also überzeugen.

Werders gemischte Bilanz im Jahr 2021  

Am Dienstagabend ging es Auswärts nach Mönchengladbach. Dort konnte Werder trotz ordentlicher Leistung nicht punkten. Doch so schlecht sieht die Formkurve im Jahr 2021 nicht aus. Zwar musste man sich gegen den 1. FC Union Berlin geschlagen geben, holte anschließend aber einen Punkt in Leverkusen. Vergangenes Wochenende schlugen die Bremer den FC Augsburg mit 2:0. Wie gut oder schlecht Werder Bremen nun wirklich in dieser Saison ist, bleibt schwer einzuschätzen.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Großartigen Fußball spielt man an der Weser auch diese Saison sicherlich nicht. Dafür hat man weniger Probleme damit, auf kämpferischer Art und Weise die Spiele an sich zu reißen. Abstiegskampf kennen die Bremer Spieler von letzter Saison noch zu gut. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird Kohfeldt sein Team wie im Spiel gegen den FC Augsburg mit einer Dreierkette auf den Rasen im Olympiastadion schicken.

Sollte es Hertha dann erneut gegen drei großgewachsene Innenverteidiger nur mit Flanken versuchen, könnte das Spiel für die „alte Dame“ ähnlich verlaufen wie am Dienstagabend gegen die TSG aus Hoffenheim. Eine Bremer Personalie wird am Samstag jedenfalls wieder zum Thema werden: Davie Selke wird zum ersten Mal seit seiner Rückkehr an der Weser im Olympiastadion gegen Hertha spielen.

Hertha im Abstiegskampf – Kritik wird immer lauter

Doch im Grunde genommen geht es weniger darum, wie Herthas Gegner heißt oder wie dieser aufgestellt ist. Die letzten Wochen zeigten sehr gut, dass die „alte Dame“ mit sich selbst am meisten zu kämpfen hat. Zu den bereits bestehenden Schwächen, wie die Standardschwäche und die Probleme im Aufbauspiel, kamen neue hinzu. Jetzt schaffen es die Blau-Weißen nicht mal mehr zu treffen. Seit dem Sieg gegen Gelsenkirchen gab es keinen eigenen Treffer mehr.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Über die aktuelle Situation am Schenkendorffplatz wurde in den letzten Tagen bereits sehr viel geschrieben. Besonders Manager Michael Preetz steht im Mittelpunkt der Kritik. Cheftrainer Bruno Labbadia zeigte sich in der Pressekonferenz vor der Partie wie gewohnt realistisch: „Wir können alle die Tabelle lesen und wissen, dass wir aufgrund der Ergebnisse immer mehr unter Druck sind. Das ist normal”. Gegen Bremen gelte es „die Ärmel hochzukrempeln, sich gegen Widerstände zu wehren und nicht mit einer Angst reinzugehen”. Das Problem: ähnliche Parolen konnte man auch nach den Spielen gegen Bielefeld und Köln von Michael Preetz und Bruno Labbadia hören. Eine spürbare Wirkung, die sich auch in Punktgewinne manifestiert, blieb bisher jedoch aus.

Was sich im Vorfeld auf das Spiel Bremen-Spiel veränderte, war eine gewisse „Jetzt-erst-Recht“-Haltung von Trainer Labbadia: “Ich muss vorangehen. Wir liegen ein wenig am Boden. Da kann man liegenbleiben. Aber davon war ich noch nie ein Freund.“ Mit dem Rücken zur Wand wird die Mannschaft jetzt reagieren und punkten müssen. Viele Möglichkeiten bleiben den aktuellen Verantwortlichen wohl nicht mehr, um das Ruder herumzureißen.

Auch in unserer letzten Podcast-Folge ging es um die Kritik an Michael Preetz und die allgemeine Lage im Verein.

Keine Cunha-Sperre und Gerüchte um Gómez

Zur Verfügung stehen Herthas Cheftrainer wohl dieselben Spieler wie unter der Woche gegen Hoffenheim. Personell hat sich nicht viel in den wenigen Tagen verändert. Eine große Schwächung wäre eine mögliche „Last-Minute“-Sperre von Matheus Cunha gewesen. Das Verfahren gegen den Brasilianer wurde jedoch am Freitagnachmittag eingestellt.

Bruno Labbadia wird auch gegen Bremen auf Kapitän Dedryck Boyata und Flügelstürmer Javairo Dilrosun verzichten müssen. Auch Eduard Löwen, Marvin Plattenhardt und Márton Dárdai fallen weiter verletzt aus. Es ist somit wahrscheinlich, dass die Startelf am Samstagabend mehr oder weniger dieselbe sein wird, wie die am Dienstagabend. Womöglich wird man jedoch auf der einen oder anderen Position aus Fitnessgründen rotieren müssen. Doch leider gibt es auf bestimmten Positionen aktuell nicht viele Alternativen.

