Selke und Ibisevic – ein Kopf-an-Kopf-Rennen

von Aug 10, 2019

Eine Frage bleibt noch vor dem ersten Pflichtspiel dieser Saison am Sonntag ungeklärt: wer soll bei Hertha in der Spitze stürmen? Selke und Ibisevic sind beide in der Vorbereitung fit geblieben und liefern sich bereits jetzt einen gnadenlosen Konkurrenzkampf. Es gibt im neuen System unter Neutrainer Ante Covic wohl auch nur eine Startposition als Stoßstürmer. Wer startet am Sonntag für Hertha gegen den VfB Eichstätt? Wer steht gegen den FC Bayern in der Startelf?

Luxusproblem oder „Warten auf Selke“?

Eigentlich gab es eine klare Vorstellung bei Hertha BSC, als man 2017 die Rekordsumme von geschätzten 8,5 Millionen Euro hinlegte, um sich die Dienste von Davie Selke zu sichern. Der aus Leipzig gewechselte Mittelstürmer sollte mittelfristig Nachfolger von Vedad Ibisevic in der Sturmspitze werden.

Bis zur Verpflichtung von Lukebakio Herthas Rekordtransfer – Davie Selke (Foto: Matthias Kern/Bongarts/Getty Images)

1,94 Meter groß, schnell, kopfballstark und vor allem eiskalt vor dem Tor: Selke war vom Profil her genau der Richtige, um in die großen Fußstapfen von Vedad Ibisevic zu treten. Doch bis heute hat sich keine endgültige Fackelübergabe ergeben, im Gegenteil. Vergangene Saison kam der Bosnier auf 1.821 Spielminuten in der Bundesliga, Selke auf 1.730. Dabei konnten beide Stürmer Scorerpunkte sammeln.

Ibisevic konnte zehn Treffer erzielen und drei Tore vorbereiten. Selke hat eine nahezu umgekehrte Statistik: er konnte nur drei Treffer erzielen, gab jedoch neun Torvorlagen ab. Beide Stürmer haben nicht die schlechteste Saison gespielt, aber eben auch keine so gute, als dass sich einer von beiden hätte klar durchsetzen können. Nicht einfach also für Trainer Covic, anhand der Statistik der letzten Saison eine Entscheidung zu treffen.

Selke mit der ersten kompletten Vorbereitung

Es lohnt sich also ein individueller Blick auf beide Spieler. Einer der Hauptgründe, warum sich Selke bisher noch nicht durchsetzen konnte, ist die Fitness. Sowohl 2017/18 als auch 2018/19 konnte er aufgrund von Verletzungen keine komplette Vorbereitung absolvieren, brauchte viel Zeit, um wieder in Form zu kommen. 2017/18 verpasste der ehemalige deutsche U-Nationalstürmer den kompletten Saisonstart, machte sein Bundesligadebüt für Hertha erst am 14.10.2019 gegen den FC Schalke 04. Damals folgten jedoch zehn Treffer in der Bundesliga und vier in der Europa League.

Im letzten Sommer erlitt Selke eine noch kompliziertere Verletzung (Pneumothorax). Er verpasste ebenfalls den Saisonauftakt, kam dann lange nicht in Schwung und wurde erst am 01.12.2019 in der Startelf eingesetzt. Sein Konkurrent Ibisevic hingegen ist durchgehend fit, war bis auf seine Sperren fast immer einsetzbar.

Diese Vorbereitung jedoch verläuft für Davie Selke bisher verletzungsfrei. Wie wichtig eine sorglose Vorbereitung sein kann, hat sich in jüngerer Vergangenheit bereits bei anderen Hertha-Spielern gezeigt. „Ich fühle mich sehr gut, fit und bereit. Immer wenn ich diesen körperlichen Stand hatte, konnte ich auf dem Platz Leistung zeigen“, sagte der 24-Jährige diese Woche im Interview.

Tore als Hauptargument

Selke und Ibisevic werden auch diese Saison eher selten zusammen stürmen (Foto: Thomas Starke/Bongarts/Getty Images)

Unter Leistung versteht Selke auch die Fähigkeit, viele Tore zu schießen. Wie bereits angesprochen, konnte er vergangene Saison viele Vorlagen geben. Aufzulegen sei jedoch nicht sein primäres Ziel. „Ich will jetzt wieder auf Tore umschalten. (…) Mein Ziel ist es, zweistellig zu treffen. Das ist mein Anspruch”, so der junge Stürmer. Auch im Konkurrenzkampf zwischen Ibisevic und Selke werden die Tore das Hauptargument sein. Das sieht auch Deutschlands Nationaltrainer Joachim Löw so. Dieser sagte diese Woche in Bezug auf Davie Selke: „Er ist ein positiver Spielertyp mit unglaublichem Engagement und Tempo. Das sind positive Ansätze, aber da muss auch noch ein Entwicklungsschub kommen. Ich würde mir wünschen, dass solch ein Spieler auch mal 12, 15 Tore in einer Saison erzielt.“

Wenn man sich die Vorbereitungsspiele diesen Sommer heranzieht, stehen beide Stürmer jeweils bei drei Treffern. Allerdings hinterließ bisher Ibisevic den besseren Eindruck. Fallrückziehertor und -Vorlage, schönes Kombinationsspiel, wie auch viel Kampf und Intensität in den Zweikämpfen – der Bosnier zeigte im Laufe der Vorbereitung, dass er trotz seines vorangeschrittenen Alters keineswegs abzuschreiben ist.

