Hertha BSC – Leverkusen: November-Blues oder Überraschungserfolg?

Hertha BSC – Leverkusen: November-Blues oder Überraschungserfolg?

Die Fahrt nach Sinsheim am vergangenen Freitag war eine zum Vergessen. Denn neben dem Spiel selbst verlor man auch Kapitän Boyata, der von der DFL für drei Spiele aus dem Verkehr gezogen wurde. Insbesondere aufgrund der zuletzt wieder stark gestiegenen Form des Belgiers schmerzt dieser Ausfall. Ebenso schmerzhaft ist der Blick auf die prognostizierte Zuschaueranzahl vor dem anstehenden Spiel mit Leverkusen. So rechnet Hertha laut eigener Aussage mit 20.000 Zuschauern, gleichwohl nach dem letzten Beschluss des Senats 37.500 Personen zugelassen wären. Über die Gründe zu spekulieren, ist an dieser Stelle müßig. Tatsache ist, dass ein Hexenkessel nicht erwartet werden darf. Hoffnung macht indes, dass nicht nur Hertha aktuell an der einen oder anderen Front mit Problemen zu kämpfen hat. Auch der kommende Gegner ist von der guten Laune, die noch vor ein paar Wochen herrschte, inzwischen ein ganzes Stück entfernt.

Zusammen mit Timo vom Bayer 04 Blog werfen wir einen Blick auf die Situation in Leverkusen und beleuchten die Gründe für die jüngste Ergebniskrise.

Der Nächste bitte

Seoanes Fußball passt ins Anforderungsprofil von Leverkusen. (Foto: Fran Santiago/Getty Images)

Der zurückliegende Sommer war erneut ein Beweis dafür, dass, wer Planungssicherheit und langfristige Jobperspektiven anstrebt, als Cheftrainer in der Fußball-Bundesliga denkbar schlecht aufgehoben ist. Ganze acht Mannschaften wechselten nach der letzten Spielzeit ihren Übungsleiter. Eine davon war auch Leverkusen, die sich – auch das ist in den letzten Jahren zum Trend unter den Bundesligisten geworden – in der Schweiz bedienten. Nach drei Meisterschaften in Serie mit den Young Boys Bern hat sich der vielumworbene Gerardo Seoane für einen Umzug an den Rhein entschieden.

Was die Verantwortlichen unter anderem überzeugt haben dürfte, ist Seoanes klare Spielidee, die Timo folgendermaßen zusammenfasst: „Seoane steht für attraktiven, offensiven Fußball, sonst würde er auch nicht zur Leverkusener DNA passen. Sein Anspruch ist es aber, in der Herangehensweise flexibler zu sein, womit er sich von einigen seiner Vorgänger unterscheidet. Gut beobachten lässt sich dies in der Anfangsphase, wo Leverkusen ein sehr intensives, aggressives Pressing spielt und damit auch sehr erfolgreich ist, denn keine Bundesligamannschaft erzielte mehr Tore in der Anfangsviertelstunde. Oftmals mit einer Führung im Rücken lässt die Mannschaft es dann ruhiger angehen, steht tiefer und baut auf die schnellen Flügelspieler und den Umschaltmoment.“

Diese Methode hat insbesondere in der Frühphase der Saison gefruchtet, als man aus den ersten sieben Spielen 16 Punkte holte und unter anderem Borussia Mönchengladbach mit 4:0 überrollte. In der Folge begann jedoch auch die Kehrseite der Medaille hervor zu blitzen: „Aber es gibt auch noch einige Spielsituationen auf die scheinbar eine Antwort fehlt. Um eine flexible Mannschaft zu sein, reicht es nicht, zwei Herangehensweisen gut zu beherrschen. Gegen den 1. FC Köln ließ sich beispielsweise beobachten, dass kein vernünftiges Ballbesitzspiel gelingt, um ein Ergebnis auch mal herunterzuspielen, insbesondere wenn der Gegner einen durch eigenes Pressing mal selbst unter Druck setzt. Zu Beginn der zweiten Halbzeit gegen Wolfsburg war Bayer von deren Umstellung überfordert und fand darauf keine Antwort. Solche Beispiele lassen sich vielfach finden.“