Gerade die fehlenden Alternativen auf den Außenbahnen und im kreativen Mittelfeld sind ein Problem, das kurzfristig nur mit Winterneuzugängen zu lösen wäre. Manager Michael Preetz scheint jedoch bei der Suche wenig Erfolg zu haben. Das Gerücht um eine mögliche Leihe von Papu Gómez von Atalanta Bergamo erscheint angesichts der unattraktiven Situation von Hertha BSC zurzeit eher unwahrscheinlich. Dabei wäre der Argentinier genau der Spielertyp, den die Berliner dringend brauchen würden. Ein spielstarker, erfahrener Spieler mit großem Charakter auf einer offensiven Position.

Stattdessen wird die „alte Dame“ hoffen müssen, dass beispielsweise der zuletzt sehr schwach spielende Dodi Lukebakio oder die im Abschluss glücklosen Stürmer Krzysztof Piatek und Jhon Córdoba ein plötzliche Formsteigerung erleben. Wie schon so oft in dieser Saison bleibt ansonsten nur noch eine Einzelaktion von Matheus Cunha, um die Torflaute und die Formkrise zu beenden.

Eine Mannschaft schnell aus dem Hut zaubern

Viel schöner und wichtiger wäre natürlich eine geschlossene, stabile und engagierte Mannschaftsleistung der „blau-weißen“. Doch genau das scheint bei Hertha ein großes Problem zu sein. Vize-Kapitän Niklas Stark gab im Interview nach der Partie gegen TSG Hoffenheim diesbezüglich eine sehr unglückliche Figur ab. Nach dem Mannschaftsgefühl von Hertha gefragt zögerte der 25-Jährige viel zu lange bevor er zögerlich: „Natürlich sind wir eine Mannschaft, auch wenn das Ganze auch schwierig ist“ antwortete. Alles andere als überzeugend also.

Foto: xUwexKoch Eibner-Pressefotox EP_EER (IMAGO)

Aktuell gibt es leider einfach keinen Grund für Hertha-Fans optimistisch zu sein, zu enttäuschend waren die letzten Ergebnisse und Auftritte. Cheftrainer Labbadia drückte es im Vorfeld in aller Deutlichkeit aus: „Ich muss vorangehen. Wir liegen ein wenig am Boden. Da kann man liegenbleiben. Aber davon war ich noch nie ein Freund.“

Damit Hertha BSC wieder vom Boden aufsteht, müsste sich aus den vielen verunsicherten Einzelspielern im Kader eine Einheit bilden. Ein Zaubertransfer im Winter wird es sicherlich nicht tun. Nur ein Funken Hoffnung bleibt also noch, dass sich die Spieler gemeinsam aus dieser schwierigen Lage herauskämpfen, und Ihre Einheit somit zu entdecken. Am besten durch einen knappen, umkämpften Sieg gegen Werder Bremen. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

[Titelbild: Patrik Stollarz / AFP/Getty]

Vorschau: 1. FC Köln – Hertha BSC: Hauptsache kein 0:0

Vorschau: 1. FC Köln – Hertha BSC: Hauptsache kein 0:0

Der großen Erleichterung nach dem Heimsieg gegen den FC Schalke 04 folgte die herbe Enttäuschung auf der Bielefelder Alm. Anstatt mit einer Siegesserie beginnt das Jahr 2021 also für Hertha BSC erneut mit großen Schwierigkeiten. Am Samstag ist die Elf von Bruno Labbadia beim 1.FC Köln zu Gast, wo sich zwei Teams in chaotischen Lagen treffen. Beim abstiegsgefährdeten „Effzeh“ wird wie schon gegen Arminia Bielefeld ein Sieg der „alten Dame“ erwartet, doch Optimismus macht sich angesichts der Form und der personellen Ausfälle in Berlin nicht wirklich breit.

Wir werfen einen Blick auf die Ausgangslage beider Clubs. Dabei werden wir wieder von Thomas Reinscheid, Chefredakteur von effzeh.com unterstützt, der seine Expertise über den 1. FC Köln mit uns teilt.

Große Abstiegssorgen in Köln, Debakel in Freiburg

Das Jahr 2021 fängt für den 1. FC Köln alles andere als gut an. Erst die 0:1 Heimspielniederlage gegen den FC Augsburg, dann ein 0:5 in Freiburg. Den letzten Bundesligasieg holten die Kölner Mitte Dezember, beim knappen 1:0 beim FSV Mainz 05. Dort erzielten sie auch ihren letzten Bundesligatreffer. So richtig läuft es also nicht, und die Sorgen am Geißbockheim werden größer.

Foto: IMAGO

Wir haben unseren Experten gefragt, wie groß denn die Abstiegssorgen beim „Effzeh“ nun wirklich sind: „Groß. Sehr groß. Was aber weniger an der aktuellen Tabellensituation liegt, sondern vielmehr an den unfassbar schwachen Auftritten, die sich durch die ganze Saison ziehen. Es ist auch nach 15 Saisonspielen noch nicht erkennbar, wie der FC Tore erzielen will.“ Der negative Höhepunkt kam bereits im zweiten Spiel in 2021, als der 1. FC Köln in Freiburg mit 0:5 unterging. „Ein gebrauchter Tag letztlich. Ohne die Leistung der Freiburger schmälern zu wollen: Alle fünf Tore hat sich der FC praktisch selber ins Tor gehauen, da war keinerlei Gegenwehr zu spüren“, sagt unser Experte.

