Herthaner im Fokus: Und täglich grüßt das unnötige Gegentor

Herthaner im Fokus: Und täglich grüßt das unnötige Gegentor

Das Spiel gegen den FC Augsburg am 13. Spieltag stand einzig und allein im Zeichen der Wiedergutmachung. Und in der Tat zeigte Hertha BSC ein anderes Gesicht im Vergleich zum blutleeren Auftritt beim Derby in Köpenick. Trotzdem zeigten sich alte Schwächen, die zum am Ende in einer ewig andauernden Nachspielzeit eiskalt bestraft wurden. Wir blicken auf ein Comeback und auf welche Leistungen aufgebaut werden muss, um endlich zurück in die Erfolgsspur zu finden.

Jurgen Ekkelenkamp: Endlich in der Startelf und auf der richtigen Position

Unter der Woche überlegte Pal Dardai bereits öffentlich ihn aufzustellen. Seinen Worten ließ er Taten folgen und ermöglichte Jurgen Ekkelenkamp einen Platz in der Startelf. Und das auch auf der richtigen Position.

Während Ekkelenkamp bei seinem letzten Startelf-Auftritt im Pokal gegen Preußen Münster glücklos auf der rechten Seite des Mittelfelds agierte, durfte er gegen den FC Augsburg auf der Zehn ran und die kreativen Geschicke leiten. Bis zur 67. Minute wirkte er mit, ehe er von Stevan Jovetic ersetzt wurde.

(Photo by Thomas Eisenhuth/Getty Images)

71 Prozent seiner Bälle brachte er an den Mann und gerade Stürmer Ishak Belfodil wusste er in Szene zu setzen, der dank des Niederländers immerhin zu einer Torchance kam und eine weitere nur knapp verpasste. Ekkelenkamp selbst bekam in der 61. Minute die Chance das Tor zu erzielen, als wiederum Belfodil ihn im Strafraum bediente. Unter Bedrängnis schoss er allerdings flach am Tor vorbei.

Auf diesem Auftritt lässt sich aufbauen. Wenn Ekkelenkamp in der Lage ist sein Durchsetzungsvermögen zu steigern, kann er sich zu einer enormen Waffe für das Spiel der Herthaner entwickeln. Sein Pressingverhalten und ständige Aktivität waren schon einmal gute Argumente. Zur Zeit sprechen allerdings seine schwachen Zweikampfwerte (nur 22 Prozent gewonnen) und die ausbaufähige Ruhe am Ball noch dagegen.

Ishak Belfodil: Aktuell die stärkste Alternative zu Stevan Jovetic

Zunächst wird sich der ein oder andere Hertha-Fan beim Blick auf die Aufstellung verwundert die Augen gerieben haben. Ishak Belfodil in der Startelf, während Krzystof Piatek und Davie Selke die Bank drückten. Dass Stevan Jovetic nach seiner Corona-Infektion noch nicht für die Startelf bereit war, sollte vor dem Spiel bereit klar gewesen sein.

Dardai sprach dem Algerier gute Trainingsleistungen zu und belohnte diese mit einem Platz in der Startelf. In seinen 73 Minuten Spielzeit war Belfodil ein echter Aktivposten, ihm fehlte lediglich das Glück und die nötige Ruhe vor dem Tor gegen einen gut aufgelegten Rafal Gikiewicz, wie bei seiner Chance aus spitzem Winkel in der 21. Spielminute.

(Photo by Thomas Eisenhuth/Getty Images)

Belfodil machte im Verlauf des Spiels viele Bälle fest, hatte mit 76 Prozent eine sehr passable Passquote und konnte so für viele gefährliche Offensivaktionen sorgen. Immer wieder ließ sich der Algerier intelligent ins Mittelfeld oder auf die Außenbahnen fallen, um als Anspielstation zu fungieren. So kam Herthas Offensivspiel deutlich besser ins Rollen. Aktuell hat er in der Stürmer-Hierarchie bei Hertha BSC ganz klar die Nase vor Davie Selke und Krystof Piatek.

Wenn es ihm noch gelingen sollte, entscheidende Zahlen vor dem Tor zu verzeichnen, hat er gute Chancen sich in der Startelf festzuspielen. Insbesondere besteht viel Potential im Zusammenspiel mit Jurgen Ekkelenkamp.

Suat Serdar: Unverzichtbar

Wieder einmal war Suat Serdar einer der besten, ja womöglich sogar der Beste, im Hertha-Spiel. 11 Kilometer Laufleistung zeigen seinen unermüdlichen Einsatz. Er verteilte stets Bälle am Fließband, kurbelte das Spiel enorm von hinten an und scheute sich nicht, die ein oder andere Grätsche auszupacken.

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(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Im Vergleich zum Derby in Köpenick vor einer Woche verdoppelte Serdar seine Zweikampfquote auf 62 Prozent gewonnener Zweikämpfe. Seine Leistung hätte er in der 62. Minute krönen können, als er sich mit Schnelligkeit und Wucht von der linken Seite aus dem Mittelfeld kommend in die zentrale Position dribbelte und lediglich am herausragend reagierenden Gikiewicz von der Strafraumgrenze aus scheiterte. Es war eine Aktion, die man in dieser Saison schon häufiger bei ihm beobachten konnte.

Wenn diese noch mehr Ertrag bringen würden, wäre Hertha sicherlich nicht auf dem Platz in der Tabelle, den sie aktuell inne haben.

Marco Richter: Aktivposten und Torjäger

Still und heimlich mausert sich Marco Richter zum Torjäger der Hertha. Nur gut, da eben genau so einer aktuell im Kader fehlt. Gegen Augsburg erzielte Richter seinen dritten Saisontreffer. So viele Tore schoss er für eben jenen FC Augsburg in der gesamten letzten Saison.