Es war einmal ein Bayernjäger

Zuletzt müsste Leverkusen schmerzhafte Rückschläge hinnehmen – unter anderem beim Pokalaus gegen den KSC (Foto: Joosep Martinson/Getty Images)

Die angesprochene Kehrseite wurde dabei insbesondere an den drei jüngsten Spieltagen deutlich. Nach Spieltag 7 war man noch punktgleich mit dem Primus aus München. Es folgte das direkte Aufeinandertreffen und der kurze Funken Hoffnung, durch Leverkusens Zutun vielleicht zumindest für ein paar Wochen die Illusion von so etwas wie Spannung an der Tabellenspitze erleben zu dürfen. 37 Minuten dauerte es, bis die Bayern 5:0 in Leverkusen führten und damit jenen naiven Gedanken mit Anlauf zunichtemachten.

Und nicht nur mit der vermeidlichen Spannung der Liga, sondern auch mit Leverkusen selbst scheint diese Klatsche etwas gemacht zu haben: Auch die nächsten beiden Bundesligaspiele verliefen mit einem 2:2 in Köln nach 2:0-Führung und einem 0:2 gegen Wolfsburg enttäuschend. Dazu schied man vor anderthalb Wochen zu allem Überfluss auch noch gegen den Karlsruher SC im DFB-Pokal aus.

Für Timo ist die jüngste Niederlagenserie „in ihrer Deutlichkeit und in ihrem Ausmaß schon überraschend, in den einzelnen Ursachen weniger. Zuletzt kamen viele Probleme zusammen, die einzeln betrachtet zuvor aber schon erkennbar waren. Dazu zählen u.a. defensive Abstimmungsprobleme, verstärkt dadurch, dass in der Vierkette, noch stärker aber im Mittelfeld, oftmals verschiedene Spieler in verschiedensten Kombinationen zusammengespielt haben. Offensiv hatte Leverkusen zu Beginn eine überragende Effizienz, da war klar, dass sich dies irgendwann wieder normalisieren würde. Nun ist sie allerdings zuletzt gleich ins komplette Gegenteil umgeschlagen, die Verletzung von Patrik Schick kommt nun erschwerend dazu.“

Zumindest im letzten Spiel – Leverkusen trat unter der Woche in der Europa League gegen Betis Sevilla an – gelang es ganz gut, das Fehlen von Stürmerstar Schick zu kompensieren. Mit 4:0 feierte Leverkusen einen deutlichen Sieg, der laut Timo nun dazu dienen muss, der zuletzt verunsicherten Mannschaft wieder mehr Ruhe zu geben.

Mit (fast) voller Mannstärke in den Sonntag

Hertha muss dementsprechend also darauf hoffen, dass die Leverkusener Medaille am Sonntag auf die richtige Seite fällt. Während das Team dabei – wie eingangs erläutert – nur zu einem überschaubaren Teil auf die Unterstützung von den Rängen zählen kann, gibt zumindest die personelle Situation Grund zur Zuversicht. Neben dem langzeitverletzten Lukas Klünter und dem gesperrten Boyata kann Pal Dardai auf all seine Spieler zurückgreifen. Vielleicht kann Hertha also dem drohenden November-Blues trotzen und erstmals ein Team aus den Champions League-Rängen Punkte abknüpfen.

*Titelbild: Maja Hitij/Getty Images

Hertha BSC – Bayer 04 Leverkusen: Punkte gegen die Abstiegsangst

Hertha BSC – Bayer 04 Leverkusen: Punkte gegen die Abstiegsangst

Am Sonntag muss Hertha BSC gegen Bayer 04 Leverkusen antreten. Nach Borussia Dortmund hat Pal Dardais Mannschaft also den nächsten großen Gegner vor der Brust. Die Ausgangslage dürfte jedem klar sein. Hertha ist in der „roten Zone“ angekommen und benötigt dringend Punkte, um einen drohenden Abstieg zu verhindern. Leverkusen ist allerdings der letzte hochfavorisierte Gegner, auf den die „alte Dame“ trifft, bevor es nach der Länderspielpause in eine alles entscheidende Phase geht. Beginnend mit dem Derby gegen Union Berlin am 4. April wird sich dann im nächsten Monat die Abstiegsfrage endgültig klären. Um mit einer besseren Ausgangslage in diesen „Schlusssprint“ zu gehen, werden die Blau-Weißen Zuhause gegen Leverkusen punkten müssen.