Dabei sei auch die mangelnde Qualität in der Offensive ein Problem: „Die Mannschaft ist fußballerisch nicht gerade mit Leistungsträgern gesegnet, kommt im Offensivspiel kaum Bundesliga-tauglich daher. Irgendwann schlägt sich dies natürlich auch auf die Stabilität im Abwehrverbund durch, wenn jeder Ball postwendend zurückkommt. Zumal der FC selbst in den erfolgreichen Spielen Glück hatte, dass die Gegner nachlässig in der Chancenverwertung waren. Diesen Gefallen hat Freiburg dem Team nicht getan.“

Großes Vertrauen in die eigene Mannschaft hatten die Fans schon vor dem Freiburg-Spiel nicht mehr, und so hilft nur der Blick auf andere schwächelnde Clubs : „So ist eigentlich nur zu hoffen, dass es zwei, wenn nicht sogar drei dümmere in der Bundesliga gibt.“ Letztes Wochenende zeigte jedoch, dass die Konkurrenz im Abstiegskampf durchaus noch punkten kann. So brauchen die Kölner dringend eigene Punkte, auch für Trainer Markus Gisdol.

Gisdol unter Druck, Zurückhaltung bei der Clubführung

Kölns Chefcoach steht nämlich stark in der Kritik, der Rückhalt der Mannschaft wird schwächer: „Sollte es stimmen, dass die Mannschaft irritiert war, die Trainingsinhalte aus der Woche vor dem Freiburg-Spiel nicht in der Herangehensweise an die Partie wiederzufinden, dann kann der Rückhalt nicht mehr allzu groß sein.“ Kein Wunder also, dass nach einer so deutlichen Niederlage wie gegen Freiburg, in einer ohnehin brenzlichen Lage, der Trainer infrage gestellt wird.

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Doch ein Rauswurf scheint nicht so simpel zu sein, wie sich das viele Außenstehende vorstellen. Thomas erklärt: „Eigentlich, das muss deutlich gesagt werden, hätte dieses Debakel mit den anschließenden Äußerungen Gisdols Folgen haben müssen. Eigentlich müsste auch eine Niederlage gegen die Hertha Folgen haben. Wir reden aber immer noch über den 1. FC Köln. Und da das Schicksal des Sportchefs sehr eng mit dem des Trainers verknüpft ist, der Club aufgrund miserablem Wirtschaften arm wie eine Kirchenmaus ist, die Verantwortlichen im Vorstand eher auf Tauchstation gehen, dürfte zumindest in der Englischen Woche nichts passieren.“

Einigen Hertha-Fans sollte diese Beschreibung, bis auf die der wirtschaftlichen Lage, bekannt vorkommen. Tatsächlich gibt es einige Parallelen zwischen beiden Clubs, wo nicht nur der Trainer oder die Spieler für die sportliche Lage verantwortlich gemacht werden. Das sieht auch unser Köln-Experte: „die Gründe der Misere sind vermutlich die Gleichen. Bescheidene Kaderzusammenstellung, viel Geld für wenig Leistung und schwache Entscheidungsträger. (…) von außen betrachtet scheint mir das Team und dessen vermeintliche Leistungsfähigkeit von den Verantwortlichen ähnlich überschätzt zu sein wie am Geißbockheim.“

Bekannte Gesichter in der Kölner Startelf

Wie also will der 1. FC Köln im Heimspiel gegen Hertha BSC das Spiel angehen? Wie ist die taktische Organisation? „Das ist eins der Hauptprobleme derzeit: Der FC wechselt zwischen Vierer- und Fünferkette, zwischen einer Formation mit zwei „falschen Neunen“ und einer mit Stoßstürmer hin und her, ohne sich auch nur in einer dieser taktischen Marschrouten wirklich wohlzufühlen“, meint unser Experte.

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„Viel Wert wurde zumindest zuletzt auf die defensive Stabilität gelegt, was bis zum Freiburg-Spiel auch größtenteils funktionierte. Jedoch ging das massiv auf Kosten der Offensivbemühungen – so richtig gefunden hat der FC seine Identität in dieser Saison noch nicht.“ Wenig helfen konnten dabei zuletzt die Ex-Herthaner Ondrej Duda und Marius Wolf, die am Samstag zum ersten Mal gegen die „alte Dame“ spielen werden. Bei beiden sei noch ordentlich Luft nach oben, sagte uns Thomas.

