Herthas Abstieg 2012: Eine Achterbahn der Gefühle

Herthas Abstieg 2012: Eine Achterbahn der Gefühle

Raffaels Solo, Pyrotechnik, geklaute Elfmeterpunkte und eine schier endlose Ungewissheit in welcher Liga Hertha BSC denn im August starten würde. Die Monate Mai und Juni im Jahre 2012 glichen im Hertha-Kosmos eines jeden Fans einer vollkommen verrückten Achterbahn der Gefühle. Vieles gleicht heutzutage bei Hertha BSC der Situation von 2012. Doch auch interessante Entwicklungen in der gesamten Debatte um Fans, Pyrotechnik und Platzstürme sind im Vergleich zu damals festzustellen.

Markus Babbel, Michael Skibbe und Otto Rehhagel – Ähnlichkeiten zu heute sind vorhanden

Im Sommer 2011 feierte die Hertha den Wiederaufstieg in die Bundesliga. Der Abstieg ein Jahr zuvor galt als unglücklicher Unfall, der mit dem direkten Wiederaufstieg wieder gutgemacht wurde. Und auch die Hinrunde zeigte, die Berliner sind wettbewerbsfähig. Sie spielten sicherlich nicht die Sterne vom Himmel, doch mit einem stabilen Abwehrverbund sammelte man genügend Punkte, um sich im Mittelfeld der Tabelle festzusetzen. Doch Aufstiegstrainer Markus Babbel musste um Weihnachten rum die Koffer packen. Fehden mit der Vereinsführung ließen eine weitere Zusammenarbeit nicht zu. Ein sportlich nicht zu rechtfertigender Schritt, der die Berliner vor viele Fragezeichen stellte.

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Michael Skibbe, seines Zeichens damals ein Trainer, dessen Erfolge schon einige Jahre her waren, sollte die Mannschaft übernehmen und langfristig zum Erfolg führen. Doch den über Zweieinhalb Jahre laufenden Vertrag konnte der nicht ansatzweise erfüllen. Nach vier Bundesliga-Niederlagen und einer weiteren im Pokal verabschiedete sich der ehemalige Co-Trainer der deutschen Nationalmannschaft nach nur 50 Tagen im Amt. Die Hertha, mittlerweile tief im Abstiegskampf angekommen, brauchte eine große Lösung. Einen Namen, eine Person, die das Mediengewitter auf sich zog und dafür sorgen konnte, dass die weiteren Störfeuer im Verein keine Beachtung fanden. Mit der Hilfe von René Tretschok und Ante Covic wollte die Trainer-Legende Otto Rehhagel das Ruder rumreißen und die Mannschaft in der Bundesliga halten. Bei der Trainer-Wahl und den jeweiligen Begleitumständen lässt sich eine gewisse Gemeinsamkeit zur Situation 10 Jahre später nicht leugnen.

Die Wochen unter Rehhagel waren ein Schlagzeilen-Feuerwerk für die Berliner Medienlandschaft. Der Altmeister lieferte Sprüche für die Gazetten, erzählte von privaten Geschichten und versuchte gute Laune zu verbreiten. Das Spiel der Hertha sollte er allerdings nicht nennenswert verbessern. Doch trotz allem gelang es der Mannschaft um Raffael, Patrick Ebert und Co das Rennen um den Klassenerhalt offen zu halten. Am 34. Spieltag kam es zum Fernduell gegen den auf Platz 16 stehenden 1. FC Köln um den Relegationsplatz. Während die Mannschaft um Lukas Podolski gegen den FC Bayern München eine deutliche 1:4-Klatsche einstecken musste, hatte Hertha BSC die TSG 1899 Hoffenheim zu Gast. Die über 50.000 Fans bekamen im Berliner Olympiastadion ein Spiel zu sehen, welches von einer konzentrierten Hertha-Mannschaft dominiert wurde. Die TSG, die sich im Tabellen-Mittelfeld festgesetzt hatte und mit der Saison durch war, spielte trotzdem fleißig mit. Änis Ben-Hatira sorgte mit einem Doppelpack nach 78 Minuten für eine komfortable 2:0-Führung. Doch Hertha bewies, weshalb man um den Klassenerhalt bangte und kassierte in der 85. Minute unnötiger Weise den Gegentreffer zum 1:2 durch Marvin Compper. Die letzten Minuten des Spiels zogen sich hin, in den letzten Sekunden des Spiels sollten die Sinsheimer noch eine Ecke bekommen. Würde die zu einem Torerfolg führen, wäre die Hertha trotz der Kölner Niederlage gegen die Bayern abgestiegen. Doch die zu hoch getretene Ecke leitete Herthas Konter auf das leere Hoffenheimer Tor ein. Raffaels Lauf über 50 Meter, sein Abschluss ins leere Tor, die feiernde Mannschaft und die eskalierende Stimmung im Olympiastadion sind bis heute unvergessen und hatten das Potential eine Energie freizusetzen, die die Mannschaft durch die folgende Relegation hätte tragen können, schließlich war die Mannschaft deutlich besser aufgestellt als der kommende Gegner aus Düsseldorf.

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Hertha verliert in klassischer Hertha-Manier das Hinspiel

Über 68.000 Fans fanden sich am jenen Donnerstag-Abend im Olympiastadion zusammen. Die Stimmung kochte, wieder einmal war alles dafür angerichtet, das wohl wichtigste Spiel der jüngeren Vereinsgeschichte zu einem positiven Ergebnis zu führen. Und zunächst sah es auch danach aus. Die Hertha dominierte den Beginn der Partie und feierte nach 19 Minuten dank des damaligen Kopfballungeheuers Roman Hubnik die Führung. Nach einer Ecke von Ben-Hatira nickte der tschechische Innenverteidiger ein und ebnete so den Weg.

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Doch als wäre so etwas bis heute in der Hertha-DNA, schafften es die Berliner schon damals nicht, etwas Positives aus dem frühen Führungstreffer herauszuholen. Zwar erarbeitete sich das Team weiterhin zahlreiche Chancen, doch ein zweites Tor sollte nicht gelingen. Und für die vielen ausgelassenen Möglichkeiten wurde die Hertha – natürlich, so will es das Fußballgesetz – eiskalt bestraft. In der 64. Minute musste auch Torhüter Thomas Kraft hinter sich greifen und wenige Minuten später, in der 71. Spielminute, verlängerte Adrian Ramos eine Freistoßflanke der Düsseldorfer unglücklich ins eigene Tor. Die geschockten Berliner konnten die Niederlage nicht mehr abwenden, Ronny scheiterte mit einem wuchtigen Distanzschuss noch am Pfosten. Die kalte Dusche war perfekt, es war die psychologisch denkbar schlechteste Ausgangsposition, in die sich die Spieler gebracht hatten. Die gute Stimmung aus dem Hoffenheim-Spiel war vollkommen verloren gegangen.

Vier Tore, ein Platzverweis und Pyrotechnik: Ein denkwürdiges Rückspiel

In den folgenden Tagen gelang es der Hertha zumindest etwas zur Ruhe zu kommen. Am Wochenende fand in Berlin das DFB-Pokalfinale statt. Borussia Dortmund, das zuvor zum zweiten Mal in Folge den Meistertitel feierte, besiegte in einem denkwürdigen Spiel den FC Bayern München mit 5:2 und durfte sich damit auch Double-Sieger nennen. Die Medien hatten dieser Tage andere Themen als Hertha. Es ging um eine mögliche Wachablösung im deutschen Fußball, um die große Krise der Bayern und darum, was Jürgen Klopp und Mario Götze für riesige Typen waren.