Doch wie stehen Herthas Chancen am Sonntag überhaupt? Wie ist die Ausgangslage bei den Gästen und welche Spieler werden im Mittelpunkt stehen? Diese Fragen versuchen wir zu klären. Dabei war uns Bastian eine große Hilfe, um Bayer 04 Leverkusen besser einschätzen zu können.

Aus im DFB-Pokal und in der Europa League – Bosz unter Druck

Den Anfang machen wir gleich mit unserem Gegner. Die Mannschaft aus dem Rheinland erlebte eine teilweise herausragende Hinrunde und war sogar zwischenzeitlich Tabellenführer. Die Rückrunde allerdings gestaltet sich bisher deutlich komplizierter. Nach dem Aus im DFB-Pokal und in der Europa-League ist die “Werkself” in der Bundesliga mittlerweile auf den sechsten Platz zurückgefallen. Dazu musste die Mannschaft von Cheftrainer Peter Bosz vergangenes Wochenende eine überraschende Niederlage gegen Arminia Bielefeld einstecken.

Foto: IMAGO

Wir wollten von Bastian wissen, wie zufrieden man in Leverkusen eigentlich mit der aktuellen Lage ist. „Überhaupt nicht zufrieden. Auch wenn das eigentliche Saisonziel, nämlich die Champions League zu erreichen, noch möglich ist, hat man durch das vermeidbare Ausscheiden in DFB-Pokal und Europa League jede Chance auf einen Titel frühzeitig verspielt. Zudem zeigt die Formkurve aktuell deutlich nach unten.“

Die obligatorische Frage nach dem Trainer beantwortet uns Bastian wie folgt: „Einerseits ist Peter Bosz durch seine sympathische Art und bisher durchaus erfolgreiche Arbeit sehr beliebt, andererseits sind diese Formschwankungen unter seiner Führung nicht neu. Ich denke, bei dieser Personalie scheiden sich die Geister.“

Sieg gegen Gladbach keine Befreiung – Führungsspieler verletzt

Sollten die Ergebnisse nicht besser werden, scheint es für Peter Bosz in Leverkusen eng zu werden: „Aktuell ist es jedenfalls schwer vorstellbar, dass Bosz in der nächsten Saison noch Trainer in Leverkusen ist. Aber im Fußball kann sich das Blatt auch sehr schnell wieder wenden“, sagt unser Experte dazu.

Dabei hätte sich das Blatt auch schon nach dem Sieg gegen Borussia Mönchengladbach vor zwei Wochen wenden können. Doch besonders aussagekräftig war dieser Erfolg dann doch nicht: „Der Sieg gegen Mönchengladbach hat da wohl etwas getäuscht. Auf dem Papier war das ein Big Point, in Realität gewinnt aktuell so ziemlich jede Mannschaft gegen Gladbach. Niederlagen gegen Freiburg und Bielefeld sprechen dagegen eine deutlichere Sprache“, meint Bastian.

Foto: IMAGO

Verletzungssorgen plagen den Verein aus dem Rheinland ebenfalls. Darunter habe Bayer 04 weniger an Qualität verloren, sondern eher an Führungsspielern: „Mit Lars und Sven Bender, Lukas Hradecky und Julian Baumgartlinger fallen gleich vier erfahrene Anführer aus. Der von Bosz ernannte Kapitän Charles Aranguiz ist zwar seit einiger Zeit wieder dabei, hat aber mehr mit sich selbst und seiner Form zu tun. Gerade in der Offensive, wo es derzeit noch am meisten hapert, fehlt zudem gar keiner.“