Dabei tue ihm Ondrej Duda sogar ein wenig Leid: „denn er zeigt immer wieder in Ansätzen, welch feiner Fußballer er doch sein kann. Leider deckt sich dieser Eindruck nicht mit den Befunden bei seinen Mitspielern. Dieses „Hoch und weit“, das unter Gisdol einen Großteil des Spielaufbaus ausmacht, kommt ihm dabei wahrlich nicht entgegen. Er müht sich trotzdem nach Kräften und ist definitiv einer der Besseren in dieser Saison.“

„Das gilt auch für Marius Wolf, der auf der rechten Seite schon jede Position übernehmen musste.“, fügt er hinzu. „Als Rechtsverteidiger war das wenig überzeugend, nach vorne macht er aber ordentlich Druck und zeigt sich auffälliger als seine Pendants auf der anderen Seite.“ Thomas sieht im Hinblick auf das Samstagsspiel ohnehin weniger die Individualitäten im Mittelpunkt: „Es wird in meinen Augen weniger darauf ankommen, ob ein einzelner Spieler die Hoffnungen erfüllt, sondern ob es der Mannschaft gelingt, im Kollektiv stabiler zu agieren. Und vielleicht sogar anfangen, etwas auf den Rasen zu bringen, das annähernd an Fußball erinnert.“

Personelle Sorgen bei Labbadia – eine Chance für Luka Netz?

Dasselbe wird wohl auch für den Hauptstadtclub gelten. Schließlich wird man aufgrund von vielen Ausfällen gerade nicht auf alle Individualitäten zählen können. Neben den ohnehin verletzten Dedryck Boyata und Javairo Dilrosun sind auch Leistungsträger wie Matheus Cunha oder Vladimir Darida fraglich. „Das bedeutet für uns, noch enger zusammenzurücken”, meinte Bruno Labbadia in der Pressekonferenz vor der Partie.

Auch Marvin Plattenhardt wird nicht zur Verfügung stehen, was allerdings dem jungen Luca Netz Hoffnungen machen dürfte, zum ersten Mal in der Startelf stehen zu dürfen. Da Maximilian Mittelstädt wohl als linker Verteidiger spielen muss, könnte Netz auf die linke offensive Außenbahn rutschen. „Wir haben keine Scheu davor“, meinte Herthas Chefcoach, „er macht einen guten Eindruck.“

Eine weitere Option wäre ein Einsatz von Jordan Torunarigha auf der linken Verteidigerposition. Der 23-Jährige stand bisher in 2021 keine Spielminute auf dem Platz. Als linker Innenverteidiger spielte stattdessen Neuzugang Omar Alderete, der jedoch gegen Arminia Bielefeld eine schwache Leistung zeigte. Ob als linker oder als Innenverteidiger: ein erster Einsatz von Torunarigha in 2021 scheint jedenfalls am Samstag wahrscheinlich.

Sollten sowohl Matheus Cunha als auch Vladimir Darida ausfallen, hätte Labbadia auf die zentral offensive Position keine Option mehr und wäre zum Systemwechsel gezwungen. Es wird also bis kurz vor der Partie ein großes Rätsel bleiben, wie die Startaufstellung von Hertha BSC tatsächlich im Rhein Energie Stadion aussehen wird.

Schützenfest oder 0:0?

Während im Hintergrund auf Herthas Führungsebene einiges in Bewegung gesetzt wird, steht weiterhin die sportlich gefährliche Lage im Vordergrund. Wie bereits festgestellt, sieht es bei unseren Gegnern aus Köln ähnlich aus. Keine besonders guten Vorzeichen für attraktiven Fußball am Wochenende. Die beiden geschwächten Teams im Geisterspiel werden es nicht leicht haben, wieder ein Schützenfest abzuliefern. Dabei ging es vergangene Saison im Hin- und Rückspiel ordentlich rund: das Heimteam ließ sich jeweils vor eigenem Publikum abschießen, ganz zur Freude der Auswärtsfahrer.

Foto: IMAGO

Auch unser Köln-Experte erwartet dieses Mal nicht gerade ein hohes Ergebnis: „Das Duell wirkt tatsächlich wie der Krisengipfel des kommenden Wochenendes. Viel Erbauliches ist da in meinen Augen nicht zu erwarten. Dazu dürfte der Druck auf beiden Seiten die Beine und Köpfe zu schwer machen. Ich tendiere daher tatsächlich Richtung 0:0.“  Ein 0:0 wäre dabei eigentlich für beide Seiten kein gutes Ergebnis und würde weder etwas an der schwierigen Lage verändern noch handfeste Gründe für eine Trainer- oder Managerentlassung liefern.

Auf einen Spieler wird Hertha leider nicht aufbauen können, der in der Vergangenheit öfters in Köln die Punkte für die „alte Dame“ durch seine Tore sicherte. „Immerhin besteht diesmal nicht die Sorge, dass einen Vedad Ibisevic zum x-ten Mal abschießen wird“, stellt Thomas fest. Im Gegenzug wird Jhon Córdoba nicht mehr für Köln treffen können. Stattdessen könnte er der Spieler sein, der dafür sorgt, dass das Spiel doch nicht mit 0:0 endet.