Er hat nicht viel Anlaufzeit benötigt und sich zu einem nicht wegzudenkenden Aktivposten auf der – meist rechten – Außenbahn entwickelt. Seine Tempoläufe und Antizipation auch ohne Ball können jeder Zeit für Gefahr vor dem gegnerischen Tor sorgen. Sein Tor, was er aufgrund seiner 9-jährigen Vergangenheit bei den Fuggerstädtern verständlicherweise sehr zurückhaltend zur Kenntnis nahm, war natürlich an Kuriosität nicht zu überbieten. Und genau dieses Tor zeigt das große Problem der Hertha. Ähnlich wie gegen Leverkusen am 11. Spieltag benötigte die Mannschaft einen Zufall und Fehler des Gegners.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Aktuell besitzt die Hertha einfach nicht die Kaltschnäutzigkeit, um aus ihren wenigen Chancen und kreativen Momenten ein Tor zu erzielen. Das Aufbau – und Kombinationsspiel, welches sich im Vergleich zur letzten Woche zwar deutlich gesteigert hatte, reicht auch noch nicht, um Tore herauszuspielen. Somit brauchte es einen Fehler des Abwehrspielers Robert Gumny, den Richter eiskalt ausnutzen konnte. Mit 49 Ballkontakten, 27 Pässen und einer Passquote von 70 Prozent war Richter einer der aktivsten Herthaner auf dem Feld.

Jordan Torunarigha: Starkes Comeback und für ein paar Sekunden gefeierter Held

Nach zweieinhalb Monaten feierte Jordan Torunarigha sein Comeback. Dass er das direkt in der Startelf tun würde, war ursprünglich nicht geplant. Da sich allerdings Marton Dardai bereits beim Warmmachen verletzte, musste Torunarigha ins kalte Wasser geworfen werden.

Dem Innenverteidiger war die fehlende Spielpraxis kaum anzumerken. Er gewann 100 Prozent seiner Zweikämpfe. Zugegeben, es war nur ein einziger, den er zu erledigen hatte. Mit vier Klärungsaktionen sorgte er des Öfteren für Ruhe im Strafraum, sechs abgefangene Bälle kamen hinzu. Während des gesamten Spiels hatte er es nicht ein einziges Mal nötig ein Foul zu ziehen. Für den Spielaufbau war Jordan Torunarigha ein wichtiger Baustein. 59 Ballaktionen, eine Passquote von 91 Prozent und drei seiner sechs langen Bälle fanden den Mitspieler.

Dieses starke Comeback hätte noch fast eine kitschige Note bekommen. In der 75. Minute erzielte er nach Vorarbeit von Stevan Jovetic ein Tor. Es wäre das wahrscheinlich vorentscheidende 2:0 gewesen. Der Jubel in der Ostkurve war emotional, sollte aber nur von kurzer Dauer sein. Auf Grund einer Abseitsposition wurde der Treffer aberkannt. Den bitteren Gegentreffer in der 7. Minuten der Nachspielzeit konnte aber auch er letztendlich nicht verhindern.

Trotzdem macht seine Leistung große Lust auf mehr und lässt die Hoffnung auf eine starke Abwehr weiter steigern.

Fazit: Ein Team, das lebt und im entscheidenden Moment den Fokus verliert

Als in der 77. Minute der FC Augsburg bei einer Aktion drei Schüsse hintereinander nicht im Tor unterbrachte, umarmten sich Torunarigha und Torhüter Schwolow innig. Man spürte, was für ein Druck auf ihnen lag.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Man sah ihnen aber auch an, wie sie füreinander einstehen, füreinander fighten und sich gegenseitig pushen. Das Team lebt. Doch reicht das, wenn es an Qualität fehlt? Wie viele Nackenschläge, ob blutleere Auftritte im Derby oder späte Ausgleichstreffer wie gegen Leverkusen und nun Augsburg, sorgen für einen lehrreichen Effekt? Ab wann sind Enttäuschung und Demoralisierung stärker, als die gesammelte Erfahrung und eine Trotzreaktion im nächsten Spiel?

Fakt ist, Hertha braucht Punkte und Siege um in ruhigere Fahrgewässer zu kommen. Die Konkurrenz macht es vor. In Stuttgart ist der nächste Schritt und die nächste Reaktion gefordert.

[Titelbild: Matthias Kern/Getty Images]

Herthaner im Fokus: Ein Derby zum Vergessen

Herthaner im Fokus: Ein Derby zum Vergessen

Das erste von drei Berliner Derbys in dieser Saison ist gespielt. In einer fragwürdiger Weise ausverkauftem Alten Försterei erlebte Hertha (mal wieder) ein uninspiriertes Duell gegen den Rivalen aus Köpenick. Wir wollen dennoch den Blick auf einige Herthaner und die wirklich wenigen Lichtblicke dieses Spiels werfen.

Peter Pekarik: Noch einer der besten

Dass hier der Name von Pekarik auftaucht ist symptomatisch für Hertha. Dass der Slowake auch mit 35 Jahren Stammspieler ist und dabei mit die besten Leistungen zeigt, lässt tief in die Kaderzusammenstellung der letzten Jahre blicken. Auch gegen Union war der dienstälteste Herthaner einer der auffälligsten Spieler der Blau-Weißen, hielt die rechte Seite dicht, wagte gelegentliche Vorstöße bis tief in die gegnerische Hälfte und flankte drei Mal.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Mit 29 von 33 angekommenen Pässen (88%) strahlte er zudem etwas Sicherheit aus. Krönung seiner Leistung war das aufgrund von Piateks Abseitsstellungen ein paar Spielsituationen vorher aberkannte Tor, welches den Spielverlauf potential hätte stark verändern können. Acht Ballverluste und nur 50% gewonnene Zweikämpfe (2 von 4) zeigen allerdings auch, dass Pekarik kein rundum gelungenes Spiel ablieferte.

Im Vergleich zu seinen Kollegen stach er dennoch in seinem Gesamteindruck positiv hervor. In der 70. Minute musste er aufgrund einer Systemumstellung den Platz für Jastrzembski machen.

Suat Serdar: Ohne ihn geht nichts

Und täglich grüßt das Serdar-Tier. Wie so oft war Suat Serdar der mit Abstand auffälligste Herthaner und wenn überhaupt etwas in der Offensive passierte, hatte Serdar seine Füße im Spiel.

Er gab zwei von acht Torschüssen ab, spielte zwei Schlüsselpässe und kurbelte das Spiel aus der Mitte heraus an. Er war es auch, der Pekarik in der 37. Minute in Szene setzte und dieser die bis dahin beste Chance im Spiel hatte (was ebenfalls noch einmal die gute Leistung von Pekarik hervorhebt). Mit nur vier von 15 gewonnen Duellen (27%) und einer Passquote von 59% (13 von 22) zeigte aber auch Serdar nicht sein bestes Spiel im Hertha-Dress.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Es bleibt dennoch festzuhalten, dass ohne ihn das im Koma liegende Offensivspiel der „Alten Dame“ ohne Zweifel endgültig tot wäre und der ehemalige Nationalspieler eines der ganz wenigen belebenden Elemente und absoluter Schlüsselspieler in dieser Saison ist. Er tut einem beinahe schon leid.