Große Dominanz und Spielstärke – Schwächen beim Torabschluss

Doch bei all den Problemen in Leverkusen bleibt Bayer 04 eine sehr starke Mannschaft mit großen Qualitäten. „Wenn man das Leverkusener Spiel mit dem der sehr erfolgreichen Hinrunde vergleicht, fallen einem gar keine großen Unterschiede auf“, sagt unser Experte. „Bayer hat immer deutlich mehr Ballbesitz als der Gegner und in der Regel auch mehr und bessere Torchancen. Während zu Saisonbeginn aber noch aus einer halben Chance ein Tor erzielt wurde, reichen jetzt drei, vier Gelegenheiten nicht mehr aus, um den Ball ins Netz zu befördern. Es scheint also vor allem eine Kopfsache zu sein, eine Frage des Selbstvertrauens.“

Bastian sieht auch andere Gründe für Leverkusens momentaner Formschwäche: „Dazu wird immer deutlicher, dass der Ballbesitzfußball und die Transferpolitik, vor allem schnelle Spieler zu verpflichten, nicht besonders gut zusammenpassen. Mit etwas mehr Konterfußball sähe das womöglich anders aus.“ Keine große Hilfe wird dabei Mitchell Weiser sein. Der Ex-Herthaner hat sich auch im dritten Jahr am Rhein nicht durchgesetzt.

Wir haben Bastian dazu befragt: „Ganz schwieriges Thema. Er belegt bei Bayer den letzten Kaderplatz (wenn überhaupt) und wenn es einen Abnehmer gegeben hätte, wäre er wohl schon längst nicht mehr da. Er wurde für nicht gerade wenig Geld als Rechtsverteidiger geholt und hat recht schnell gezeigt, dass er diese Position auf diesem Niveau nicht spielen kann. Ich hätte ihn gerne in einer offensiveren Rolle gesehen, aber da war die Konkurrenz bisher groß und Bosz hatte nicht diesen Plan. Nach knapp drei Jahren in Leverkusen muss man sagen, dass dieser Transfer nicht aufgegangen ist.“

Die Rückkehr des Cunhas – Herthas Hoffnungsträger wieder fit

Was tippt also unser Experte zum Schluss für das Sonntagspiel? „Das ist unheimlich schwierig. Ich gehe eigentlich davon aus, dass irgendwann der Knoten platzt und mal wieder etwas mehr Effizienz im Torabschluss einkehrt. Dann müsste ein angeschlagener Gegner wie Hertha eigentlich locker bezwungen werden. Viel hängt auch davon ab, wie Hertha auftritt. Gegen sehr defensiv eingestellte Mannschaften tut sich Bayer traditionell schwer und ist bei Kontern anfällig. Deshalb hoffe ich, dass Hertha einer Heimmannschaft entsprechend offensiv auftritt.“

Foto: IMAGO

Sehr wahrscheinlich scheint dies nicht zu sein. Pal Dardai brachte zuletzt vor allem defensive Stabilität zurück. Volle Offensive wird Hertha am Sonntag auch trotz der brenzligen Lage wohl nicht gehen. Tatsächlich fordert Herthas Cheftrainer aber von seiner Mannschaft ein anderes Gesicht. Insbesondere in der Offensive solle man besser auftreten als gegen Borussia Dortmund.

„Wir haben dort bis 30 Meter vor dem gegnerischen Tor gut gespielt. Danach waren das Können, der Mut, der richtige Abschluss nicht da. In der Endzone muss man Mut haben. Da müssen wir uns umstellen“, so der Trainer. Er erwarte „ein gutes, leidenschaftliches Spiel“ seiner Mannschaft. Ein wichtiger Faktor für ein besseres Offensivspiel bei Hertha wird zweifellos ein Spieler sein, der diese Woche endlich wieder im Mannschaftstraining zu sehen war. Matheus Cunha ist wieder fit und wird Pal Dardai für die Partie definitiv zur Verfügung stehen.

Dass sofort viel Verantwortung auf seinen Schultern liegen wird, ist wohl unvermeidbar. Trotzdem blieb Sportdirektor Arne Friedrich in der Pressekonferenz am Freitag optimistisch: „Er wird unser Unterschiedsspieler sein. Aber wir haben elf Spieler auf dem Platz, es wird sich nicht alles auf ihn fokussieren. Diese Leichtigkeit wollen wir ihm geben.” Auch Herthas Defensive, die zuletzt viel gelobt wurde, wird wieder eine große Aufgabe vor der Brust haben. Für das zentrale Mittelfeld sind die gegen Dortmund ausgefallenen Matteo Guendouzi und Santiago Ascacibar wieder mit dabei. Eduard Löwen fehlt weiterhin, wie auch Sami Khedira und Dedryck Boyata. Vladimir Darida fehlt wegen seiner Rotsperre.