*Titelbild: IMAGO

Vorschau: Arminia Bielefeld – Hertha BSC: Auf Mission Wiedergutmachung

Vorschau: Arminia Bielefeld – Hertha BSC: Auf Mission Wiedergutmachung

Neues Jahr, neues Glück. Im ersten Spiel in 2021 widerlegte Hertha all jene, die befürchteten, die „Alte Dame“ könnte zum wiederholten Male als Aufbaugegner für angeschlagene Teams in die Bresche springen. Stattdessen gelang es dem Team von Bruno Labbadia, nach überschaubarer Leistung in den ersten 25 Minuten im Anschluss daran etwas mehr als eine Stunde das Spiel gegen Schalke 04 zu dominieren und sich letzten Endes mit einem für den Gegner sogar noch schmeichelhaften 3:0 durchzusetzen. So wohltuend dieser Sieg für die nach den schwachen Spielen gegen Mainz und Freiburg geschundene Fanseele war, so sehr muss jedoch gefragt werden, wieviel dieser Sieg tatsächlich über die drei Punkte hinaus Wert ist. „War Hertha so gut oder Schalke so schlecht?“, wird nach derartigen Auftritten gern gefragt. Ob es sich nun tatsächlich um eine nachhaltige Leistungssteigerung handelt und es doch noch Grund für Optimismus in Bezug auf den Rest der Saison gibt, wird sich am Sonntagabend zeigen, wenn Hertha den Spieltag gegen Arminia Bielefeld beschließt.

Um einen detaillierten Einblick rund um den Aufsteiger zu bekommen, haben wir mit Arminia-Expertin Eva-Lotta Bohle, unter anderem bekannt aus „The 2. Bundesliga Podcast“, gesprochen und sie gefragt, wie sich ihre Mannschaft bisher im Oberhaus schlägt.

Mit langem Anlauf endlich wieder Bundesliga

Seit dieser Saison ist Bielefeld, nach 11 Jahren zweiter und dritter Liga, wieder Bundesligist. (Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Im Juni 2020 hatte die Leidenszeit endlich ein Ende: Nach elfjähriger Abwesenheit war Arminia Bielefeld die Rückkehr in die Bundesliga nicht mehr zu nehmen. Trotz der starken Konkurrenz aus Stuttgart und Hambung, die als Aufsteiger gesetzt schienen, waren es die Bielefelder, die sich als Zweitligameister ab dem 15. Spieltag an die Tabellenspitze setzten und seither nicht mehr von dort zu verdrängen waren. Zehn Punkte Vorsprung auf Mitaufsteiger Stuttgart, die meisten erzielten und die wenigsten kassierten Treffer – an der Verdientheit dieses Aufstiegs kann es keinerlei Zweifel geben. Insbesondere dann nicht, wenn man berücksichtigt, wie viel Anlauf die Arminia und deren Anhänger für diesen Erfolg nehmen mussten.

Nachdem Bielefeld 2009 den Gang in die zweite Liga antreten musste, hielten sie es dort lediglich ein Jahr aus und verabschiedeten sich 2011 gar in die Drittklassigkeit. Zwar gelang im zweiten Anlauf die Rückkehr in Liga Zwei, doch nur ein Jahr später musste man auf die tragischst mögliche Weise erneut Vorlieb mit der dritten Liga nehmen. Ein Gegentreffer in der 122. Minute im Rückspiel der Relegation gegen Darmstadt verhinderte den Klassenerhalt. Doch auch davon ließ sich Bielefeld nicht beirren und konnte sich seit dem unmittelbaren Wiederaufstieg in der zweiten Liga etablieren.

Dass es nun, nach dieser schier endlosen Leidenszeit, gar für die Bundesliga gereicht hat, wird eng mit Trainer Uwe Neuhaus verknüpft, der seit Dezember 2018 als Cheftrainer agiert und seither mit offensivem, attraktivem Fußball der Arminia neues Leben eingehaucht hat. In der für ihn ersten Bundesliga-Saison steht er nun vor der Herausforderung, genau diesen Spielstil wieder anzupassen.

Mit Pragmatismus zum Klassenerhalt

Fabian Klos konnte aufgrund veränderter Rolle seine Torgefahr erst selten unter Beweis stellen. (Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Denn ebenjener dominante Fußball lässt sich nun in der ersten Liga nicht mehr umsetzen. Zu groß sind die Unterschiede in der individuellen Qualität zum Rest der Konkurrenten. Zum Vergleich: Der Marktwert des Kaders der Bielefelder liegt laut transfermarkt.de bei knapp 45 Millionen Euro, der von Mitaufsteiger VfB bei etwa 103 Millionen.

Dementsprechend geht es für das Team, wie für alle „klassischen“ Aufsteiger, in erster Instanz darum, in der Defensive möglichst kompakt zu stehen und das eigene Spiel mit dem Ball hinten anzustellen, wie es Eva beschreibt: „Zunächst ist der ruhige Spielaufbau, den Uwe Neuhaus bei Arminia etabliert hat, nicht mehr so ohne weiteres möglich: Gerade in Spielen gegen den VfL Wolfsburg oder, aktueller, gegen Borussia Mönchengladbach hat man gesehen, dass die zentralen Spieler für das Aufbauspiel (Innenverteidiger und Sechser), starke Probleme mit dem hohen Pressing der gegnerischen Spieler hatten. Auch das Passspiel zwischen Torhüter Stefan Ortega Moreno und den beiden Innenverteidigern (meistens Mike van der Hoorn und Amos Pieper) musste im Laufe dieser Saison immer weiter zurückgefahren werden, spätestens nach dem Missverständnis zwischen Pieper und Ortega gegen Leipzig. Daher werden doch vermehrt lange Bälle nach vorne gewählt als ursprünglich von Neuhaus vorgesehen.“