Santiago Ascacibar: So geht Derby

Es gibt kaum einen Spieler in Herthas Kader, der für ein Derby so sehr wie gemacht zu sein scheint, wie Santi Ascacibar. Und das zeigte sich einmal mehr in seinen überragenden Statistiken.

Mit 86 Pässen spielt er die zweitmeisten (nur Dardai hatte vier mehr), von denen 57 angekommen sind (84%). Auch von seinen langen Pässen landeten vier bei seinen Mitspielern Zudem hat der Argentinier trotz seine geringen Körpergröße fünf von sieben Kopfduellen gewonnen, im Gegenzug jedoch nur vier von neun Bodenduellen. Ein geklärter Ball, fünf abgefangene Bälle und ein Tackle unterstreichen seine ansonsten solide Defensivleistung allerdings, die bei nur ein Foul zudem äußerst fair stattfand.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Wenn der 24-Jährige weiterhin solche Leistungen abruft, wird es für Lucas Tousart zunehmend schwerer, seinen Stammplatz auf der Sechs zurückzuerobern, solange Dardai nicht wie heute mit einer Doppelsechs spielt.

Im Gegenzug zu vielen seiner Teamkollegen wirkte „Santi“ wie einer der wenigen, der erkannt hat welch eminent wichtiges Spiel heute stattfand und agierte bissig und kämpferisch, konnte sich alleine aber auch nicht mehr gegen die Niederlage stemmen.

Und dann waren da noch …

Marton Dardai: Nachdem Dardai schon am letzten Spieltag durch ein Foul in der Nachspielzeit den Leverkusener Ausgleich (mit-)verursachte, läutete er die gestrige Niederlage durch einen haarsträubenden Fehler in der 9. Minute ein. Der 19-Jährige ist vergleichsweise neu in der Bundesliga, „Wachstumsschmerzen“ sind daher zu erwarten und gehören ein Stück weit dazu. Hinzukommt, dass Dardai zuletzt immer wieder körperlich bedingt ausfiel – in der Länderspielpause musste er mit Erkältung von der U21 abreisen – und dadurch wenig Rhythmus hat.

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(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Maxi Mittelstädt: Zeigt auf der offensiven linken Außenbahn weiterhin seine gute Form, schlug drei Flanken und hatte eine Passquote von 74%. Wenn in der 1. Halbzeit offensiv etwas passierte, so war es meist über Mittelstädt. Warum er in der 60. Minute weichen musste, erschließt sich von Außen nicht. Vermutlich, weil auch seine offensiven Ideen zu nichts führten.

Alexander Schwolow: Obwohl Schwolow auch in dieser Saison noch nicht 100% in Berlin angekommen zu sein scheint, lieferte er heute ein solides Spiel ab. Für die zwei Gegentore trug er keine Verantwortung. Gegen Kruse hielt er zwei Mal sehr stark und durch ein gut antizipiertes Herauslaufen in der 70. Minute konnte er ein 1 gegen 1 in einer Unioner Kontersituation präventiv verhindern.

[Titelbild: Martin Rose/Getty Images]

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – 1. FC Köln

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – 1. FC Köln

Hertha BSC hat es geschafft, trotz Quarantäne und Verletzungsproblemen. Auch in der kommenden Saison wird man in der ersten Bundesliga spielen. Am Ende hat ein spielerisch unschönes 0:0 gegen den 1. FC Köln gereicht. In einer zerfahrenen Partie kommt Hertha nur einmal zum Abschluss, lässt aber auch wenig zu. Wir blicken auf das Spiel und einige Einzelleistungen zurück.

Als Team zum Klassenerhalt

Hertha ging es am Samstagnachmittag von Anfang an nur darum, nicht gegen Köln zu verlieren. So bemühte man sich vor allem darum, kein Gegentor zu kassieren. Bei dem hohen Spielrhythmus und den vielen Ausfällen im Team war aber auch kein fußballerischer Leckerbissen zu erwarten. Die Berliner zeigten kaum Ambitionen, offensiv am Spiel teilzunehmen und fokussierten sich stark darauf, im 4-2-3-1 mit Mittelfeldpressing als Team zu verteidigen. Dieser Plan ging auf. Köln kam kaum zu gefährlichen Abschlüssen und am Ende reichte das 0:0 durch die Ergebnisse in den anderen Spielen, um den Abstieg zu verhindern. Pal Dardai und sein Team haben ihre Aufgabe erfüllt. Man hat den Zusammenhalt im Team gestärkt, eine Mannschaft geformt und diese zum Klassenerhalt geführt. Wie so oft in den letzten Wochen basierte auch der Erfolg in Köln nicht auf Einzelleistungen, sondern auf einer geschlossenen Mannschaftsleistung. So fällt es gar nicht so leicht, die Leistungen einzelner Spieler genauer zu betrachten. Über einige Spieler lohnt es sich aber dennoch, ein paar Worte zu verlieren.

Marton Dardai – Auch auf der Sechs gut

Im vorletzten Spiel der Saison startete Marton Dardai, die Entdeckung dieser Saison, erstmals nicht auf seiner angestammten Position in der Innenverteidigung, sondern eine Reihe weiter vorne auf der Sechs. Von Adaptionsschwierigkeiten oder einer nennenswerten Eingewöhnungszeit kann man aber nach dem Spiel nicht wirklich reden. Nicht unbedingt überraschend, denn bereits in der Jugend wurde er immer wieder im Mittelfeld eingesetzt.

Seine gute Leistung gegen Köln stützt sich dabei vor allem auf seine Zweikampfstärke. Noch mehr als in der Innenverteidigung, wurde er in direkte Duelle verwickelt und ging zumeist als Sieger hervor. Insgesamt führte er in der Luft und auf dem Boden 13 Zweikämpfe, neun davon gewann er. Meistens schaffte er es auf sehr clevere Weise und gar nicht unbedingt durch physische Präsenz, dem Gegner den Ball vom Fuß zu spielen. Nur bei einer Szene kann man ihm einen kleinen Vorwurf machen. In der 17. Minute kam Köln zu einem nicht ungefährlichen Abschluss, auch weil Dardai nicht rausrückte, um näher am Gegenspieler zu stehen. Glücklicherweise parierte Alexander Schwolow jedoch gut zur Seite.