Konzentriert und fokussiert ging es nach Düsseldorf in die Esprit-Arena. Und dort herrschte eine gewaltige Stimmung. Eine laute, geladene und heiße Stimmung. Die Düsseldorfer Fans, unter ihnen Edel-Fan Campino, wollten den Aufstieg ihrer Fortuna nach 15 Jahren Bundesliga-Abstinenz sehen. Mit 51.000 verkauften Karten war die Arena restlos ausverkauft. Und die Düsseldorfer Spieler schafften das, was den Hertha-Spielern im Hinspiel nicht gelungen war. Die Stimmung auf das eigene Spiel zu übertragen. Und das zeigten sie eindrucksvoll von Beginn an. Das Spiel war keine halbe Minute alt, als Maximilian Beister mit einem wuchtigen Distanzschuss das Führungstor für die Düsseldorfer erzielte.

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Die Hertha zeigte sich sichtlich beeindruckt, doch es gelang der Mannschaft einen offenen Schlagabtausch zu gestalten. Das Spiel wurde körperbetonter und emotionaler. Nach 22 Minuten köpfte Änis Ben-Hatira nach einem Freistoß Ronnys zum Ausgleich ein. Die Hiobsbotschaft sollte in der 54. Minute folgen, als der Torschütze wegen eines gelbwürdigen Fouls mit gelb-rot vom Platz flog.

Die Fans feiern zu früh: Das Spiel steht vor dem Abbruch

Es war die Eröffnung der großen und denkwürdigen Szenen, die sich in die Köpfe aller Zuschauer*Innen bis heute gebrannt haben. Denn nur fünf Minuten später konnten die Düsseldorfer ihre Überzahl ausnutzen und erneut in Führung gehen. Es folgte eine riesige Explosion der Gefühle in alle Richtungen. Auf beiden Seiten wurde fleißig Pyrotechnik gezündet, Feuerwerkskörper krachten laut unter dem Dach der Düsseldorfer Arena, viele Bengalos landeten auf dem Spielfeld. Das Spiel drohte abgebrochen zu werden, man entschied sich für eine Fortsetzung.

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Und die Spieler beider Mannschaften kämpften. 85. Minute, Raffael und Adrian Ramos kombinieren sich durch den Düsseldorfer Strafraum. Der Brasilianer schießt flach auf das Tor und schafft es die Düsseldorfer zumindest für einen Moment zum Schweigen zu bringen. Das Spiel war ausgeglichen und auf des Messers Schneide. Es war vollkommen offen, in welche Richtung es gehen sollte. Die Fans machten weiterhin Stimmung, eine ganze Hundertschaft der Polizei stellte sich bereits vor dem Block der Herthaner auf.

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Dass das keine wirklich deeskalierende Maßnahme war, hätte auch damals schon allen bewusst sein müssen und bekanntlich sollten wenige Minuten später nicht die Hertha-Fans der Grund für die nächste Unterbrechung sein. Ab Anbruch der sieben-minütigen Nachspielzeit war an eine geregelte Durchführung des Spiels kaum noch zu denken. Düsseldorfer Fans standen dicht gedrängt bereits am Spielfeldrand, an den Spielerbänken, in den Coachingzonen und sprangen praktisch im Sekundentakt von der Tribüne in den Innenraum. Man will es ihnen zehn Jahre später mit Blick auf die damaligen Szenen nicht verdenken, schließlich ging es um das größte Ereignis der jüngeren Düsseldorfer Vereinsgeschichte, allerdings hatte die Situation einen bedeutenden Einfluss auf den Spielverlauf. Fünf Minuten der Nachspielzeit waren abgelaufen, als sämtlichen Beteiligten die Situation vollkommen entglitt. Die zahlreichen Fans, die siegestrunken am Spielfeldrand standen, missverstanden einen Pfiff von Schiedsrichter Wolfgang Stark als Abpfiff. Die Menge war unaufhaltsam, stürmte den Platz und wollte den vermeintlich soeben gesicherten Aufstieg ihrer Mannschaft feiern.

Die Szenen überschlugen sich. Spieler und Schiedsrichter, Journalisten und Fotografen und Funktionäre suchten so schnell es ging den Innenraum des Stadions, Fans feierten, zündeten Bengalos auf dem Feld, während der Stadionsprecher die Fans per Mikrofon zurück auf die Tribüne bat. Ordner und Polizisten versuchten die Leute unter Kontrolle zu bringen und die Eingänge der Stadioninnenräume abzusichern, um so schnell es geht wieder für Ruhe zu sorgen.

Nach knapp 20 Minuten Unterbrechung fanden sich die Mannschaften wieder auf dem Feld ein, dessen Rasen mittlerweile stark ramponiert war. Einige der Fans, die sich zumindest friedlich wieder hinter die Werbebanden begeben haben, hatten sich bereits Andenken mitgenommen. Ein Elfmeterpunkt war bereits verschwunden. Die restliche Spielzeit sollte keine Wende mehr bringen, nach nicht einmal zwei Minuten beendete Schiedsrichter Stark die Partie beim Stand von 2:2. Fortuna Düsseldorf war aufgestiegen, die Emotionen der Fans fanden erneut kein Halten mehr. Der nächste und nun auch geduldete Platzsturm folgte. Der Aufstieg wurde gebührend gefeiert, auf der Tribüne sang Campino seinen Hit „An Tagen wie diesen“, der aus allen Stadionboxen dröhnte, begeistert mit.

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Die Nachwirkungen verstummten lange nicht

Bereits in den nächsten Minuten und Stunden des Abends und vor allem in den folgenden Tagen überschlugen sich die Ereignisse. Hertha BSC wollte sich nicht einfach geschlagen geben, vor sämtliche juristischen Instanzen ziehen und die Ungerechtigkeit und Störung der Fans nicht einfach hinnehmen. Gegen Herthas Spieler Christian Lell und Levan Kobiashvili wurde ermittelt, in den Katakomben soll es während der Unruhe zu einer Auseinandersetzung mit dem Schiedsrichtergespann gekommen sein. Kobiashvili soll Wolfang Stark gar geschlagen haben. Die Folge war eine Sperre über ein halbes Jahr. Bis heute handelt es sich um die längste Strafe, die im deutschen Profifußball verhängt wurde.

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Trainer Otto Rehhagel sprach in den Tagen danach von Todesängsten, die seine Spieler hatten, als man vor den Fans flüchtete. Aussagen, die in Anbetracht der relativ friedlichen Partystimmung unter den Fans, für Schmunzeln sorgten. Hertha BSC kämpfte um Gehör und Recht. Es dauerte über einen Monat, bis Herthas Verantwortliche Mitte Juni den Abstieg endgültig akzeptierten. Hertha hatte da bereits mit Jos Luhukay einen neuen Trainer, Fortuna Düsseldorf unterbrach gar die Sommerpause und fing wieder mit dem Training an, weil eine Wiederholung des Rückspiels ernsthaft zur Debatte stand. Diese schier endlose Posse vor sämtlichen Gerichten ließ den Abstieg als ein surreales Ereignis erscheinen. Schließlich war das entscheidende Spiel schon einige Wochen her und als Fan konnte man sich bereits damit abfinden, welche Entscheidung wohl gefällt werden würde.

In den letzten zehn Jahren haben viele Debatten gefruchtet

Wer sich noch an die Szenen von damals erinnern kann oder sich eben jene bei YouTube zum Teil in voller Länge anschaut, wird feststellen, dass sich in den letzten zehn Jahren viel verändert hat in der deutschen Debattenkultur. Die Fangruppierungen in Deutschland haben mit viel Geduld und ebenso vielen Diskussionen mittlerweile für ein Umdenken gesorgt. Die Fankultur wird weniger pauschal kriminalisiert, Polizeieinsätze sind bei weitem noch nicht im gewünschten Intensitätsbereich, aber auch da wurden entsprechende Instanzen sensibilisiert. Pyrotechnik gilt nicht mehr als die Waffe der „Taliban des Fußballs“, wie früher auch gerne Ultra-Gruppierungen in klassischen deutschen Talkshows bezeichnet wurden. Sie ist zwar noch immer nicht erlaubt, doch die zündelnden Personen zeigen, dass sie in der Lage sind, die Fackeln ohne andere Menschen zu verletzen, zu nutzen.