Hertha BSC gegen Bayer 04 Leverkusen – Verzweifelte Punktejagd im Endspurt

Jetzt steht Hertha BSC also wie lange nicht mehr mit dem Rücken zur Wand. Die entscheidenden Wochen im Abstiegskampf im April will man nicht auf einen direkten Abstiegsplatz beginnen. Der Druck wird von Woche zu Woche größer, die Konkurrenz zeigt sich nicht abgeschlagen. Was Hertha Mut machen könnte: Arminia Bielefeld könnte man mit einem Punkt gegen Leverkusen am Sonntag wieder überholen.

Foto: IMAGO

Durch die 0:1-Niederlage der Ostwestfalen gegen RB Leipzig am Freitagabend und die schlechtere Tordifferenz (-25 für Bielefeld, -17 für Hertha) reicht der „alten Dame“ schon ein Punkt, um wieder die Nase vorn zu haben. Eines scheint sicher zu sein: jeder Punkt wird zählen, wohl bis zum letzten Spieltag. Hertha kann das Heimspiel gegen Bayer 04 Leverkusen nicht mehr als „Bonusspiel“ betrachten. Auch gegen den Favoriten müssen Punkte her, am besten dreifach. Wie stark der Gegner ist, kann als Ausrede nicht mehr weiter gelten.

Die Blau-Weißen können sich als Beispiel ihr letztes Heimspiel gegen die „Werkself“ nehmen. Damals konnten sie mit 2:0 das Spiel für sich entscheiden (Torschützen damals Matheus Cunha und Dodi Lukebakio). Doch das Spiel am Sonntag wird wieder eine andere Geschichte sein. Eine gute Halbzeit wie beim Sieg gegen den FC Augsburg wird nicht ausreichen. Hertha BSC wird zwei gute Halbzeiten benötigen. Zwei richtig gute Halbzeiten. Dann ist vielleicht auch die Abstiegsangst, die bei allen Hertha-Fans stark zu spüren ist, vielleicht für ein paar Stunden wieder weg.

[Titelbild: IMAGO]

Bayer Leverkusen – Hertha BSC: Jeder Punkt zählt

Bayer Leverkusen – Hertha BSC: Jeder Punkt zählt

Die englische Woche hat für Hertha BSC ganz gut begonnen: am Samstagnachmittag konnte man endlich wieder einen Sieg einfahren. Gegen den SC Freiburg reichte ein knappes 1:0 durch ein Traumtor von Vladimir Darida. Doch am Mittwochabend wartet ein zumindest individuell stärkerer Gegner auf die Blau-Weißen. Können die Spieler von Jürgen Klinsmann auch bei Bayer Leverkusen punkten, und den nächsten Schritt aus der gefährlichen Tabellenregion machen?

Leverkusen vs. Leverkusen in Köln

Herthas Gegner am Mittwochabend ist ohne Frage qualitativ ein ganz anderes Kaliber als der SC Freiburg. Doch in der Tabelle steht Bayer Leverkusen noch unter den Breisgauern auf Platz sieben. 25 Punkte konnte die „Werkself“ bisher sammeln, sieben Siege, vier Remis und vier Niederlagen – eine sehr durchwachsene Bilanz.

Bayer Leverkusen verlor am Samstag zwei Spieler durch rote Karten. (Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images)

Zuletzt gab es in der Bundesliga einen glücklichen Sieg gegen den FC Bayern München (2:1) und auch gegen Schalke 04 gab es drei Punkte. In der Champions League konnte sich die Mannschaft von Peter Bosz nicht für das Achtelfinale qualifizieren, spielt als Gruppendritter in der Rückrunde in der Europa League weiter. Am Samstag wurde man dann im Derby vom geschwächten 1.FC Köln erwartet.