In den wenigen Szenen im Spielaufbau kippte Dardai hin und wieder zwischen die Innenverteidiger ab und ließ so das Kölner Pressing ins Leere laufen. In einem Spiel, in dem Hertha insgesamt nur wenige ruhige Ballbesitzphasen hatte, konnte Dardai nicht allzu viel von seinem guten Passspiel zeigen. Zwei spannende längere Pässe konnte er aber dennoch einstreuen. Auch nach Ballgewinn fand er stets seinen Mitspieler und machte kaum Fehler. Dies schlägt sich auch in seiner Passquote von 89 % nieder. So kann Marton Dardai, der unter der Woche einen langfristigen Vertrag bis 2025 unterschrieb, auch in Zukunft eine sinnvolle Back-up-Option für die Sechs sein.

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Omar Alderete – Ungenau, aber nicht unwichtig

Die eben erwähnte Passstärke von Dardai hat Omar Alderete auf jeden Fall nicht. Das konnte man auch im Heimspiel gegen Köln wieder feststellen (75 % Passquote). Gleich zwei gefährliche Fehlpässe, die direkt in den Fuß des Gegenspielers kamen, in den ersten 20 Minuten des Spiels dürften sicherlich den ein oder anderen Herthafan erzürnt haben. Es war zu großen Teilen den Kölnern, die mit dem plötzlichen Ballgewinn nicht viel anzufangen wussten, zu verdanken, dass diese Situationen nicht wirklich gefährlich wurden.

Fairerweise muss aber auch erwähnt werden, dass Alderete über weite Teile des Spiels der Einzige aus der Viererkette war, der sich überhaupt um ein vertikales Spiel bemühte. Wenn man es mal geschafft hat, die Hochgeschwindigkeitsspieler in der Offensive in das Spiel mit einzubeziehen, war Alderete nicht selten beteiligt. Insgesamt fehlt ihm aber weiterhin die Konstanz in seiner Spieleröffnung. Zu viele Bälle landen ziellos beim Gegner.

Gegen den Ball war Alderete eher unauffällig. Das ist bei Innenverteidigern aber nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen. So hat auch Alderete einen wichtigen Anteil daran, dass Köln es nicht schaffte, ein Tor zu erzielen. Er gewann alle seine Zweikämpfe am Boden, die er gewohnt robust führte und klärte insgesamt sechs Bälle. Um sich für die kommende Saison als Stammspieler zu empfehlen, reichte diese Leistung aber sicherlich nicht aus.

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Mathew Leckie – Offensiv nicht existent

Für Mathew Leckie könnte es bereits das letzte Spiel im Trikot von Hertha BSC gewesen sein. Sein Vertrag läuft in wenigen Wochen aus und am 34. Spieltag könnte er mit der Rückkehr von Dodi Lukebakio wieder auf die Bank rotieren. Für eine gute Eigenwerbung wird die Leistung gegen Köln aber zu wenig gewesen sein. Über die rechte Außenbahn sollte er das Umschaltspiel mit seinem Tempo bereichern. Letztendlich war er aber an keiner der wenigen Offensivaktionen wirklich beteiligt. Wenig nachvollziehbar war auch, dass er in der ersten Hälfte immer wieder das Zentrum besetzte, anstatt dem Spiel über den Flügel mehr Breite zu geben. So war er nicht ganz unschuldig daran, dass Hertha insgesamt nur zu einem Abschluss kam.

Bei der Arbeit gegen den Ball kann man ihm keine Vorwürfe machen. Diszipliniert verteidigte er zusammen mit Lukas Klünter auf der rechten Seite und sorgte dafür, dass die Kölner über diese Seite nur zwei Flanken schlagen konnten, von denen keine ankam. Das und fehlende Alternativen werden auch die Gründe dafür gewesen sein, dass Leckie bis zum Abpfiff durchspielte.

So neigt sich seine Zeit bei Hertha dem Ende und es bleiben seit seinem Wechsel 2017 nur wenige positive Erinnerungen. Auch das Spiel bei wechselhaftem Wetter am Samstagnachmittag gegen Köln konnte daran nicht viel ändern.

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Und dann waren da noch…

Jonas Michelbrink:

Auch in seinem zweiten Bundesligaspiel machte der technisch starke Zehner aus der eigenen Akademie wieder auf sich aufmerksam. Mehrfach stellte er seine gute Ballführung und Wendigkeit unter Beweis. Man konnte ihm ansehen, wie gerne er den Ball am Fuß hat. Teilweise verhielt er sich aber noch etwas zu lässig und defensiv nicht immer allzu diszipliniert. Das gefiel Trainer Dardai nicht so sehr und rief daher von der Bank: „Jonas, das ist die A-Mannschaft. Da musst du zurücklaufen!“. Michelbrink ist aber definitiv ein Spieler, der das Spiel von Hertha mit seiner Kreativität bereichern kann. Man darf gespannt sein, welche Rolle er in der kommenden Saison spielen wird.

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Javairo Dilrosun:

Der junge Niederländer half auch gegen Köln wieder im zentral offensiven Mittelfeld auf der Zehn aus. Insgesamt blieb er aber recht unauffällig und hatte kaum wichtige Aktionen. Nur zwanzig Ballaktionen und elf Pässe verbuchte Dilrosun. Zu oft befand er sich im Deckungsschatten der Kölner und nicht immer stimmte die Abstimmung mit Sturmspitze Jessic Ngankam. Sobald Vladimir Darida und Matheus Cunha wieder spielen können/dürfen, wird Dilrosun also wieder auf die Außen rücken.

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Herthaner im Fokus: VfB Stuttgart – Hertha BSC

Herthaner im Fokus: VfB Stuttgart – Hertha BSC

So wirklich zufrieden kann Hertha BSC mit dem Punktgewinn beim VfB Stuttgart nicht sein. Wie schon öfters in dieser Saison kamen die Berliner in der ersten Halbzeit nicht in die Partie. Nach einer grausigen Leistung in Halbzeit eins lief man lange einem Rückstand hinterher, bevor der junge Luca Netz doch noch einen Auswärtspunkt sicherte. Wie jede Woche versuchen wir etwas detaillierter auf einzelne Spielerleistungen einzugehen.

Herthas Problem ist jedoch schon länger die Tatsache, dass Individualitäten an sich nichts bedeuten, wenn die Profis sich nicht als Mannschaft verstehen. Auch unter Pal Dardai hat sich eines noch nicht verändert: Hertha BSC ist noch keine Einheit auf dem Platz. In Stuttgart war die erste Halbzeit ein kollektives Versagen. Wir versuchen trotzdem auf individuelle Spielerleistungen einzugehen.