Auch personelle Probleme führen dazu, dass die in Liga Zwei so starke Offensive bislang (lediglich Schalke erzielte in der laufenden Saison weniger Tore) nur sehr selten zum Tragen kommt. Fabian Klos, der mit 21 Treffern und 10 Vorlagen maßgeblich für den Aufstieg im vergangenen Jahr verantwortlich war, hat aktuell „eher die Rolle als „Ballfestmacher“ dieser langen Bälle […]. Das Hauptproblem hierbei ist, das sich Klos‘ Sturmpartner Andreas Voglsammer erneut verletzt und Leihspieler Sergio Cordova bisher noch nicht vollständig als Goalgetter erwiesen hat. Daher fehlt ein Abnehmer dieser gewonnen Bälle im Sturm, die Klos logischerweise nicht auch noch einnehmen kann. Klos kann sich ebenfalls gegen die Verteidiger der Bundesliga nicht mehr so einfach durchsetzen, wie es in der 2. Liga noch der Fall war“, ordnet Eva ein.

Bielefeld holt die Pflichtsiege

Auf ihn muss Hertha besonders aufpassen: Bielefelds Flügelläufer Ritsu Doan. (Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

Trotz der klaffenden Lücke hinsichtlich des Budgets im Vergleich zum Rest der Liga sind es beispielsweise zu Hertha lediglich sechs Punkte Unterschied. Der Hauptgrund liegt darin, dass die Arminia die sogenannten Sechs-Punkte-Spiele gewinnt. Alle drei bisherigen Saisonsiege wurden gegen Schalke, Mainz und Köln, die allesamt Tabellennachbarn sind, eingefahren.

Gegen den Rest der Liga sieht die Bilanz dagegen finster aus: „Das einzige Spiel gegen ein Topteam, wo man Bielefeld gewisse Chancen auf einen Punktgewinn hätte zutrauen können, war das Spiel gegen RB Leipzig. Das war eines der wenigen Spiele, wo man selbst von Anfang an gut ins Spiel reinkam und mit Doan sogar die erste Chance des Spiels hatte. Gegen Bayern, Leverkusen, Dortmund, Union Berlin und Gladbach, die für mich bisher die stärksten Gegner waren, fehlte vor allem der Zug zum Tor, gegen Union fehlte über 90 Minuten komplett die Zuordnung und der Zugriff“, sagt Eva. Gerade die „mangelnde Torgefahr“ werde den Bielefeldern in diesen Spielen zum Verhängnis, so Eva.

Als Lichtblick in Bezug auf die fehlende Durchschlagskraft im Offensivspiel darf Ritsu Doan bezeichnet werden: „Doan hat bisher 2 Tore und 2 Assists in 14 Spielen, außerdem bringt er gewisse Fähigkeiten mit, beispielsweise seine Dribblingstärke, die Bielefeld bis jetzt gefehlt haben. Einziger Nachteil ist bei ihm, dass man ihm manchmal sowohl sein Alter als auch seinen Status als Leihspieler anmerkt: In einigen Situationen fehlt Doan das Auge für seine Mitspieler beziehungsweise er ist zu egoistisch und sucht selbst den Abschluss. Überwiegen tun jedoch die Qualitäten, die er mitbringt, die ihm auch bereits zwei Nominierungen als Rookie of the Month eingebracht haben“, beschreibt Eva den Neuzugang aus Eindhoven. Ein anderer Leihspieler, in Berlin bestens bekannt, schlägt bislang jedoch nicht ein: Arne Maier ist in Bielefeld noch nicht angekommen.

Aus Berliner Sicht wird es also vor allem darauf ankommen, den spielfreudigen Japaner in den Griff zu bekommen und gegen eine kompakt verteidigende Defensive Ideen zu entwickeln.

Herthas Chance auf Wiedergutmachung

Für Hertha ist das Spiel auf der Alm vor allem eine Möglichkeit, das verkorkste Ende von 2020 und das insgesamt schwer zu ertragende letzte Kalenderjahr ein Stück weit ertragbarer zu machen. Der Auftritt gegen Schalke muss nun als Startpunkt für eine Serie dienen, will man in dieser Spielzeit noch etwas erreichen und nicht nur Schlimmeres verhindern. Mit Bielefeld, Köln, Hoffenheim und Bremen stehen nun vier Gegner auf dem Programm, die gemäß dem eigenen Selbstverständnis allesamt geschlagen werden können.

Dedryck Boyata und Javairo Dilrosun werden für diese Mission, wie auch schon in der vergangenen Woche, verletzungsbedingt nicht zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund und auch, weil insbesondere Torunarigha-Vertreter Omar Alderete seine Sache gegen Schalke außerordentlich gut gemacht hat, sind zunächst keine Änderungen in der Startelf zu erwarten. Womöglich kehren aber Santiago Ascacibar und Eduard Löwen zurück in den Kader.