Fanausschreitungen gibt es immer noch und sie wird es auch vermutlich immer geben, doch pauschale Kollektivstrafen gehören in den allermeisten Fällen ebenfalls der Vergangenheit an. Der damalige Platzsturm war aufgrund der Umstände hochproblematisch und hätte entsprechend hart sanktioniert werden müssen. Allerdings und das war auch damals ein Diskussionspunkt, es handelte sich um keine kriminellen Gestalten, die dort ihre Freude zum Ausdruck brachten. Es waren Fans aller Altersklasse, jeden Geschlechts und mit einem einzigen Gedanken: Die Düsseldorfer Aufstiegsfeier. Gerade in den letzten Wochen haben wir in zahlreichen Stadien Platzstürme dieser Art gesehen. Sie werden in keiner Weise mehr kriminalisiert. Zurecht. Es droht eher, dass der nächste Platzsturm mit einem müden Lächeln abgetan wird und schon bald als verpönt gilt

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Legendäre Derbys der Vergangenheit

Legendäre Derbys der Vergangenheit

Am Samstagabend ist es endlich so weit: Das sechste Berliner Stadtderby zwischen Hertha BSC und dem 1. FC Union Berlin. Die beiden Hauptstadtvereine haben sich in der Vergangenheit bereits spektakuläre Duelle geboten – wir blicken auf ein paar der besonderen Derbys zurück.

08. Juli 2009: 1. FC Union Berlin vs. Hertha BSC 3:5

Ein Freundschaftsspiel, welches einer gewissen Zeitenwende glich. Union Berlin, die in der Saison zuvor ihre Heimspiele im verhassten und von Teilen der Fanszene sogar boykottierten Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Berlin Prenzlauer Berg ausgetragen hatten und aus der neu errichteten 3. Liga in die 2. Bundesliga aufgestiegen waren, eröffneten in der Sommerpause endlich ihr umgebautes Stadion.

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Und zur Wiedereröffnung sollte selbstverständlich niemand geringeres vorbeischauen als der große Rivale aus dem Berliner Westen. Um ehrlich zu sein, war damals dieses Duell alles andere als ein Spiel zwischen Rivalen. Über viele Jahre trennten die Vereine ganze Ligen. Fans und Ultras arbeiteten an gemeinsamen Projekten, die Vereine unterstützten sich. Doch 20 Jahre nach dem Mauerfall war die Verbindung loser und der Hype, der insbesondere durch ehemalige DDR-Bürger entstand, flaute zunehmend ab. Auch medial schien sich etwas zu verändern. Die Köpenicker wurden plötzlich ein relevanter Verein in Berlin. Hertha BSC verlor sein Alleinstellungsmerkmal, als einziger Berliner Profifußballclub. Union Berlin baute sich sein Image als kleiner, gallischer Underdog auf und es entwickelte sich eine immer größere Rivalität.

Am jenen Juli-Abend 2009 trafen sich zwei Mannschaften, die in der Saison zuvor für großes Aufsehen sorgten. Union, die endlich im Profigeschäft angekommen waren, trafen auf Herthaner, die zuvor in der Bundesliga lange um die Meisterschaft mitgespielt hatten und ein neues Selbstverständnis erlangt hatten.

Das Spiel entwickelte sich zu einer munteren Partie. Die Stimmung im Stadion an der Alten Försterei war prächtig. Ein alter und gleichzeitig neuer Mann traf doppelt für die Hertha. Es war wohl das beste Spiel von Arthur Wichniarek im Hertha-Dress. Am Ende wurden den Fans acht Tore präsentiert. Ansonsten war dieses muntere Scheibenschießen ein schönes und spannendes Erlebnis für die Zuschauer*Innen, große taktische Feinheiten sollten damals auch gar nicht von großer Relevanz sein. Auch auf der Tribüne änderte sich etwas. Die ersten Schmähgesänge der Fangruppierungen waren zu hören und auch im fußball-gesellschaftlichen Kontext hörte man von nun an immer mehr die Frage „Hertha oder Union?“. Im Juli 2009 hatte allerdings wohl niemand gedacht, dass man sich schon im folgenden Jahr zum ersten Mal in einem Ligaspiel sehen würde.

03. September 2012: 1. FC Union Berlin – Hertha BSC 1:2

Die Hertha, die nach 2010 zum zweiten Mal in die 2. Bundesliga abgestiegen war, hatte zwar ein Team, welches mit großen Namen gespickt war, allerdings startete die Mannschaft denkbar schlecht in die neue Saison und drohte die Spielzeit und den Aufstieg auf Grund von Starallüren herzuschenken. Doch nach einem lautstarken Wachrütteln von Trainer Jos Luhukay fand die Hertha langsam in die Saison. Union Berlin, deren Ansprüche damals noch deutlich geringer waren, fand sich zu Saisonbeginn ebenfalls in den unteren Tabellenregionen.

Doch wie es üblich ist in einem Derby, sind Tabellenplatzierungen komplett Nebensache. Es geht um Einsatz, es geht um Willen, es geht um Kampf, Kratzen und Beißen. Und die Spieler beider Mannschaften nahmen genau diese Situation an. Herthas Maik Franz, der in seiner Paraderolle als „Ironmaik“ verbal und körperlich extrem austeilte und das Team wo es nur ging pushte war dabei ein Aushängeschild der blau-weißen. Es war eines der besten Spiele Sandro Wagners für Hertha. Nach einer halben Stunde erzielte er die Führung. Den Ausgleich in der 69. Minute egalisierte Herthas damaliger Torjäger Ronny mit einem wuchtigen Schuss. Er trug sich damit in die nette Liste der Freistoßtorschützen in Berliner Derbys ein. Thorsten Mattuschka, der 2010 noch für die Unioner das Derby entschied, sollte in den folgenden Jahren vor allem durch Ronny ergänzt werden.

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Die Brisanz dieses Duells in diesen Jahren zeigte auch das Interview des Unioner Torschützen Christopher Quiring nach dem Spiel, als er sich darüber aufregte, dass „Die Wessis“ nun in ihrem Stadion jubeln würden und man das erst einmal verdauen müsse. Nach einem Remis und einer Niederlage aus der Zweitliga-Saison 2010/2011 war es der erste Derbysieg für Hertha BSC in einem Pflichtspiel.

11. Februar 2013: Hertha BSC – 1. FC Union Berlin 2:2

Das Rückspiel am 21. Spieltag sollte die nächsten brisanten Geschichten schreiben. Die Hertha, die sich vor allem mit Eintracht Braunschweig um die Tabellenspitze stritt und Union, die auf Platz vier weilten und überraschend Außenseiterchancen im Aufstiegskampf hatten, trafen in einem mit über 74.000 Zuschauer restlos ausverkauften Olympiastadion aufeinander.

Es war ein bitterkalter Winterabend. In Berlin lag zum Teil Schnee, doch das Spiel war heißer denn je und die Fans sorgten für eine brachiale Stimmung. Neben vielen Rauchtöpfen durch Pyrotechnik sorgte vor allem die „Spreeathene“-Choreo der Hertha-Ultraszene für riesiges Aufsehen. In einem offenen Spiel gingen die Unioner kurz nach Beginn der 2. Halbzeit mit 2:0 in Führung. Die Herthaner, die zwar mit Kreativität und Spielwitz für Druck und Chancen sorgten, waren an dem Tag vor dem Tor aber einfach glücklos.