Mannschaftspressing Fehlanzeige – Defensive Standardschwäche

Eigentlich sah es in den ersten Minuten nicht verkehrt aus. Hertha übte in den ersten Momenten des Spiels ein hohes Pressing auf die Stuttgarter Spieler aus, an dem sich alle Blau-Weißen beteiligten. So wurde der Spielaufbau des VfBs schon in deren Hälfte des Feldes gestört, Herthas Profis trauten sich Vorstöße zu und konnten mehrere Bälle erobern.

Doch nach etwa zehn Minuten verschwand dieses Mannschaftspressing von Hertha fast komplett. Von Minute zu Minute wurde die Defensive immer individueller geführt. Nur noch einzelne Spieler pressten die Schwaben und wurden dabei relativ einfach umspielt. Dies führte dazu, dass die Gastgeber immer besser ins Spiel kamen und deutlich dominanter auftraten als die Gäste. Herthas Verteidiger waren zunehmend im Blickpunkt. Peter Pekarik und Maximilian Mittelstädt kamen in der ersten Halbzeit nur zu wenigen Vorstößen, die auch schnell verpufften.

Foto: IMAGO

Herthas Innenverteidigung blieb trotz allem weitestgehend stabil und erlaubte sich nur wenige grobe Fehler. Auffällig war in beiden Halbzeiten, dass der Spielaufbau von Hinten oft von Omar Alderete übernommen wurde. Dieser hatte jedoch große Schwierigkeiten, seine Mitspieler zu finden. Immer wieder musste er lange Bälle schlagen, die nur selten ankamen. Zudem verlor er den Ball gleich zwei Mal in gefährlicher Lage vor dem eigenen Strafraum, was zu Chancen für den VfB führte.

In der wohl schlechtesten Phase, die Schlussviertelstunde der ersten Halbzeit, war Pal Dardais Team insbesondere defensiv schwach. Defensivstandards wurden außergewöhnlich schlecht verteidigt. Mehrmals standen bei Eckbällen und Freistöße gleich zwei oder sogar drei gegnerische Spieler frei im Strafraum und konnten auf Jarsteins Kasten köpfen. So war es keine große Überraschung mehr, als Sasa Kalajdzic in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit völlig frei zum Flugkopfball kam und traf. Hertha ging mal wieder mit einem Rückstand in die Halbzeitpause.

Steigerung in Halbzeit zwei – Eiskalt eingenetzt

In der zweiten Halbzeit hatte Hertha BSC deutlich mehr Spielanteile. Dadurch wurde auch die Defensive entlastet und Herthas Außenverteidiger konnten etwas mehr Vorstöße riskieren. Vor allem Maximilian Mittelstädt wurde auf seiner linken Seite aktiver. Dieser versuchte einige Vorstöße und schlug einige Flanken. Dabei fehlte erneut die Präzision, sodass er trotz großen Aufwands kaum eine Chance einleiten konnte. Seine Passquote (nur 67 Prozent) war am Ende leider eine der schwächsten auf dem Platz. Auch seine Zweikampfquote war mit 42 Prozent nicht besonders zufriedenstellend. Im Vergleich wies der etwas defensiver agierende Peter Pekarik eine Passquote von 86% auf.

Beide Verteidiger wurden schließlich zehn Minuten vor Schluss ausgewechselt. Mathew Leckie und Luca Netz kamen in die Partie. Der 17-Jährige krönte sich nach nur drei Minuten zum jüngsten Torschützen der Hertha-Geschichte. Sein etwas glücklicher Treffer zum Punktgewinn kommt dabei nicht allzu überraschend. Schon in seinen ersten Einsätzen für die Profis war er insbesondere durch seine gefährlichen Vorstöße aufgefallen.

(Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Obwohl der junge Berliner noch am Anfang seiner Entwicklung steht, wird ihn sein erstes Bundesligator sicherlich beflügeln. Seine Sorglosigkeit tat jedenfalls seiner Mannschaft in der Schlussphase gut und sorgte dafür, dass die „alte Dame“ nicht erneut mit leeren Händen nach Hause fliegen musste.

Hört auch im Hertha Base Podcast rein: in der aktuellen Folge besprechen wir das Auswärtsspiel in Stuttgart!

Khediras Einwechslung bringt neuen Schwung

Ausschlaggebend dafür war auch ein gewisser Sami Khedira. Der 33-Jährige schlug die Vorlage für seinen fast doppelt so jungen Mitspieler. Erst in der 58. Minute wurde er für Santiago Ascacibar eingewechselt. Der Südamerikaner zeigte sich wie schon gegen Eintracht Frankfurt und FC Bayern München bissig und fleißig.

Foto: Matthias Hangst/Getty Images

Allerdings ging er genauso wie seine Mitspieler in der ersten Halbzeit komplett unter. Ascacibar gewann nur wenige Zweikämpfe (Zweikampfquote 29 Prozent) und stand oft nicht richtig. Außerdem erlaubte er sich Foulspiele in Strafraumnähe, die zu gefährlichen Freistöße für seinen Ex-Klub führten. Auch Matteo Guendouzi hatte große Schwierigkeiten, auf der offensiven zentralen Mittelfeldposition für Aufsehen zu sorgen. Das tat der Franzose vielmehr im negativen Sinne, da er sich einige schmerzhafte Ballverluste erlaubte.

Die Einwechslung von Sami Khedira brachte sofort eine spürbare Dominanz und Ruhe zurück in das zentrale Mittelfeld. Der Weltmeister hatte fast genauso viele Ballaktionen wie Ascacibar (mit weniger Spielzeit) und zeigte sich dafür zweikampfstark und passgenau. Einige Bälle des VfBs konnte er abfangen. Seine fehlende Spritzigkeit und Geschwindigkeit machte er mit gutem Stellungsspiel wieder wett. Hinzu kommt seine so wichtige, aber auch etwas zufällige Torvorlage für Netz.

Herthas Suche nach der Achse

Außerdem gab er Lucas Tousart (von Sky-Kommentatoren neuerdings “Nicolas Toussart” getauft) mehr Sicherheit. Der Franzose war bis dahin im Vergleich zu seinen Mitspielern im zentralen Mittelfeld einer der aktivsten. Er führte viele Zweikämpfe und unterbrach einige Angriffe der Schwaben.