*Titelbild: Clemens Bilan – Pool/Getty Images

Vorschau: Hertha BSC – FC Schalke 04: Duell der Pessimisten

Vorschau: Hertha BSC – FC Schalke 04: Duell der Pessimisten

Endlich ist 2020 vorüber: sehr viel Gutes konnten Hertha Fans im vergangenen Jahr nicht erleben, zumindest in sportlicher Hinsicht. Doch der Gegner der „alten Dame“ am Samstagabend erlebte ein Jahr, das so schnell nicht in Vergessenheit geraten wird. Der FC Schalke 04 beendete das Jahr mit einer Serie von 29 sieglosen Bundesligaspielen, nur vier Punkten aus den ersten 13 Spielen und eine hübsche rote Laterne. Wie groß die Sorgen in Gelsenkirchen sind, wie beide Mannschaften aktuell drauf sind und warum Hertha-Fans trotzdem noch vergeblich Ihren Optimismus für diese Partie suchen, wollen wir in unserem Vorbericht besprechen.

Dabei stand uns wieder Hassan Talib Haji (auf Twitter @hassanscorner) unterstützend zur Seite, der uns freundlicherweise seine Eindrücke aus dem Schalker Umfeld schilderte.

Horror-Serie und Trainerwechsel

Aus der Ferne betrachtet ist es weiterhin schwer vorstellbar, wie es zu dieser schwierigen Lage bei Schalke 04 kommen konnte. Wir wollten natürlich von unserem Experten wissen, ob er uns da weiterhelfen kann: „Aus der Ferne betrachtet ist das wirklich nicht ganz einfach. Ich glaube, dass es in der Mannschaft nicht ganz stimmt. Zudem macht Vorstand Jochen Schneider keinen souveränen Eindruck auf mich. Er vermittelt mir nicht das Gefühl, dass sich Schalke aus der schlechten Lage befreien kann.”

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Nur vier Punkte aus 13 Spielen, dazu nur acht erzielte Treffer und 36 (!) Gegentore: das ist zweifellos eine schreckliche Bilanz. So wirklich lässt sich das nicht erklären, Hassan drückt es wie folgt aus: „Jeder Gegner hat Schalke bisher vor große Probleme gestellt. Manche mehr, manche weniger. Es ist auf den Punkt gebracht halt so: Schalke kassiert zu viele Gegentore, schießt selbst kaum welche. So kann man dann auch nicht erfolgreich sein.“

Kein Wunder also, dass es noch vor Ende des Jahres zum Trainerwechsel kam. Christian Gross wurde schließlich Cheftrainer und wird am Samstagabend sein erstes Spiel mit seiner neuen Mannschaft bestreiten. Viel über den neuen Coach kann uns Hassan nicht sagen, doch eines ist für ihn klar: „Dass etwas passieren musste, war längst abzusehen. Ob der Trainerwechsel hin zu Gross sinnvoll war, zeigt sich ja noch. Notwendig war der Abgang von Baum aber auf jeden Fall.”

Klar ist: in Gelsenkirchen kann man sich kaum noch Punktverluste leisten. Erste Siege müssen geholt werden, um nicht bereits nach Abschluss der Hinrunde quasi schon abgestiegen zu sein. „Gross wird zunächst mal versuchen, die Verunsicherung aus den Köpfen der Spieler zu bekommen“, sagt Hassan und fügt hinzu: „Das wird vermutlich ein hartes Stück Arbeit.”

Mark Uth wieder da– Kolasinac noch nicht

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Auf wen der neue Trainer insbesondere setzen wird, ist noch unklar. Der zuletzt noch am Kopf verletzte Mark Uth wird wieder fit sein und in die Mannschaft zurückkehren. Unsicher dafür sind noch Salif Sané und Knappen-Kapitän Omar Mascarell. Fest steht, dass der Rückkehrer Sead Kolasinac noch nicht für die Partie am Samstagabend zur Verfügung stehen wird, da dessen Leihe erst am 04. Januar beginnt.

Auf die Frage, auf welche Spielelemente und auf welchen Spieler bei Schalke 04 Hertha ganz besonders Acht geben muss, antwortet Hassan: „Schalke ist leider oft nur phasenweise gut (…). Im Moment macht Schalke generell als Mannschaft keinen guten Eindruck. Da gibt es im Speziellen jetzt keinen, der besonders heraussticht.“ Immerhin konnte man sich im DFB-Pokal zuletzt gegen den SSV Ulm 1846 mit 3:1 durchsetzen. Dabei erzielte Benito Raman gleich zwei Treffer, ein Spieler der leider besonders gerne auch gegen Hertha BSC trifft (fünf Treffer in drei Aufeinandertreffen).