Es brauchte zwei Standardsituationen, die das Spiel drehen sollten. Adrian Ramos nickte nach 73 Minuten das Spielgerät wuchtig in die Maschen. Der Vorlagengeber Ronny sollte kurz vor dem Spielende seine Qualitäten zeigen. Der ruhende Ball, der in dieser Saison des Brasilianers bester Freund war, lag einige Meter halbrechts vorm Strafraum entfernt. Sein wuchtiger Schuss, der knapp über die Unioner Mauer flog, landete im unteren rechten Eck. Ein traumhafter Freistoß, der das Berliner Olympiastadion kurz vor Spielende nochmal richtig zum Beben brachte.

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Ronny selbst machte in den Sekunden darauf beim Jubeln Bekanntschaft mit den Tücken des Berliner Winters und dessen Schnee, als er ausrutschte und sich sogar ein wenig verletzte. Aber sei es drum. Hertha spielte in diesem Jahr die beste Saison, die eine Mannschaft jemals in der 2. Bundesliga absolvierte, stieg am Ende völlig verdient wieder auf und Ronny war einer der gefährlichsten Freistoßschützen Deutschlands und es war für eine lange Zeit das letzte Derby auf Wettkampfniveau.

22. Mai 2020: Hertha BSC – 1. FC Union Berlin 4:0

Nachdem das Hinspiel im Stadion an der Alten Försterei noch in einem Hexenkessel stattfand und am Ende die Köpenicker mit einem knappen 1:0-Sieg vom Platz gingen, stand das Rückspiel ganz im Zeichen der Pandemie. Der zweite Spieltag nach dem Wiederbeginn. Unter Trainer Bruno Labbadia kam die Mannschaft hervorragend aus der Zwangspause. Nach einem 3:0-Sieg in Sinsheim gegen Hoffenheim, folgte ein furioser 4:0-Sieg im Derby, in dem Hertha BSC einen erfrischenden Offensivfußball zelebrierte.

Doch bizarre Zeiten erfordern bizarre Maßnahmen und ermöglichen noch viel bizarrere Diskussionen. In einem komplett leeren Stadion fand das Spiel statt, so richtig hatte sich noch niemand an die Situation gewöhnt. Der größte Aufreger dieser Tage war die Art und Weise wie die Spieler der Hertha gegen Hoffenheim noch ihre Tore bejubelt hatten. Gegen Union Berlin zeigte vor allem Kapitän Vedad Ibisevic wie Jubeln mit Abstand geht, als er allein vor seinen Mitspielern sein Tor bejubelte und die anderen Herthaner mit einem Lachen vor ihm standen.

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Es war die nächste Show des Matheus Cunhas. Der werdende Vater schoss ein Tor, widmete das seiner Frau und seinem in diesen Minuten auf die Welt kommenden Kind und verschwand nur wenige Minuten später Richtung Krankenhaus. Eine Zeit in der bei Hertha noch der Traum von einem baldigen Einzug nach Europa gelebt wurde und man als Nummer eins in der Stadt galt.

04. April 2021: 1. FC Union Berlin – Hertha BSC 1:1

Das erste Derby unter Pal Dardai entwickelte sich zu dem spielerisch wohl schwächsten Spiel dieser Aufeinandertreffen. Die Vorzeichen hatten sich mittlerweile komplett geändert. Union Berlin spielte um den Einzug ins internationale Geschäft, während Hertha BSC gegen den Abstieg kämpfte und mit ganz anderen Sorgen, als mit einer Stadtrivalität, umzugehen hatte.

Auch wenn spielerisch nur wenig zu holen war, konnte man sich unter Pal Dardai selbstverständlich trotzdem auf gewisse Tugenden verlassen. Einsatzwille und Mentalität waren vorhanden. Insbesondere Santiago Ascacibar zeigte jene Attribute. Eine Szene, die für Derby stand, war seine rustikale Grätsche gegen Nico Schlotterbeck und die unflätige Ansage, die er seinem Gegenspieler daraufhin machte.

Photo by Clemens Bilan – Pool/Getty Images)

Ansonsten entwickelte sich Robert Andrich immer mehr zum Angstgegner der Hertha. Der ehemalige Junioren-Herthaner und mittlerweile für Leverkusen spielende Mittelfeldakteur traf mit einem sehenswerten Distanzschuss schon früh in der Partie. Dodi Lukebakio traf per Elfmeter zum Ausgleich.

Wie erwähnt hatte das Derby spielerisch nur wenig zu bieten. Die immer noch ausgesperrten Fans machten aber auf sich aufmerksam. Insbesondere einige Fans von Union Berlin, die sich einen Zugang zum Stadiongelände ermöglichten und mit Pyrotechnik ihren eigenen Imbissstand in Brand setzten. Themen, die auf Grund gelangweilter Fans vor dem Stadion in dieser Zeit leider keine Seltenheit waren.

19. Januar 2022: Hertha BSC – 1. FC Union Berlin 2:3

Das wohl brisanteste Duell fand am Anfang dieses Jahres statt. Es war das erste Aufeinandertreffen unter K.O.-Bedingungen. Im DFB-Pokal-Achtelfinale kam es zu der Begegnung, auf die viele Fans seit Jahren hin fieberten. Doch die Kräfteverhältnisse hatten sich in Berlin mittlerweile komplett gedreht. Union Berlin ging als Favorit in das Spiel gegen die von Tayfun Korkut trainierten Herthaner.

3.000 Fans durften das Spiel im Stadion verfolgen. Die wenigen Leute versuchten trotz der mauen Bedingungen für Stimmung zu sorgen. Doch zumindest auf das Spiel der Hertha sollte der Funken nicht überspringen. Union war deutlich stärker und besser eingespielt, als die Heimmannschaft. Andreas Voglsammer per Traumtor, ein Eigentor von Niklas Stark und eine katastrophale Zuordnung bei Standardsituationen sorgten für drei vollkommen verdiente Unioner Tore.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Auf Seiten der Hertha konnte einzig Suat Serdar zählbares rausholen, der Rani Khedira zum Eigentor zwang und selbst in der Nachspielzeit noch das 2:3 erzielen konnte. Das letzte Aufeinandertreffen bestätigte die aktuellen Verhältnisse in Berlin, die nur mit einem Sieg in der Bundesliga wieder verrückt werden könnten.

[Titelbild: JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images]

Hertha BSC – Borussia Mönchengladbach: Drei legendäre Duelle

Hertha BSC – Borussia Mönchengladbach: Drei legendäre Duelle

Wenn Hertha am Sonnabend im Topspiel bei Borussia Mönchengladbach zu Gast sein wird, steht vor allem für die Trainer Adi Hütter (der coronabedingt gar nicht vor Ort sein wird) und Tayfun Korkut viel auf dem Spiel. Schließlich gilt bei beiden intern als kommuniziert, dass sie im Falle einer Niederlage einer Entlassung nahe stehen. Nach zuletzt acht sieglosen Spielen in der Liga hat Korkut im Vorfeld noch weniger Argumente, die für ein Abwenden des eigenen Schicksals sprechen, als sein Gegenüber.

Dabei hat zumindest die Vergangenheit gezeigt: Gegen Gladbach ist Hertha in der Lage, Großes auf den Platz zu bringen. Wir blicken auf drei legendäre Duelle zwischen der Elf vom Niederrhein und der “Alten Dame“.

29. März 1969: Hertha 2:1 Mönchengladbach

Auf einem direkten Abstiegsplatz steht Hertha vor dem 28. Spieltag im März 1969 und mit Mönchengladbach kommt ein Meisterschafts-Anwärter zu Gast ins Olympiastadion.