Dieses Spiel entwickelte sich allerdings schnell zum Desaster für Leverkusen. Eine verdiente 2:0 Niederlage für den Favoriten, der in der ersten Halbzeit keine Mittel fand und sich in der zweiten Halbzeit quasi selber schlug. Erst eine gelb-rote Karte für Aleksandar Dragovic, dann die glatt rote Karte für Leon Bailey – bereits seine zweite in dieser Saison. Mit zwei Spielern weniger auf dem Platz konnte man die Derbyniederlage nicht mehr verhindern.

Nach dem Spiel zeigten sich nicht nur die Fans sondern auch die Spieler wütend und enttäuscht. Insbesondere Rot-Sünder Bailey musste viel Kritik der eigenen Mitspieler einstecken. Kapitän Lars Bender sprach davon, dass Bailey der Mannschaft „einen Bärendienst“ erwiesen hätte, man erwarte eine Entschuldigung. „Er hat die Mannschaft wieder enttäuscht“, war von Torhüter Lukas Hradecky zu hören. „Wir sind dumm und blöd. Wir nehmen uns selber aus dem Spiel“, hieß es zusätzlich noch von Sven Bender.

Trotz Sperren Hochfavorit

Nicht die beste Stimmung also bei der „Werkself“. Zumal ein verlorenes Derby bekanntlich immer Spuren hinterlässt. Für Hertha wird es trotz der Sperren und der angespannten Nerven in Leverkusen am Mittwoch eine sehr schwere Aufgabe.

Bailey und Dragovic fallen zwar gesperrt aus, doch Bayer Leverkusen wird nichtdestotrotz eine hochkarätige Startelf aufstellen können. Jonathan Tah kehrt nach seiner Rotsperre zurück und wird den Ausfall von Dragovic kompensieren. Der Ausfall von Leon Bailey wird auch durch die Riesenqualität in der Offensive der Leverkusener ausgeglichen werden können. Karim Bellarabi, Moussa Diaby, Nadiem Amiri, Paulinho, Kai Havertz, Lucas Alario oder Kevin Volland – Cheftrainer Peter Bosz kann sich über fehlende Optionen nicht beschweren.

“Die Berliner Mauer” beim letzten Sieg in Leverkusen.

Die Rotsperren werden Hertha zwar nicht schaden, doch einen großen Vorteil können die Hauptstädter sicher nicht erwarten. Leverkusen wird als haushoher Favorit in das Spiel gehen. Auch die Statistik spricht für die Heimmannschaft. Am 10.02.2018 konnte sich Hertha noch mit 2:0 am Rhein in einer denkwürdigen Partie durchsetzen. Bis auf dieses Spiel konnten die Blau-Weißen jedoch in Leverkusen seit 2012 nicht mehr punkten. Alle weiteren Begegnungen in der „BayArena“ verlor die „alte Dame“ klar.

Erster Sieg unter Klinsmann

Nicht allzu viel spricht also für das Team von Jürgen Klinsmann. Dabei konnte man sich am Samstag gegen den SC Freiburg endlich wieder einen Sieg erkämpfen. In einer sehr knappen und umkämpften Begegnung setzten sich die Hertha-Profis nicht unverdient durch ein Traumtor von Vladimir Darida durch.

Eine ähnliche Situation erlebte Hertha diese Saison nach dem ersten Saisonsieg gegen den SC Paderborn. Auch da holte man den Sieg, ohne zu glänzen. Auch da zweifelten viele Fans über die Bedeutung des geholten Dreiers. Es folgte eine Reise an den Rhein zum 1. FC Köln, wo sich Hertha mit 4:0 durchsetzen konnte, wiederum gefolgt von einem weiteren Heimsieg gegen Fortuna Düsseldorf. Ein „dreckiger Sieg“ wie gegen Paderborn oder Freiburg kann mentale Fesseln bei der Mannschaft lösen.

Jetzt fahren die Berliner erneut an den Rhein, dieses Mal nach Leverkusen. Ob der Sieg am Wochenende ausreicht, um mentale Blockaden im Team zu lösen, wird sich zeigen. Klar ist aber, dass diese drei Punkte der Mannschaft gut getan haben. „Es fühlt sich brutal gut an“, hieß es von Kapitän Vedad Ibisevic.