Er steigerte sich aber nach der Einwechslung von Khedira nochmal spürbar und konnte mehr Akzente nach vorne setzen. In der Schlussphase (85.) beispielsweise, als er einen Konter mit einleitete und Nemanja Radonjic in die Spitze schicken konnte. Am Ende war er mit 12,87 gelaufene Kilometer auch der laufstärkste Spieler auf dem Platz.

Herthas Achse steht also weiterhin nicht fest. Lucas Tousart dürfte wohl nach zuletzt drei guten Auftritten in Folge gesetzt sein. Matteo Guendouzi strahlte hingegen zuletzt weniger Frische und Spielwitz als noch vor einigen Monaten aus. Die neue Rolle von Sami Khedira könnte da ein wichtiger Faktor werden. Dessen Präsenz scheint seine Mitspieler zu beflügeln und zumindest ein wenig Ruhe in das Chaos zu bringen. Die nächsten Wochen werden zeigen, wer sich im zentralen Mittelfeld endgültig durchsetzen kann. Dardai muss mal wieder Lego spielen.

Matheus Cunha – Weiter glücklos

Endgültig durchgesetzt hat sich Matheus Cunha bei Hertha schon lange. Doch der wohl gefährlichste Spieler in den Berliner Reihen wartet mittlerweile schon seit November 2020 auf einen eigenen Treffer. Nachdem er kurz vor Ende der Partie gegen Bayern schon eine Riesenmöglichkeit vergeben hatte, bekam er auch in Stuttgart einige Möglichkeiten. Viele dieser Möglichkeiten leitete er selbst ein.

Der Brasilianer war erneut ein Aktivposten, war für seine Gegenspieler nur sehr schwer zu halten und zeigte sich auch im Pressing und in Defensivzweikämpfen sehr fleißig. Er gewann die meisten Berliner Zweikämpfe (22) und war erneut mit Abstand der Spieler auf dem Platz mit den meisten erfolgreichen Dribblings (8). Was bei ihm erneut fehlte, war der Glück im Abschluss.

(Photo by RALPH ORLOWSKI/POOL/AFP via Getty Images)

Lob gab es diese Woche dafür vom neuen Mitspieler Sami Khedira: „Matheus Cunha ist ein unfassbarer Fußballer“. Doch gerade im Abstiegskampf wird seine Qualität auch zu Toren führen müssen. Die Enttäuschung über die vergebenen Chancen war Matheus Cunha immer wieder anzumerken. Gegen den Ex-Club Leipzig bekommt der 21-Jährige die nächste Chance, die Durststrecke zu beenden.

Nemanja Radonjic – noch kein Durchbruch

Ebenfalls enttäuscht von der eigenen Leistung dürfte Nemanja Radonjic sein. Der Neuzugang war wie schon im ersten Einsatz gegen Bayern in einigen Szenen zu sehen. Dass Geschwindigkeit allein nicht zum Erfolg führt, ist selbstverständlich. Warum der junge Flügelstürmer allerdings auf seine stärkste Waffe im entscheidenden Moment verzichtete, bleibt ein Rätsel. Gleich zwei Mal lief der Serbe gegen Stuttgart mit dem Tempo eines Windhundes seinen Gegenspielern davon, beide Male stoppte er jedoch völlig unerklärlich ab und ging ins Dribbling.

Somit gab er seinen Vorsprung freiwillig auf und schaffte sich unnötige Hindernisse. Dazu verstolperte er mehrere Bälle und war mitverantwortlich dafür, dass Herthas Angriffe in der Schlussphase zu oft nicht zu Ende gebracht wurden. Womöglich bremste ihn auch eine leichte Verletzung. Über die vergebenen Chancen dürfte er sich trotzdem tierisch ärgern.

Lukebakio mehr Flamingo als Känguru

Wer „tierisch“ liest, musste diese Woche schnell an Pal Dardai denken. Dieser gab in der Pressekonferenz einen kleinen Exkurs über Kängurus und erklärte, welche Gemeinsamkeiten dieses Tier mit Dodi Lukebakio hat. Ähnlich wie ein rotes Känguru also, soll Dodi Lukebakio sein. Da müssen wir ihm leider widersprechen. Auch wir bei Hertha BASE sind nämlich echte Tierexperten.

Kängurus sind kräftige Tiere, die sich nur schwer aus dem Gleichgewicht bringen lassen und zum Teil auch durch ihre Körpergröße bedrohlich wirken können. Was die Physis angeht, ähnelt Dodi Lukebakio in der Tierwelt vielleicht eher dem Flamingo, der mit einem Fuß sein ganzes Körpergewicht hält. Ein solches kann man durch einen kleinen Schubser schon aus dem Weg räumen. Wie auch in so vielen Partien in dieser Spielzeit konnte sich der Belgier nämlich körperlich nie gegen seine Gegenspieler durchsetzen.

Foto: IMAGO

Die vom Cheftrainer gelobte Geschwindigkeit des Angreifers konnte dieser ebenfalls nur selten unter Beweis stellen. Zu oft stand am Ende eines Vorstoßes nur ein einfacher Ballverlust. Zu oft war schnell die Enttäuschung in seinem Gesicht zu lesen. Allgemein war die Körpersprache von Dodi Lukebakio wieder alles andere als inspirierend. Seine Mitspieler wird er damit sicher nicht mitreißen können. Ob Flamingo oder Känguru: der belgische Nationalspieler spielt bisher eine höchst enttäuschende Saison.

Alligatoren oder Schafe und Lämmer – Hertha braucht einen Leitwolf

Lukebakio ist nicht der Einzige, der bisher in dieser Saison seine Charakterstärke vermissen lässt. Pal Dardai muss nicht wie befürchtet „20 Alligatoren“ managen, doch eine Mannschaft voller Schafe und Lämmer möchte ein Trainer sicherlich auch nicht haben. Momentan ist die blau-weiße Truppe noch ein bunter Haufen völlig unterschiedlicher Spieler und Charakter, mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen. Die fehlende Kohäsion der Spieler untereinander war in der ersten Halbzeit gegen Stuttgart stark zu spüren. Dabei sah das Team weniger nach einer hungrigen Wolfsmeute und eher wie die Arche Noah aus.