Doch die müssen auf Günther Netzer verzichten und Hertha weiß es auszunutzen, dass das Mittelfeld der Gäste daher neu formiert ist. Nach 18 Minuten bringt Arno Steffenhagen die kampfstarken Berliner per linkem Außenrist in Führung. Und Gladbach findet gegen gut sortierte Gastgeber vor der Pause keine passende Antwort.

Erst in der 60. Minute lassen die Gladbacher ihre Klasse aufblitzen. Herbert Laumen steckt auf Berti Vogts durch und der trifft zum 1:1. Für Hertha kein allzu großer Rückschlag: Nur 60 Sekunden später köpft Hermann Bredenfeld einen Freistoß von Rudolf Kröner ein und trifft zum 2:1-Endstand.

“Es war kein hochklassiges Spiel”, weiß auch Hertha-Trainer Helmut Kronsbein, “aber ein großer Kampf. Unsere Abwehr trug durch genaues Decken entscheidend zum Erfolg bei.”

Ein entscheidender Sieg, Hertha lässt ein Unentschieden und drei Siege folgen und hält am Ende die Klasse.

02. Oktober 1998: Hertha 4:1 Gladbach

Jubiläum für Michael Preetz: Am 7. Spieltag der Saison 1998/99 absolviert der Angreifer sein 100. Bundesliga-Spiel. Hertha scheint ihm zum Hundertsten einen Sieg schenken zu wollen und tritt sehr dominant auf. Doch Gladbach hält dagegen. Die Führung von Sixten Veit (14.) egalisiert Toni Polster (23.) und hinten spielt Gladbachs Torhüter Robert Enke sehr aufmerksam, sodass es mit einem 1:1 in die Pause geht.

Die zweite Halbzeit sollte dann dem Jubilar gehören. Per Direktabnahme erzielt Preetz nach 58 Minuten das 2:1. Per Flachschuss ins lange Eck macht er in der 80. Minute dann alles klar. Seinen 100. Einsatz in der Bundesliga krönt Preetz dann in der 89., indem er eine Flanke von Dariusz Wosz verwertet. Lupenreiner Hattrick.

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Foto: Michael Cooper /Allsport

“Wir haben sehr konzentriert angefangen, gut kombiniert und sind auch zurecht in Führung gegangen. Nach dem Ausgleichstor haben wir Probleme bekommen, sind dann nach der Pause aber wieder besser ins Spiel gekommen. Entscheidend war, dass wir immer bemüht waren, über außen zu spielen”, so Trainer Jürgen Röber.


Und wie geht die Begegnung zwischen Mönchengladbach und Hertha am 26. Spieltag der Bundesliga-Saison 2021/22 aus? Unsere Drei Thesen zum Spiel könnt ihr hier lesen.


17. Dezember 1977: Hertha 2:1 Mönchengladbach

Ein Meisterschaftsrennen zwischen Rivalen — was für eine Ausgangslage vor dem 19. Spieltag der Saison 1977/78. Tabellenzweiter und amtierender Meister Gladbach steht nur zwei Punkte hinter dem amtierenden Pokalsieger 1. FC Köln.

Im Olympiastadion ist für Gladbach also der nächste Sieg im Rennen um den Titel eingeplant, doch Gastgeber Hertha spielt gut mit. Nach 13 Minuten trifft Karl-Heinz Granitza gar zur 1:0-Führung. Gladbach wird stärker, doch Torhüter Norbert Nigbur zeigt ein überragendes Spiel.

Erst in der 65. Minute treffen die Gladbacher ins Tor. Doch Jupp Heynckes´ Ausgleichstreffer kontert Hertha nur eine Minute später mit dem 2:1 durch Dieter Nüssing. Das Endergebnis vor 40.000 Zuschauern im Olympiastadion.

Fehlende Punkte, die Gladbach am Saisonende schmerzen sollten. Trotz Punktgleichheit wird Köln wegen des besseren Torverhältnisses (obowhl Gladbach am letzten Spieltag 12:0 gegen Dortmund gewinnt) Deutscher Meister.

[Titelbild: Stuart Franklin/Getty Images]

Vom Luhukay-Opfer zum MLS-Star: Was macht eigentlich Hany Mukhtar?

Vom Luhukay-Opfer zum MLS-Star: Was macht eigentlich Hany Mukhtar?

Die Talentschmiede von Hertha BSC zählt zweifelsohne zu den besseren in der Bundesrepublik Deutschland. Es gibt die Mittelstädts, die sich langfristig bei der Alten Dame durchsetzen konnten, es gibt die Boatengs, die eine riesige Weltkarriere starteten und zwischenzeitlich zu den besten Spielern der Welt gehörten und es gibt die, die einen etwas anderen Weg eingeschlagen haben. Er galt zwischenzeitlich als gescheitert. Doch mittlerweile spielt sich Hany Mukhtar wieder in den Fokus. Was macht das ehemalige Berliner Juwel eigentlich?

Das erste und letzte Mal

Im Juli 2016 war es soweit. Hany Mukhtars Einwechslung in der 58. Minute war perfekt. Sein erster Europa-League-Einsatz. Das Publikum im ausverkauften Berliner Jahn-Sportpark klatschte freundlich. Großartige Akzente konnte er im Qualifikationsspiel zwischen Hertha BSC und Bröndby IF nicht mehr setzen, in dem Hertha einen 1:0-Sieg über die Zeit rettete.

Ganz anders im Rückspiel in Kopenhagen nur wenige Wochen später. Mit einer Torvorlage und mächtig Wirbel in der Offensive verdiente sich der Sohn eines sudanesischen Vaters die Kicker-Note 2,0. Nach einer 1:3 Niederlage musste Hertha früh die Segel streichen, während es  für Mukhtar noch eine Runde weitergehen sollte, ehe auch er sich aus dem Wettbewerb verabschieden würde. Zu der Zeit war er schon lange kein Spieler von Hertha BSC mehr. Als Profi von Bröndby IF war dieser Auftritt allerdings der bis heute Letzte, der seinen Weg mit Hertha kreuzte.

Unspektakulärer Start für Mukhtar

Hany Mukhtar galt als riesiges Talent, ein Kreativspieler, der 2012 dem biederen Jos Luhukay-Fußball einen frischen Anstrich hätte verleihen können. Es war die zweite Saison seit 2010, die die Berliner in der 2. Bundesliga verbringen mussten. Mit Raffael verließ im Sommer der wichtigste Kreativspieler der letzten Jahre den Verein.

Als Ersatz für diesen sollte ausgerechnet sein Bruder Ronny fungieren. Dessen Position war nie wirklich definiert. Der Brasilianer schaffte es weniger wegen seiner Kreativität, sondern viel mehr dank seines brachialen Schusses für Aufmerksamkeit und Tore zu sorgen und spielte sich als Stammspieler auf der Zehner-Position fest.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images for Deutsche Bahn)

Mit Änis-Ben Hatira gab es einen weiteren Berliner Jungen im Kader der Offensive. Doch auch seine Kreativität fiel langen Verletzungspausen zum Opfer. Also eigentlich alles wie gemacht für ein künstlerisches Talent. Der Pool der möglichen Debütanten der Hertha, so muss man zugeben, platzte 2012 nicht gerade aus allen Nähten. Bei einem Blick auf den damaligen Kader der 2. Mannschaft muss man registrieren, dass sich von den Feldspielern lediglich Robert Andrich nachhaltig in der Bundesliga etablieren konnte.

Am 7. Spieltag der Saison 2012/2013 feierte Hany Mukhtar gegen Dynamo Dresden sein Profidebüt. Bis zum Ende der Saison, an dem der Wiederaufstieg in die Bundesliga verzeichnet werden konnte, kamen für ihn sechs weitere Einsätze hinzu. Mehr als Kurzeinsätze sollten es jedoch nicht sein. Sein Spielstil war kreativ und nett anzusehen, allerdings alles andere als ertragreich.