Die Bestätigung von Vedad Ibisevic als Kapitän durch Ante Covic könnte ein Hinweis darauf sein, dass dieser erneut eine zentrale Rolle spielen wird. Doch ein Kapitänsamt sichert keineswegs eine Stammplatzgarantie. Außerdem wird es auch wichtig sein, dass der temperamentvolle Angreifer seine Nerven im Griff hat. Eine erneute lange Rotsperre würde sicherlich kein gutes Argument für ihn sein.

Konkurrenz belebt das Geschäft

Selke soll wieder mehr Tore als Vorlagen schießen (Foto: Thomas Starke/Bongarts/Getty Images)

Auch Selke ist bewusst, dass es nicht einfach sein wird, an dem 34-Jährigen vorbeizukommen. „Es geht neu los, das wird wieder ein gutes Duell. Aber der Konkurrenzkampf treibt uns an. Wer besser performt, wird spielen. Ich schaue in erster Linie auf das, was ich beeinflussen kann. Dazu gehören Fitness und Trainingsarbeit.

Wenn man von Fitness und guter Trainingsarbeit im Sturm von Hertha BSC spricht, muss man auch auf die restlichen Stürmer im Kader schauen. Pascal Köpke zählte bereits letzte Saison zu den Spielern, die im Training am meisten arbeiteten, jedoch aufgrund der Konkurrenzsituation keine wirkliche Rolle spielten. Auch in dieser Vorbereitung war er sicher nicht der Schlechteste, erzielte im Testspiel gegen West Ham United sogar einen Doppelpack.

Doch der von Erzgebirge Aue nach Berlin gewechselte Stürmer konnte in der letzten Spielzeit bei den Profis nur 68 Pflichtspielminuten sammeln. Auch in der neuen Saison wird es für den 23-Jährigen wohl nur wenige Einsatzchancen geben. Zuletzt sollte es Interesse von Dynamo Dresden geben, eine Leihe wäre sicher eine sinnvolle Lösung für alle Parteien. Eine weitere Saison auf der Bank oder Tribüne wäre sowohl für Hertha als auch für Köpke alles andere als optimal.

Redan und Kiprit für die Zukunft

Bisher nur Stürmer Nummer drei – Pascal Köpke (Foto: Matthias Kern/Bongarts/Getty Images)

Weitere ernsthafte Konkurrenten in der Sturmspitze gibt es wohl erst einmal nicht. Der junge Muhammed Kiprit wird im Moment in der Regionalliga eingesetzt und scheint noch weit weg von einer Stammposition in der Profi-Mannschaft zu ein. Neuzugang Daishawn Redan konnte bereits im Trainingslager positiv auf sich aufmerksam machen. Er soll sich langfristig in die erste Elf spielen, diese Saison erstmal für die U23 stürmen. Er könnte aber, ähnlich wie sein Landsmann Javairo Dilrosun vergangene Saison, bereits in der neuen Saison einige Pflichtspielminuten sammeln und mit Joker-Einsätzen bei den Profis reinschnuppern.

Rekord-Neuzugang Dodi Lukebakio kann zwar auch in der Spitze spielen, wird allerdings mit großer Wahrscheinlichkeit eher auf den Außen eingesetzt werden. Dort hat Hertha am meisten Bedarf. Es wird also in der Sturmspitze ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Selke und Ibisevic. So oder so: Tore müssen her und beide Spieler haben bewiesen, dass sie wissen, wie man Tore schießt. Für Ibisevic ist es wohl die letzte Saison für den Hauptstadtverein, doch auch für Selkes Karriere ist es eine äußerst entscheidende Spielzeit. Für Herthas Zukunft wäre es von großer Bedeutung, wenn er jetzt endlich den nächsten Schritt machen würde.

Hilfe für die Ukraine!

Um den Menschen in der Ukraine zu helfen, hat sich die Gruppa Süd entschlossen, Geld zu sammeln und damit die Menschen in und um die Kriegsgebiete zu unterstützen. Davon werden speziell Hygieneartikel für Frauen und Babys sowie haltbare Lebensmittel gekauft. Die Spenden werden direkt an die polnisch-ukrainische Grenze geliefert, sodass den Menschen unmittelbar geholfen wird.

ÜBER DEN AUTOR

Chris Robert

Chris Robert

Exilherthaner, Franzose, Student und Fußballromantiker. Egal wie wütend ihr nach Hertha-Spielen seid, ich bin wütender. Ich brauche keinen Videoschiedsrichter um zu wissen, dass der Schiri immer gegen Hertha pfeift.

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