Vielleicht kann ein Alpha-Tier, ein Leitwolf diese Meute doch noch vereinen. Die Hoffnung auf eine zufriedenstellende Saison ist nach den letzten Ergebnissen jedenfalls verschwunden. Jetzt bleibt noch die Hoffnung, den kompletten Absturz zu verhindern. Dafür wird die „alte Dame“ auch im schweren Programm der nächsten Wochen punkten müssen.

*Titelbild: IMAGO

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – 1. FC Union Berlin

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – 1. FC Union Berlin

Nach einer ereignisreichen Woche konnten Hertha-Fans am Freitagabend einen sportlichen und emotionalen Höhepunkt erleben. Mit 3:1 setzte sich Hertha BSC gegen den Stadtrivalen 1. FC Union Berlin durch und holte sich so den Derbysieg. Vom Fahnenmeer über die „Aktion Herthakneipe“-Trikotaktion bis zum Erfolg im Olympiastadion: es war einfach eine sehr gelungene Woche für die Blau-Weißen! Trotzdem wollen wir die immer noch frische Derbysieg-Euphorie einen kurzen Moment lang runterdrehen, um uns wie gewohnt die Leistungen einzelner Herthaner etwas näher anzuschauen.

Peter Pekarik – zweiter Frühling als Torjäger

Den Anfang wollen wir mit dem Spieler machen, der unter Bruno Labbadia so etwas wie einen zweiten (dritten? vierten?) Frühling erlebt. 19 Pflichtspiele unter Bruno Labbadia: drei Treffer und zwei Torvorlagen. Nicht allzu lang ist es her, da galt Peter Pekarik noch mit 150 Bundesligaeinsätzen ohne Treffer als einer der torungefährlichsten Spieler der Bundesliga. Jetzt ist er so torgefährlich wie noch nie in seiner Karriere.

Noch beeindruckender ist allerdings die Tatsache, dass sich der 34-Jährige wider Erwarten bei Hertha gegen mehrere jüngeren Konkurrenten als rechter Verteidiger durchgesetzt hat. Im Derby zeigte sich der dienstälteste Herthaner (im Verein seit 2012) wieder in sehr guter Verfassung und machte ein sehr gutes Spiel. Knapp zwölf Kilometer lief er, ackerte unermüdlich auf seiner rechten Außenbahn und war dort sehr präsent. Obwohl Herthas Spiel insbesondere in Halbzeit eins eher linkslastig war, war er immer wieder zu sehen und hatte einige Aktionen nach vorne. Dazu kamen 94% seiner Pässe an.

Foto: IMAGO

Bereits in der zweiten Minute konnte Pekarik all seine Erfahrung und Ruhe zeigen, als er sekundenlang einen langen Ball von Union abschirmte und einen Abstoß für sein Team herausholte. Durch die taktische Aufstellung in der ersten Halbzeit schaltete er sich öfters in die Offensive mit ein, ohne seine defensiven Aufgaben zu vernachlässigen. In seinen Vorstößen wurde er dabei von Lucas Tousart abgesichert, der sich auf der rechten Seite fallen ließ. Doch die Taktik funktionierte gegen der gut organisierten und kompakten Abwehr der Unioner nicht wirklich. Kein Wunder also, dass Pekariks Treffer erst in der zweiten Halbzeit fiel, nachdem Bruno Labbadia sein Team zurück in ein 4-2-3-1 umgestellt hatte. Auch im bekannten System überzeugte der Slowake und ließ sich auch bei den wenigen Gegenangriffen der Unioner nicht überspielen. 

Pekarik weiß wohl am Besten im aktuellen Hertha-Kader, wie wichtig ein Derby für Fans und Umfeld ist. Er zeigte sich dabei stets auf der Höhe und macht es somit seiner Konkurrenz auf seiner Position nicht leicht. Für Hertha ist er momentan wichtiger denn je.

Mattéo Guendouzi – Like a Boss

In einer eher schwachen Partie, in der Hertha erneut große Schwierigkeiten hatte, Chancen zu kreieren, konnte Mattéo Guendouzi positiv herausstechen. Der Franzose zeigte sich von der ersten Minute an hochmotiviert und sehr präsent im Spielaufbau. Dass die linke Seite von Hertha in der ersten Halbzeit deutlich mehr bespielt wurde, als die rechte, lag auch an ihm. Links orientiert holte er sich viele Bälle aus der eigenen Hälfte und aus dem Mittelfeld. Er war immer anspielbar und deutlich bemüht, dem Spiel seinen Stempel aufzulegen, was sich auch am Laufwert zeigte (11,75 Kilometer).

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Die bereits angesprochene Taktik von Hertha in Halbzeit eins sorgte dafür, dass sich Guendouzi oft bei Gegenangriffen von Union Berlin auf der linken Verteidigerposition wiederfand. So musste er beim 0:1 unglücklicherweise im Mittelpunkt stehen, als er nach einer Fehlerkette der Defensive Unions Stürmer Taiwo Awoniyi nicht mehr am Schuss hindern konnte. Das Offensivspiel der Blau-Weißen war trotz der Bemühungen von Arsenals Leihgabe so gut wie wirkungslos, da Union Berlin bestens auf Herthas Taktik eingestellt war.

Das änderte sich in der zweiten Halbzeit nach der taktischen Umstellung. In einer Doppelsechs bzw. Doppelacht übernahm Guendouzi den offensiven Part und überließ die Absicherung meistens Niklas Stark. Dadurch bekam er mehr Raum und zeigte immer mehr seine Qualität. Mit Javairo Dilrosun spielte er zum ersten Mal zusammen. Beide harmonierten zeitweise recht ordentlich, insbesondere in der letzten halben Stunde. Der „vorletzte“ Pass kam bei Herthas Angriffen dabei oft vom Franzosen: erst fand er Matheus Cunha beim 1:1, dann Dilrosun zum 3:1. Auch kurz vor Schluss bereitete er die Großchance des Niederländers vor.

Ab und an agierte der junge Franzose auch im Derby allerdings etwas übereifrig und hätte mit dem einen oder anderen misslungenen Risikopass auch einen gegnerischen Konter einleiten können. Es bleibt aber bei einer soliden Partie von Guendouzi, der sich langsam zum Leader im Mittelfeld entwickelt. Im Kopf bleibt auch sein Jubel vor der leeren Ostkurve, bei dem er mit imaginären Fans abklatschte und ihnen sein Trikot zuwarf. Hertha hat sich für diese Saison mit Guendouzi einen sehr guten Fußballer geholt, der darüber hinaus sofort verstanden hat, wie wichtig ein Derbysieg für Hertha-Fans und im Umfeld ist.