Verletzungen, undankbare Spiele und ein goldener Sommer

Auch in der folgenden Bundesliga-Saison konnte er sich nicht nachhaltig durchsetzen. Zunächst verpasst er den Beginn der Saison durch einen Außenbandriss, eher er im Verlauf des Spieljahres von Luhukay den ein oder anderen Einsatz bekam.

Seine Spielzeiten wurden zwar länger, doch bei Niederlagen gegen den FC Bayern München und Bayer 04 Leverkusen wussten weder er, noch die Mannschaft zu überzeugen. Am 34. Spieltag durfte das Talent seinen ersten Einsatz über die volle Distanz feiern. Gegen Borussia Dortmund gab es mit einem 0:4 allerdings die obligatorische Saisonabschluss-Klatsche für die Hertha.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images for Deutsche Bahn)

Am Ende der Saison 2013/2014 standen zehn Einsätze zu Buche. Eine Torbeteiligung gelang ihm nicht. Diese sollte ihm aber wenige Wochen später im Finale der U19-Europameisterschaft gegen Portugal gelingen. An der Seite von Niklas Stark und Davie Selke erzielte er den Siegtreffer.

Kein Vertrauen von Jos Luhukay, Jugendtrainer Pal Dardai knapp verpasst

In der Transferphase zur Saison 2014/2015 kam mit Genki Haraguchi, Valentin Stocker, Roy Beerens und insbesondere Salomon Kalou enorm starke Offensivpower dazu. Die Einsatzchancen für ein interessantes, bisher aber nicht zu überzeugen wissendes Talent wie Hany Mukhtar, sollten sich auf ein Minimum reduzieren. Bis zur Winterpause erhielt er keine einzige Minute mehr.

“Junge Spieler wie Hany reinzubringen, wenn das Gerüst fehlt, ist schwer”, sagte Jos Luhukay damals. In der Tat stand es um die Mannschaft alles andere als gut. Nach einem 0:5 gegen die TSG 1899 Hoffenheim am 17. Spieltag stand das Team auf Platz 13 und nur zwei Punkte von einem Abstiegsplatz entfernt.

Die Situation sollte sich in den nächsten Wochen weiter verschärfen. Jos Luhukay wurde nach einer Sieglosserie und einem 0:1 gegen Bayer 04 Leverkusen nach dem 19. Spieltag entlassen. Pal Dardai, als großer Jugend- und Mukhtar-Förderer bekannt, übernahm die Mannschaft auf dem letzten Platz. Da war Hany Mukhtar allerdings seit drei Wochen schon bei Benfica Lissabon. Seinen ehemaligen Mentor hatte er somit knapp verpasst.


Er hat im November keine Minute verpasst, Führungsqualität bewiesen und zuletzt sogar Interesse im Mutterland des Fußballs geweckt: Niklas Stark ist Hertha-BASE-Herthaner des Monats.


Schwere Jahre in Portugal und Österreich für Mukhtar

Für 500.000 Euro wechselte der Mittelfeldspieler zu Benfica Lissabon. Aber auch in Portugal konnte er sich nicht durchsetzen. In einem mit vielen Kreativspielern gespickten Team kam Mukhtar lediglich zu einem 15-minütigen Kurzeinsatz. Immerhin konnte er sich am Ende dieser Saison offiziell Portugiesischer Meister nennen. Im Sommer ließ sich der Juniorennationalspieler nach Österreich verleihen.

Und die Zeit bei Red Bull Salzburg begann mit einem ersten Ausrufezeichen. Direkt im ersten Einsatz sollte ihm eine Torvorlage gelingen. Doch wieder einmal konnte sich Mukhtar nicht entscheidend durchsetzen und verzeichnete lediglich Kurzeinsätze. Am Ende der Saison stand er 13 Mal auf dem Platz. Immerhin gelang ihm sein erstes Ligator. Zwei Einsätze im Österreichischen Pokal kamen hinzu.

Auch nach dieser Saison konnte das ehemalige Hertha-Talent Titel feiern. Er war Liga – und Pokalsieger. Drei Torbeteiligungen in 15 Einsätzen überzeugten die Klubführung allerdings nicht, weshalb man von einer festen Verpflichtung absah.

Der Durchbruch in Dänemark

Im Sommer 2016 wechselte Hany Mukhtar für eine kolportierte Ablösesumme von 2,5 Millionen Euro zum dänischen Verein Bröndby IF. Mit 21 Jahren galt er durchaus noch als ein Talent. Allerdings wurde das öffentliche Interesse an seiner Person zunehmend ruhiger. Seine bisherigen Einsatzzeiten waren nicht die erhofften, wenngleich seine Vita und Titelsammlung für einen Fußballer in seinem Alter mehr als beachtenswert waren.

(Photo by Vincent Kalut/Photonews/Getty Images)

Der nächste Tapetenwechsel zündete. In Dänemark blieb er weitgehend verletzungsfrei und neben den Einsatzzeiten stimmte auch endlich der Ertrag. In wettbewerbsübergreifend 38 Einsätzen gelangen ihm 20 Torbeteiligungen. Er entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einem der besten Spieler der dänischen Superligaen. In den Scorerlisten fand man ihn in seinen ersten beiden Jahren jeweils unter den besten zehn Spielern der Liga.

Und auch seine Titelsammlung konnte er 2018 mit dem Sieg des Sydbank Pokalen, dem nationalen Pokalwettbewerb, erweitern. Im Finale gegen Silkeborg IF steuerte er beim 3:1 zwei Vorlagen bei. Bis zum Ende des Jahres 2019 gelangen dem ehemaligen Hertha-Talent wettbewerbsübergreifend in Dänemark in 134 Spielen 28 Tore und 36 Assists.

Der Lockruf aus den USA

Im Winter 2020 wechselte der heute 26-Jährige für 2,7 Millionen Euro zum neuen amerikanischen Franchise Nashville SC, aus dem US-amerikanischen Bundesstaat Tennessee, in die MLS. Aus dem ehemaligen Talent ist mittlerweile ein gestandener Profi geworden.

Das Team aus Nashville wurde um ihn aufgebaut und Mukhtar gilt neben seiner Funktion als Führungsspieler mittlerweile als absoluter Star der MLS. Im ersten Jahr schaffte es das Team bis in das Viertelfinale der Playoffs. Die Chancen, in diesem Jahr noch weiter zu kommen, standen nicht schlecht. Mukhtar und Nashville mussten sich im Halbfinale allerdings gegen Philadelphia Union geschlagen geben. Der Ex-Herthaner hatte auch in diesem Spiel getroffen, das Elfmeterschießen verlor man jedoch.

(Photo by Brett Carlsen/Getty Images)

Hany Mukhtar schießt Tore am laufenden Band, ist der Star der Liga und gilt bei den Amerikanern als absoluter MVP. Massig Skill- und Tor-Videos sind auf den einschlägigen Plattformen im Netz zu sehen. Den schnellsten Hattrick der MLS-Geschichte erzielte er und 37 Torbeteiligungen in 51 Spielen seit seiner Ankunft in den USA sprechen eine deutliche Sprache.

Eine mögliche Mukhtar-Rückkehr nach Deutschland?

Hany Mukhtars Leistungen sind in Europa nicht verborgen geblieben. Und insbesondere die Fans von Hertha BSC verfolgen gespannt, wie es um den einstigen Sohn des Vereins bestellt ist. Die Bindung zu seinem Jugendverein besteht immer noch und die Bundesliga scheint für ihn noch nicht abgehakt. Doch aktuell genießt er die Zeit in den USA.