Keine Feier in der Ostkurve nach dem 1:0 Sieg gegen den SC Freiburg. (Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)

Mit den eigenen Fans bleibt die Stimmung jedoch angespannt. Die Nachwirkungen der Auseinandersetzungen mit der Mannschaft nach der Partie gegen Borussia Dortmund waren am Samstag zu spüren. Die Hertha-Profis gingen nach dem Sieg nicht wie gewohnt in die Ostkurve feiern. Im „Kurvenecho“ wurde außerdem erklärt, dass die Derbyniederlage und die damit verbundene Schmach noch nicht verdaut sei und die Mannschaft nicht erwarten könne, durch ein wenig Kampf gegen Dortmund alles wieder gut machen zu können.

Trotzdem ist auch in Leverkusen eine volle und laute Unterstützung der Hertha-Anhängern zu erwarten. Es ist dabei zu hoffen, dass sich keine Kluft zwischen Fans und Mannschaft aufbaut. Gerade in dieser schwierigen Phase wäre eine Eintracht zwischen Fans und Mannschaft wichtig.

Rotation oder Kontinuität?

Hertha war in den letzten Spielzeiten nicht gerade erfolgreich, wenn es um englische Wochen ging. Oft ging man in drei von drei Spielen leer aus. Jetzt startet Hertha mit drei Punkten im Rücken in die englische Woche. Doch die schwierigsten Aufgaben kommen erst noch.

Kräfte werden in der englischen Woche noch getestet. (Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)

In der heutigen Presskonferenz stand nicht Cheftrainer Jürgen Klinsmann sondern Co-Trainer Alexander Nouri der Presse zur Verfügung. Nouri lobte die Kompaktheit in der Defensive, die Hertha gegen den SC Freiburg zeigen konnte. Es erscheint also wahrscheinlich, dass die Berliner auf den Defensiv-Positionen ähnlich aufstellen werden. Die Viererkette mit Marvin Plattenhardt, Karim Rekik, Dedryck Boyata und Lukas Klünter könnte also erneut eingesetzt werden. Auch möglich erscheint ein Wechsel des Spielsystems zurück in eine Dreierkette. Dann würde Niklas Stark zurück in die Startelf rotieren.

Matchwinner Darida kann wohl erneut in der Startelf erwartet werden, genauso wie Nebenmann Marko Grujic. Im Vergleich zum Heimspiel am Samstag kann man jedoch von einer defensiveren Aufstellung ausgehen. Mit vier Stürmern wird Hertha am Mittwoch wohl nicht agieren.

Jürgen Klinsmann und sein Team werden sicherlich im Laufe der Woche eine Rotation vornehmen, um einzelnen Spielern eine Durchschnaufpause zu geben. Optionen gibt es auch in Berlin genug: momentan gibt es kaum Verletzungen oder Sperren. Fast alle Profis stehen dem Trainerteam zur Verfügung. So auch Arne Maier, der laut Klinsmann “voll im Saft” stehen soll.

Punkte gegen die Abstiegsangst

Die Ausgangslage ist aufgrund der derzeitigen Form Leverkusens und dem vorangegangenen Sieg gegen Freiburg nicht die schlechteste für Hertha BSC, und trotzdem wird vieles davon abhängen, wie stark Bayer Zuhause auftritt. Sollte der Favorit sich in guter Verfassung präsentieren, werden es die Berliner sehr schwer haben. Gerade im Abstiegskampf ist jeder Punktgewinn gegen vermeintlich stärkere Gegner besonders wichtig. Jeder Punkt hilft gegen die Angst, den Anschluss in der Tabelle zu verlieren und eine neue negative Serie zu starten. Auch gegen die „Werkself“ ist mit der richtigen Einstellung ein Punkt drin.

Jürgen Klinsmann bringt zumindest in seiner Außendarstellung viel Optimismus und positive Strahlkraft mit. Sollte seine Mannschaft am Mittwoch eine gute Leistung zeigen und einen Punkt mitnehmen, könnte die Hinrunde noch einigermaßen versöhnlich enden. Dann könnten Mannschaft und Fans sogar den Abschluss dieser englischen Woche am Wochenende gemeinsam feiern. Vielleicht sogar vor der Ostkurve.