Javairo Dilrosun – eine überraschende Rückkehr

Seine Einwechslung kam etwas überraschend: in den letzten drei Bundesligapartien von Hertha BSC bekam Javairo Dilrosun nicht eine Minute Einsatzzeit. Schon nach 45 Minuten kam er jedoch im Derby rein, genauso wie Krzysztof Piatek. Die fehlende Spielpraxis war in den ersten 15 Minuten des Niederländers deutlich zu spüren: oftmals war er einen Schritt zu spät, traf mehrmals die falsche Entscheidung und war kaum im Spiel eingebunden. Von Minute zu Minute steigerte er sich jedoch und zeigte sich immer besser im Zusammenspiel mit Mattéo Guendouzi und Marvin Plattenhardt. Seine Einwechslung sollte darüber hinaus noch entscheidend werden: an beiden Treffern von Piatek war er unmittelbar beteiligt.

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Dilrosun war bisher in dieser Saison so etwas wie ein Rätsel, doch im Derby konnte er insbesondere in den letzten 30 Minuten wieder zeigen, was ihn als Spieler ausmacht und wie wichtig er für Herthas Spiel werden kann. Trotz Überzahl hatten die Spieler der „alten Dame“ nämlich weiterhin Probleme, sich Großchancen zu erarbeiten, und die kompakte Defensive aus Köpenick zu knacken. Sollten sich diese Probleme auch in den nächsten Spielen zeigen, könnte ein fitter und formstarker Dilrosun eine echte Waffe sein.

Kristof Piatek – vom Problemspieler zum Derbyhelden

Last but not least wollen wir uns mit dem Spieler beschäftigen, der wohl für die größte positive Überraschung bei Hertha-Fans sorgte. Der Pole wurde seit Monaten in Medien und sozialen Netzwerken oftmals kritisiert. Trotz seiner eindeutigen Qualitäten wurden Zweifel groß, dass er nicht zum System von Bruno Labbadia passe. In der laufenden Saison konnte er leider auch nur wenig Argumente für sich sammeln, bekam zunächst wenig Einsätze und fand erst nach der Verletzung von Jhon Cordoba zurück in die Startelf. Es folgten zwei schwache Einsätze gegen Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen und im Derby musste er zunächst auf der Bank Platz nehmen.

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Doch um die Kritik, zumindest zeitweise, verstummen zu lassen, suchte sich der polnische Nationalspieler doch das richtige Spiel aus. Nach 45 Minuten wurde er eingewechselt, sein erster Schuss sorgte noch in der 69. Minute nicht gerade für Applaus. Doch dann war das Glück beim 2:1 auf seiner Seite, als sein Schuss unhaltbar für Luthe abgefälscht wurde. Beim 3:1 bewies „il pistolero“ seine wohl größte Qualität: sein absoluter Torriecher vor den Kasten. Auch seine gute Schusstechnik war im Derby gut zu erkennen und kurz vor Schluss hätte Piatek auch noch seinen Hattrick perfekt machen können, als er per Weitschuss den Unioner Keeper prüfte.  

Das Offensivspiel der „alten Dame“ war wie bereits angesprochen auch trotz der drei Treffer nicht gerade das gelbe vom Ei. Trotzdem konnte der Pole dabei zwei wichtige Tore im Derby erzielen, die so schnell nicht unter Hertha Fans vergessen werden: er ist schließlich der erste Doppeltorschütze dieser Konfrontation. Sicherlich räumt das nicht alle Zweifel aus dem Weg, es bleibt fraglich, ob sich Piatek langfristig in Labbadias Mannschaft etablieren kann.

Seine Werte sind jedenfalls alles andere als schlecht: in 1.415 Spielminuten für Hertha schoss er immerhin acht Tore und drei Torvorlagen. Sollte er auch in den nächsten Partien seine Tore schießen, wird es auch für die größten Zweifler schwer werden, den Wert des Spielers für Hertha BSC zu verkennen. Nach dem Spiel wurde Krzysztof Piatek noch gefragt, ob er nicht ein Wort auf Deutsch sagen wolle. Seine Antwort, breit grinsend, könnte der perfekte Abschlusssatz unserer Rubrik sein: „Alle zusammen, Hertha!“

Und dann war da noch:

Matheus Cunha: Dass es mit 21 Jahren völlig normal ist, Leistungsschwankungen zu erleben, ist klar. Auch Matheus Cunha ist davon nicht verschont. Im Heimspiel gegen Borussia Dortmund war es noch bester Herthaner auf dem Platz. Wie schon vergangene Woche in Leverkusen jedoch schaffte es der Brasilianer nicht wirklich, dem Spiel seinen Stempel aufzudrücken. Seine Einzelaktion zum 1:1, in der er sich sehenswert durchsetzte und per Weitschuss Union-Keeper Andreas Luthe zum Fehler zwang, war leider seine erste und letzte wirklich starke Aktion dieser Partie. Im nächsten Spiel, gegen Borussia Mönchengladbach, wird Hertha auf seinen besten Torschützen verzichten müssen. Der Brasilianer holte sich seine fünfte gelbe Karte und muss ein Spiel pausieren. Gut möglich, dass er nach dieser Zwangspause mit neuem Elan und Energie zurückkehrt, und wieder ein besseres Gesicht zeigt. Ein Matheus Cunha in Topform ist schließlich nicht zu ersetzen.

Jordan Torunarigha: Zurück von seiner längeren Verletzungs- und Coronabedingten Pause zeigte sich beim 23-Jährigen in der Anfangsphase noch die fehlende Spielpraxis. Etwas ungenau und überhastet agierte der Innenverteidiger, der außerdem beim 0:1 nicht besonders gut aussah. Allerdings wurde er im Verlauf des Spieles immer sicherer, eroberte seine gewohnte Stabilität zurück und profitierte auch von der Überzahl, die ihm etwas mehr Freiheiten nach vorne ermöglichte. Insgesamt eine gelungene Rückkehr für Torunarigha, der beste Chancen hat, seinen Stammplatz zurückzuerobern.

Niklas Stark: Der 25-jährige ist ebenfalls eine Erwähnung wert. Er schaltete sich nur selten im Offensivspiel mit ein und sah beim 0:1 ähnlich wie Torunarigha nicht gut aus. Doch auch er kämpfte sich in die Partie zurück und kam mit dem 4-2-3-1 System in der zweiten Halbzeit deutlich besser zurecht.