Es ist wie damals 2012. Hertha BSC fehlt die Kreativität im Mittelfeld. Die Situation ist brenzlig und man treibt gesichtslos in unruhigen Gewässern. Möglicherweise würde in einer ruhigeren Situation der Name Hany Mukhtar bei Hertha gar nicht fallen, aber jemanden mit Kreativität und guter Laune sollte man in Berlin nicht ignorieren. Schon gar nicht, wenn es um einen Berliner Jungen geht und Identifikationsfiguren dieser Tage händeringend gesucht werden.

[Titelbild: Brett Carlsen/Getty Images]

Jahresrückblick: Teil 4 – Ein gefühlter Rückschritt

Jahresrückblick: Teil 4 – Ein gefühlter Rückschritt

Am Ende dieses verrückten Jahres blicken wir bei Hertha BASE in einer vierteiligen Serie auf die wichtigsten Ereignisse und Vorkommnisse bezüglich Hertha zurück.

Teil 1 – HaHoHe, euer Jürgen

Teil 2 – Labbadia stabilisiert Hertha

Teil 3 – Eine unmögliche Vorbereitung

Nach bestenfalls mäßigen Vorbereitungsspielen startete Hertha Mitte September in die neue Saison. Gegen gerade in die Zweite Liga aufgestiegene Braunschweiger kassierte Hertha in 90 Minuten (!) fünf Tore und schied aus. Bis heute steht dieses Pokalspiel als Sinnbild für den Rest des Fußballjahres 2020: Trotz einiger offensiver Glanzmomente wirkte die Mannschaft oft unstabil und noch viel schlimmer: nicht zusammenhängend. Der Jahresrückblick Teil 4.

Das Pokalaus

Im Gegensatz zu den Fans der meisten anderen Bundesligateams können wir Herthaner:innen nur in wenigen Erinnerungen schwelgen. Denn große Erfolge gibt es in der jüngeren Vereinsgeschichte schlichtweg nicht. Als motivierender und identitätsbildender Faktor bleibt also die Hoffnung auf einen Erfolg, konkret: auf einen Titel. Da der Gewinn der deutschen Meisterschaft eine Illusion ist, bleibt der Pokal eine solche Hoffnung. Denn: Gewinnst du fünf Spiele hintereinander, stehst du im Finale im eigenen Stadion.

Und so ging man als Herthaner:in auch vor dem diesjährigen Pokalstart mit viel Hoffnung in die Partie gegen Eintracht Braunschweig. Nach zehn Braunschweiger Torschüssen, 66 Prozent Ballbesitz und 25 Torschüssen für Hertha stand nach 90 Minuten allerdings das Ergebnis 5:4 zu Buche. Die Daten zeigen: Obwohl Hertha insbesondere in der zweiten Hälfte dauerhaft drückte und auch kreativ Chancen erspielte, war die Abwehrleistung teils erschreckend schlecht, Braunschweig musste nicht viel tun, um zu treffen. Die einzige Hoffnung, die den Herthaner:innen nach diesem Spiel noch blieb, war das noch offene Transferfenster.

Der durchwachsene Ligastart

Vor diesem Hintergrund war das erste Ligaspiel in Bremen eine positive Überraschung. Insbesondere das Zusammenspiel zwischen Matheus Cunha, Dodi Lukébakio und Vladimir Darida ließ auf eine erfolgreiche Bundesligasaison hoffen – immer wieder sorgten die drei für blitzschnelle, gefährliche Konter. Der Herthaner des Spiels, der eigentlich auch der einzige Gewinner der bisherigen Hinrunde ist, war Peter Pekarik. Der Slowake räumte auf seiner Defensivseite nicht nur alles ab, sondern erzielte nach gefühlten 127 Jahren auch mal wieder einen Ligatreffer. Heute ist klar: Es sollte nicht sein letzter sein.

Foto: IMAGO

Schade nur, dass Hertha diesen Schwung nicht in die folgenden Partien mitnahm. Es folgten Niederlagen gegen Eintracht Frankfurt, den FC Bayern München, VfB Stuttgart und RB Leipzig. Erst am 6. Spieltag gegen den VfL Wolfsburg konnte wieder ein Punkt geholt werden. Wie sich schon im Braunschweig-Spiel angedeutet hatte, zeigte sich auch in diesen Partien, dass Hertha massive Stabilitätsprobleme in der Abwehr hat. Insbesondere in spielerisch überzeugenden Partien gegen Leipzig und die Bayern zerstörte man sich die Punktemitnahme durch Torgeschenke an den Gegner. Für die Mannschaft war das auch aus psychologischer Sicht extrem frustrierend, denn man brachte sich wiederholt um den Lohn, den man sich in der Offensive erarbeitet hatte.

Die schlechteste Abwehrleistung

Man muss dazu sagen: Aus Herthas Sicht ist diese Saison einfach richtig doof strukturiert. Nach dem oben genannten Unentschieden gegen Wolfsburg folgte ein kurzer Erholungserfolg gegen Augsburg und anschließend gab es weitere schwere Spiele gegen Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen.

Gegen besagte Dortmunder gab es dann auch die verheerendste Abwehrleistung der Saison. Aber auch in diesem Spiel war es nicht so, dass Hertha durchgehend enttäuschte. Ganz im Gegenteil: Das 2:5 war am Ende so enttäuschend, weil man zur Pause 1:0 führte und Dortmund eigentlich kontrolliert hatte. Auch in diesem Spiel hat man sich durch eine schlechte Abwehrleistung um den wohl verdienten Lohn gebracht.

Der Höhepunkt

Nach einem 0:0 in Leverkusen, bei dem man sich als Hertha-Fan einfach nur über die stabile Abwehr freute, folgte dann das wichtigste Spiel der ersten Saison-Monate: das Stadtderby. Für Hertha war das Derby nicht nur des Prestiges wegen wichtig, sondern auch aufgrund der Tabellensituation: Nach neun Spielen lag Hertha auf Rang 13, während Union bereits doppelt so viele Zähler eingesammelt hatte und auf dem sechsten Platz rangierte.

Die Vorzeichen standen also nicht unbedingt gut für unsere Hertha. Und das Spiel begann auch wieder einmal enttäuschend. Hertha kam nicht richtig in die Partei und durch einen recht einfachen Angriff ging Union in Führung. Nach einem Karate-Tritt des Unioners Andrich spielte Hertha ab der 23. Minute in Überzahl. Das schien die Mannschaft von Bruno Labbadia aber erst in der zweiten Halbzeit realisiert zu haben, weil dann erst der Druck erhöht wurde. Zum blau-weißen Derby-Helden wurde dann Krzysztof Piatek, der nach dem Treffer zum 1:1 durch Pekarik das Spiel durch zwei Aktionen drehte.

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Im Vorfeld des Spiels hatte Hertha in der Stadt noch für mächtig Aufsehen gesorgt, weil entlang der größten Straßen Berlins etwa 60.000 kleine Hertha-Fähnchen aufgestellt wurden. Gleichzeitig veröffentlichte der Verein einen neuen Fan-Song und neue Merchandise-Produkte, passend zum Derby lief alles unter dem Motto „Wo die blau-weißen Fahnen weh’n“.

Man mag von den einzelnen Elementen dieser Mini-Kampagne halten was man will, schön ist aber, dass der Verein seinen Fans vor diesem wichtigen Spiel das Gefühl gab trotz des Corona-bedingten leeren Stadions irgendwie doch mit dabei zu sein. Besonders getragen wurde dieses Gefühl davon, dass der Verein die Trikotbrust in diesem so wichtigen Spiel mit der Faninitiative “Aktion Herthakneipe” zieren ließ.

Der Tiefpunkt

Nach einem recht stabilen 0:0 gegen Borussia Mönchengladbach standen dann die Spiele gegen Mainz 05 und den SC Freiburg an, die auch zum bisherigen Tiefpunkt der Saison werden sollten. Eigentlich waren wir Herthaner:innen nach dem Gladbach-Spiel froh, dass nun endlich die vermeintlich leichteren Gegner kommen.