Personell wird man in der Hauptstadt jedenfalls auf Dedryck Boyata verzichten müssen. Der Kapitän wird in den nächsten Wochen aufgrund einer Fußverletzung ausfallen. Dazu ist Santiago Ascacibar noch nicht wieder einsatzbereit und eine Einwechslung von Mathew Leckie werden Hertha-Fans ebenfalls nicht erleben. Der Australier hat Probleme an der Bauchmuskulatur. Ansonsten sind alle Profis aktuell fit.

Same procedure as last year? Same procedure as every year.

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Während man sich in Gelsenkirchen existenzielle Sorgen macht und verzweifelt Punkte braucht, basieren die Berliner Ängste vor allem auf subjektiver Ebene. Für viele steht es nämlich schon geschrieben: der unbeliebte Gegner aus dem Ruhrpott kommt angeschlagen in die Hauptstadt, hat seit 29 Spielen nicht mehr gesiegt und jagt den Negativ-Rekord von Tasmania Berlin. Wie soll es da anders kommen, als das Hertha das Spiel verliert? So kennt man die „alte Dame“, als Aufbaugegner, als Mannschaft, die mit der Favoritenrolle nicht umgehen kann. „Same procedure as every year“, würde man fast schon aus „Dinner for one“ zitieren wollen. All diese Elemente sind jedoch weder objektiv noch irgendwie mit Fakten zu belegen.

Bruno Labbadia zumindest wollte in der Pressekonferenz vor der Partie von Pessimismus oder Ängsten nichts hören: „Erstens geh’ ich nie mit Furcht in ein Spiel, sondern mit Optimismus. Das sollte auch die Mannschaft machen. Und wenn einer die Serie fürchten muss, dann ist es der Klub, der die Serie hat. Wir machen uns weniger Gedanken darum, dass ein Rekord aufgestellt werden kann, da es ist nicht unserer ist.”

Warum sich Hertha trotzdem keine zu großen Hoffnungen machen sollte, erschließt sich aus der Beobachtung der letzten Partien. Tatsächlich zeigten Labbadias Spieler beim SC Freiburg im letzten Spiel des Jahres 2020 insbesondere in der ersten Halbzeit eine desolate Vorstellung. Grundlegende Elemente im Spiel funktionierten nicht, die Profs wirkten weder motiviert noch bereit, sich an taktische Vorgaben zu halten. Dazu traten sie erneut verstärkt als Individualisten auf, und nicht als geschlossene Einheit auf dem Platz.

Mal wieder zurück zu den “basics”

Ausreden gibt es nach dieser Partie also nicht. Das machte auch Bruno Labbadia nach dem Freiburg-Spiel klar, als er medial die Einstellung und taktische Disziplinlosigkeit seiner Mannschaft kritisierte. Zum ersten Mal gab es auch eine öffentliche Kritik des Chefcoachs an Matheus Cunha, der erneut enttäuschte. Während die Gerüchteküche im Berliner Umfeld wieder aufkocht, wird man sich am Schenkendorffplatz wieder um grundlegende Dinge kümmern müssen. Um die sogenannten fußballerischen „Basics“ und um die nötige Mannschaftseinstellung. Hertha-Fans werden sich zum Jahreswechsel jedenfalls wünschen, dass ihre Mannschaft diese Grundtugenden wieder auf dem Platz zeigen.

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Zum Jahreswechsel wünscht man sich schließlich einiges, bei Schalke 04 natürlich am allermeisten eine Rettung aus der schwierigen Lage. So geht es auch Hassan: „Selbstverständlich wünsche ich mir, dass der Klub da unten herauskommt und die Abstiegszone verlässt. Das wird ein harter und langer Weg.“ In Pandemie-Zeiten bleibt aber auch der Fußball nur eine Nebensache: „Persönlich hoffe ich natürlich, dass mein persönliches Umfeld und auch ich weiterhin gesund bleiben. Das wünsche ich euch natürlich auch.” Dem können wir uns an dieser Stelle nur anschließen.

Duell der Pessimisten

Das Duell am Samstagabend wird sicherlich kein Wunschkonzert und sonderlich optimistisch scheint wohl keines der Beiden Fanlager zu sein. Unser Experte ist da keine Ausnahme und tippt auf eine knappe Niederlage seiner Mannschaft. Nach Berlin fährt mit Gelsenkirchen ein angeschlagener Boxer, der kurz vor dem K.O. noch zum letzten großen Schlag ausholt. Dabei muss die „alte Dame“ darauf achten, diesen Schlag auszuweichen, um nicht selbst k.o. zu gehen. Hertha wird jede Kraft brauchen, um nicht wieder in alte Muster zu verfallen, und im Jahr 2021 endlich ein neues, besseres Gesicht zu zeigen. Aufbaugegner war man bereits in jüngerer Vergangenheit zu oft.

Egal welche Taktik Labbadia wählt, wie der Rasen aussieht, wie der Schiedsrichter pfeift oder was die Spieler gefrühstückt haben: im ersten Spiel des Jahres muss Hertha BSC siegen, um das Ruder umzudrehen. Ansonsten werden auch den geduldigsten Anhänger die Argumente ausgehen und ein weiteres Chaos-Jahr kann starten.

Titelbild: IMAGO