Doch es sollten zwei extrem enttäuschende Partien folgen. Das 0:0 gegen Mainz war aus fußballerischer Sicht grausam – beide Mannschaften fabrizierten keinen einzigen Torschuss. Das hatte es in den letzten 16 Jahren Bundesliga zuvor nur zwei weitere Male gegeben. Kurz vor Weihnachten verlor Hertha dann in Freiburg 1:4 – ein Spiel, in dem Hertha erneut auffällig leicht Gegentore kassierte.

Die Fehleinschätzungen

Keine Frage, als Herthaner:in kann man mit den ersten Monaten der Saison nicht zufrieden sein. Nach den extrem unruhigen letzten Jahren einen neuen Trainer zu installieren, würde die Mannschaft wohl aber noch weiter destabilisieren. Aber das Trainerteam muss sich einige Fragen gefallen lassen.

Labbadia muss sich fragen lassen, warum er es nicht geschafft hat, die Defensive der Mannschaft zu stabilisieren. Bis zum letzten Spiel des Jahres in Freiburg gab es immer wieder Momente, in denen Hertha quasi ohne Gegenwehr Tore fing. Auch Labbadias Umstellungen und Einwechslungen sind nicht immer nachvollziehbar. Warum gab er in den letzten Spielen des Jahres beispielsweise immer wieder Matthew Leckie eine Chance und ließ gleichzeitig Nachwuchsstürmer Jessic Ngankam auf der Bank sitzen? Es gab quasi keinen Einsatz, in dem Leckie diese Entscheidung des Trainers durch gute Leistungen rechtfertigte.

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Und: Warum bevorzugte Labbadia im so enttäuschenden Mainz-Spiel den Niederländer Zeefuik vor Pekarik? Der Slowake war in fast allen Spielen positiv aufgefallen und entdeckte sogar seine Torgefahr, Zeefuik hingegen wirkt weiterhin unsicher und fiel auch durch technische Mängel auf. Schließlich hat Labbadia auch in der Zentrale ein Problem: Immer wieder setzte er auf der Position vor der Abwehr auf Niklas Stark. Der gebürtige Franke wiederum hat allerdings überhaupt keine Anbindung an seine Vordermänner im zentralen Mittelfeld. Es wirkte teilweise so, dass Stark, Tousart, Darida und teilweise auch Cunha noch nie zusammen Fußball gespielt hätten. Fehlpässe en masse sowie falsche Laufwege prägten viele Hertha-Spiele. Torchancen wollen dabei nicht herumkommen.

Die Neueinkäufe

Für Michael Preetz war es eine wahre Monsteraufgabe, den Weggang einer ganzen Reihe von erfahrenen Führungsspielern durch Neueinkäufe wettzumachen. Die ersten Liga-Monate lassen den Schluss zu, dass ihm das nur bedingt gelungen ist. Die einzigen sofort spürbaren Verstärkungen sind Matteo Guendouzi und Cordoba. Obwohl der Franzose Guendouzi nach einer Corona-Infektion und Länderspielpausen erst sehr spät zur Mannschaft stieß, drückte er dem Team sofort sein Spiel auf, übernahm die Fäden im Mittelfeld und begann sogar jüngere Spieler als echter Leader anzuweisen. Guendouzi ist ohne Kaufoption ausgeliehen – Spätestens im Sommer muss Preetz also die nächste Lücke im zentralen Mittelfeld schließen. Auch Cordoba fiel durch eine Verletzung im Augsburg-Spiel lange aus. In den Spielen, die er machte, war er jedoch stets gefährlich. Dass Preetz quasi im Tauschgeschäft Ondrej Duda an Köln abgab und somit nur etwa acht Millionen Euro für den Kolumbianer entrichten musste, ist einfach ein guter Deal.

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Die Neuzugänge Tousart, Zeefuik und Omar Alderete sind aus heutiger Sicht keine Fehleinkäufe. Insbesondere Tousart könnte mit seiner robusten Spielweise Herthas Mittelfeld mehr Sicherheit geben. Und auch Alderete hat in seinen wenigen Spielen oft gut gestanden. Alle drei Spieler hatten aber auch viele schwache Phasen: Tousart funktioniert im Offensivspiel mit Cunha und Darida nicht, Alderete verschenkte ein wichtiges Gegentor in Leipzig und Zeefuik hatte bei seinen Einsätzen auf der rechten Abwehrseite einfach viel zu wenige Offensivaktionen.

Ganz ähnlich fällt die Bewertung von Herthas neuem Schlussmann aus: Alexander Schwolow hatte keine echten, massiven Patzer in seinem Spiel. Auf der anderen Seite hat er auch kein Spiel gemacht, in dem er seiner Mannschaft durch besondere Glanztaten Punkte rettete. Allerdings: Schwolows Statistik ist eher positiv. Im Vergleich mit den anderen Torhütern in der Liga liegt der ehemalige Freiburger mit drei Zu-Null-Spielen und einer Paradenquote von knapp 57 Prozent sogar im oberen Tabellendrittel.

Die Zahlen

Ziemlich genau anderthalb Jahre nach dem Einstieg von Lars Windhorst steht Hertha nach dem 13. Spieltag mit 13 Punkten auf Rang 14. Bis zum Relegationsplatz sind es noch drei Zähler, bis zu den europäischen Plätzen – wo Hertha mittelfristig landen möchte und Union derzeit steht – sind es inzwischen 8 Punkte Abstand.

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Die Torstatistik verrät eines von Herthas Problemen: Mit 20 geschossenen Toren rangiert das Team auf dem 10. Platz der Liga. Der VFL Wolfsburg hat beispielsweise als Viertplatzierter ebenfalls 20 Tore erzielt. Bei den Gegentreffern liegt Hertha mit 24 Toren jedoch auf dem drittletzten Platz der Liga. Faulheit kann man Hertha jedenfalls nicht vorwerfen: Mit rund 1516 gelaufenen Kilometern hat Hertha die neuntbeste Laufleistung der Liga-Teams, mit Nik Stark zudem den Spieler, der in der Einzelwertung der Spieler-Laufleistungen auf Platz 5 liegt.

Zumindest leicht auffällig ist, dass Hertha nur 5 seiner 13 Punkte im Olympiastadion sammelte. Insbesondere die Spiele gegen Stuttgart und Mainz hätte man in der Retrospektive eigentlich gewinnen müssen – dann wäre nicht nur die Heimbilanz zur Weihnachtspause erträglicher gewesen. Schaut man sich die letzten beiden Herthaspiele nochmals an, fällt zudem auf, dass insbesondere im zentralen Mittelfeld viele kleine aber wichtige Zweikämpfe verloren gingen. Die Zweikampfquote belegt das: Unter den 25 Spielern mit der besten Zweikampfquote rangiert nur ein Herthaner: Rechtsverteidiger Pekarik mit knapp 62 Prozent gewonnener Duelle. Dass Matheus Cunha der Spieler mit den meisten Ballverlusten der Liga ist (77), belegt dieses Problem.

[Titelbild: IMAGO]

Podcast #111 Saisonrückblick 19/20

Podcast #111 Saisonrückblick 19/20

Wir besprechen die denkwürdige Saison 19/20 noch einmal in Gänze für euch. Die erste Hälfte behandeln wir nur oberflächlich, da es schon einen ausführlichen Hinrundenrückblick gibt. Auf die Rückrunde und alle dort geschehenen Dinge gehen wir näher ein und beantworten auch wieder eure Twitterfragen. Danach gibt es noch einen Ausblick auf die kommende Spielzeit.

Wir wünschen euch ganz viel Spaß mit der Folge und freuen uns über eure Kommentare.

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(Photo by MICHAEL SOHN/POOL/AFP via Getty Images)